E-Autos bringen neue Herausforderungen für Unfallretter

Die Zahl der Elektroautos in Deutschland steigt. Sind Feuerwehr und Polizei auf die veränderte Technik eingestellt? Experten raten zur Sachlichkeit.

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Tesla-Unfall

(Bild: dpa, Laguna Beach Police Department/AP)

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Der Notruf trifft gegen vier Uhr morgens ein. Ein Elektroauto stehe in Flammen, wird der Leitstelle in Dortmund gemeldet. Vor Ort lodert die Batterie des E-Wagens immer wieder auf – und die Feuerwehr will kein Risiko eingehen. Mit einem Kran heben die Rettungskräfte das brennende Fahrzeug Anfang Juni in ein Becken mit etwa 20.000 Liter Wasser. In aller Ruhe kühlt das versenkte Auto ab.

War das die einzig richtige Methode? Dirk Delvay sieht mehrere Möglichkeiten. "Ich kenne die Details nicht. Grundsätzlich kann es manchmal gut sein, einen Wagen kontrolliert abbrennen zu lassen", sagt der Experte der Feuerwehr- und Katastrophenschutzschule Koblenz.

Die Zahl von E-Fahrzeugen nimmt zu in Deutschland, das stellt die Rettungskräfte vor Herausforderungen. Werden Lithium-Ionen-Akkus genauso gelöscht wie herkömmliche Batterien? Droht Rettern ein Stromschlag?

"Es gibt in der Allgemeinheit noch viel Unwissen über das Thema", sagt Delvay. "Auch bei der Feuerwehr herrscht gelegentlich Unsicherheit." An der Feuerwehr- und Katastrophenschutzschule wird intensiv informiert, für Führungskräfte gibt es eine Taschenkarte mit Hinweisen. "Das Thema ist komplex", sagt Delvay. So könnten Lithium-Ionen-Akkus auch nach dem Abschleppen eines Fahrzeugs noch aufflammen. Delvay sieht Hersteller in einer Informationspflicht.

"Je mehr Elektroautos unterwegs sind, desto heißer wird die Diskussion über die Sicherheit: Was passiert nach einem Unfall? Geht die Batterie in Flammen auf?", meint der ADAC. Die Organisation erinnert daran, dass alle Autos, die eine Zulassung bekommen, Gesetze hinsichtlich der Sicherheit der Fahrer beachten müssen. "Egal, ob ein Fahrzeug mit Benzin oder Diesel, Erd- oder Flüssiggas oder eben mit einer Batterie elektrisch betrieben wird."

Der Verkehrsclub weist insbesondere darauf hin, dass das Hochvoltsystem eines E-Autos in der Regel nach einem Unfall mit Auslösung des Airbags abgeschaltet wird. "Eine Beschädigung der Batterien stellt den kritischsten Fall im Unfallgeschehen dar – und muss daher bei der Konstruktion des Fahrzeugs so weit wie möglich ausgeschlossen werden", fordert der ADAC.

Allerdings müssen Brandschützer die E-Fahrzeuge erst als solche erkennen. Ein Auspuff ist kein zuverlässiger Hinweis auf einen Verbrennungsmotor – es kann sich auch um ein Hybrid-Wagen handeln. Zuverlässige Infos bietet eine sogenannte Rettungskarte, die wegen Pannen aller Art idealerweise im Auto liegt. Sie enthält Angaben über Gefahrenpunkte.

Weltweit führender Automobilzulieferer der Chemieindustrie ist der Ludwigshafener Konzern BASF. Zum Portfolio des Unternehmens zählt einer Sprecherin zufolge auch Material für Lithium-Ionen-Batterien. Mit verbesserten Hochleistungskunststoffen will BASF die elektromagnetische Abschirmung und den Flammschutz erhöhen.

Denn einmal in Flammen, gelten Elektroautos als nicht leicht zu löschen. Das Lithium in den Akkus reagiert mit Wasser, es entsteht Wärme und Wasserstoff, der brennbar ist. "In einem solchen Fall sollte man deutlich mehr Löschwasser verwenden als etwa bei Bränden von Autos mit Verbrennungsmotoren", sagt Delvay.

Tesla hat hierzu beispielsweise ein Notfall-Handbuch verfasst, welches auch auf Batteriebrände eingeht. In diesem heißt es unter anderem: "Das Löschen von Batteriebränden kann bis zu 24 Stunden dauern. Lassen Sie die Batterie möglicherweise brennen, während Sie freiliegende Stellen schützen." Rettungskräfte sollen auch auf die Gefahr der Wiederentzündung hingewiesen werden.

Als Risiko gilt bei E-Autos auch ein Stromschlag. Zwar klemmt die Sicherheitstechnik im Normalfall die Batterie ab, wenn der Airbag ausgelöst wird. Doch gerade durch Unfälle kann die Technik auch einmal versagen. Deswegen: "Hände weg von den Hochvoltkomponenten und von allen orangefarbenen Leitungen", rät der ADAC. Auch Experte Delvay sagt: "In der Ausbildung betonen wir immer: Die orangefarbenen Kabel nicht berühren."

Nicht nur der Feuerwehr, auch der Polizei sind die Herausforderungen mit Elektroutos bekannt. So seien etwa in Baden-Württemberg für die Streifendienste sogenannte Hochspannungs-Schutzhandschuhe beschafft worden, sagt Michael Klump vom Polizeipräsidium Mannheim.

[UPDATE, 20.06.19, 9:15 Uhr]

Hinweis auf Teslas Notfall-Handbuch sowie Zitate hieraus ergänzt. (kbe)