Grüne sehen autonomes Fahren als Zukunftsmodell für Nahverkehr
Weil die Nutzer fehlen, ist ein eng getakteter Nahverkehr auf dem Land kaum noch möglich. Können selbstfahrende Fahrzeuge eine Lösung sein?
Sie holen den Dorfbewohner zuhause ab und bringen ihn zum Einkaufen, Arzt oder zum nächsten Bahnhof: Selbstfahrende Autos und Busse könnten aus Sicht der Grünen den öffentlichen Nahverkehr auf dem Land in Sachsen-Anhalt retten. Anders lasse sich ein verlässliches Angebot kaum aufrecht erhalten, sagte die dortige Fraktionschefin Cornelia Lüddemann der Deutschen Presse-Agentur. Die Grünen fordern, dass solche Angebote so schnell wie möglich im Rahmen von Projekten getestet werden. Hintergrund sind Ergebnisse einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WBZ), das mehrere Grünen-Landtagsfraktionen in Auftrag gegeben haben.
Lüddemann verwies auf das Problem, dass immer wieder Strecken stillgelegt und Bahnhöfe nicht mehr angefahren würden, weil auf dem Land die Nutzer fehlten. "Für fünf Leute, die dort aussteigen, kann man keinen ganzen Zug fahren lassen." Derzeitige Alternativen wie Rufbusse seien nicht flexibel genug. Selbstfahrende Kleinbusse, die keinen Fahrer benötigen, könnten dafür sorgen, dass eine dichte und verlässliche Taktung finanzierbar wird, gab sich Lüddemann überzeugt. Zudem ließe sich so aus Sicht der Fraktionschefin dem Fachkräftemangel in der Branche begegnen – Busfahrer sind bereits heute vielerorts Mangelware.
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Zukunftsvisionen
Lüddemann nannte ein Beispiel an der Regionalexpress-Strecke von Dessau nach Berlin. Der Haltepunkt Thießen sei stillgelegt worden, zur nächsten Station in Jeber-Bergfrieden seien es rund sechs Kilometer. "So eine Strecke ist ideal für ein Pilotprojekt." Die Strecke sei relativ wenig befahren, es gebe kaum Ampeln – perfekt, um ein selbstfahrendes Angebot auszuprobieren. "Wir können so testen, wie sich das Nutzungsverhalten der Menschen ändert" sagte Lüddemann.
Sie räumte ein: zunächst geht es noch nicht um das vollständig autonom fahrende Fahrzeug, sondern um eine sogenannte automatisierte Variante. Noch muss stets ein Fahrer an Bord sein, der zur Not eingreifen kann. Lüddemanns Zukunftsvision: Jeder kann per Smartphone die Strecke buchen, die er fahren möchte. In einer Leitstelle werden die Wünsche der Teilnehmer koordiniert und individuelle Routen erstellt, die von selbstfahrenden Fahrzeugen abgefahren werden. Ein Kompetenzzentrum für diese Mobilitätsvision passe zum Beispiel sehr gut in die Kohleregion im Süden Sachsen-Anhalts, für die im Rahmen des Strukturwandels jetzt Projekte gesucht würden.
Politische Vorgaben für die Mobilität der Zukunft
Bis auf den Straßen vollständig autonom fahrende Fahrzeugflotten unterwegs sind, wird es aus Sicht der Wissenschaftler des WZB allerdings noch Jahrzehnte dauern. Politische Entscheidungen müssten aber bereits jetzt getroffen werden. "Die digitalen Optionen für eine Verkehrswende können sich daher nicht ohne politische Intervention entfalten", schreiben die Forscher. Ohne politische Vorgaben, wie Mobilität künftig aussehen soll, könnten selbstfahrende Autos sonst zu einer weiteren Zunahme privater Pkw führen – ein Problem vor allem in Städten, wo bereits jetzt Busse, Bahnen, Radfahrer und Fußgänger mit dem Auto um den knappen Platz konkurrieren.
Sinnvoll gesteuert sehen die Forscher dagegen die Möglichkeit, die Zahl der Autos pro 1000 Einwohner von derzeit 500 in städtischen Ballungsgebieten und 700 in ländlichen Räumen auf 150 beziehungsweise 350 zu reduzieren – erreichbar ab 2025. Auch Lüddemann fordert deshalb: "Es braucht eine gesetzliche Steuerung." (bme)