Mastodon statt Twitter: Was Sie beim Wechsel beachten müssen
Mastodon unterscheidet sich von Twitter bei technischer Infrastruktur, Funktionen und Umgangsformen. Wir geben Ihnen wichtige Tipps zum Umstieg.
Twitter ist kaputt. Für viele war es das schon, bevor Elon Musk das Ruder übernahm: Viel zu viel Hass, Fake, Werbung. Es fühlt sich so an, als wollen viele Twitterer einfach nur recht haben, andere Meinungen stören sie nur.
Stoßen zwei Twitterer mit unterschiedlichen Ansichten aufeinander, so entsteht selten ein Dialog, aus dem beide etwas lernen können. Stattdessen schreien sie sich an oder beleidigen sich. Und jetzt richtet Elon Musk in Rekordzeit das Unternehmen, sein Geschäftsmodell und seine technische Infrastruktur zugrunde. Zeit also für einen Umstieg.
Unter Twitter-Emigranten ist derzeit Mastodon die Plattform der Wahl.
- Derzeit eröffnen viele Twitter-Nutzer einen Mastodon-Account.
- Obwohl es sich bei Mastodon wie bei Twitter um einen Kurznachrichtendienst handelt, gibt es zwischen beiden Diensten technisch und kulturell viele Unterschiede.
- Vor dem Wechsel ist es ratsam, eine Mastodon-Instanz mit gleichgesinnten Nutzern auszuwählen.
Megacity vs. Kleinstadt
Twitter ist Megalopolis, eine Riesenmetropole für Hunderte Millionen Einwohner. Betreiber dieser Riesenstadt ist ein gewinnorientiertes Unternehmen. Das legt die Regeln fest, setzt sie durch und sorgt für den reibungslosen Betrieb. Nutzer bezahlen bei Twitter nichts. Gewinne erwirtschaftet der Dienst, indem er Werbeplätze in den Timelines seiner Nutzer verkauft. Die Werbung versucht Twitter möglichst zielgerichtet auf deren Interessen zuzuschneiden (Targeting). Dazu greift der Dienst auf alle Informationen zu, die er über sie erhalten kann: Alter, Geschlecht, Standort, Interessen, Konversationen und Interaktionen mit anderen Inhalten. Twitter wertet also die Daten seiner Nutzer aus und verkauft ihre Aufmerksamkeit. Anders gesagt: Jeder, der Twitter nutzt, ist das Produkt. Sieht man es einmal so, drängt sich statt der Megastadt ein anderes Bild auf – das der Legebatterie.
Mastodon ist gewissermaßen als Gegenmodell zu den großen zentralen Plattformen wie Twitter entstanden. Es lässt sich als eine Landschaft voller Kleinstädte sehen: Es gibt Tausende dieser Städte – die sogenannten Mastodon-Server oder -Instanzen – mit jeweils einer Handvoll bis zu ein paar Tausend Einwohnern.
Jede dieser Instanzen wird von einem eigenen Betreiber unterhalten. Der Mastodon-Quellcode ist als Open Source verfügbar. Jeder, der mag, kann eine eigene Instanz aufsetzen. Viele dieser Server werden von Vereinen oder Privatpersonen in ihrer Freizeit betrieben. Wie bei Twitter legt der Betreiber für seine Instanz die Regeln fest und kümmert sich um die reibungslose Funktion. Es gibt kein Geschäftsmodell, keine Datenerhebung und kein Targeting. Um den Betrieb sicherzustellen, sind einige Instanzen daher auf Spenden angewiesen oder erheben einen kleinen Mitgliedsbeitrag.
Standortvorteile
Die verschiedenen Mastodon-Instanzen bilden ein dezentrales Netzwerk. Genauer gesagt sind sie Teil eines noch größeren Netzwerks, dem Fediverse. Hier soll es aber nur um Mastodon gehen, weil sehr viele Twitterer dorthin umziehen. Alle Instanzen kooperieren miteinander. Als Nutzer können Sie also grundsätzlich Nutzer auf anderen Instanzen ansprechen oder ihre Inhalte abonnieren.
In einigen Details können sich die Instanzen aber unterscheiden, beispielsweise bei den Moderationsregeln. Bei vielen Instanzen zum Beispiel kann sich jeder anmelden, dagegen akzeptiert der Server social.bund.de nur Anmeldungen für Accounts von Bundesbehörden. Zu den Moderationsmöglichkeiten jedes Instanzadministrators gehört auch, einzelne Benutzer seiner eigenen oder einer anderen Instanz blockieren zu können. Er kann auch eine Instanz als Ganzes blockieren, beispielsweise wenn sie schlecht moderiert wird und Trolling ermöglicht.
Für die Kommunikation mit Konten, die auf der gleichen Instanz beheimatet sind, genügt ein @-Zeichen, gefolgt vom Kontonamen. Bei Nutzern einer anderen Instanz müssen Sie die Adresse der Instanz dranhängen, etwa @beispieluser@mastodon.radio. Auch wenn Sie nachsehen möchten, wem ein bestimmter Nutzer folgt oder wer einem bestimmten Nutzer folgt, ist das umständlicher, wenn dieser auf einer anderen Instanz beheimatet ist.
Standardmäßig zeigt Mastodon die persönliche Timeline an, also die Beiträge derjenigen Nutzer, denen Sie folgen. Die Nachbarschaft auf der Heim-Instanz kann aber auch als Nachrichtenaggregator für Sie fungieren – so ähnlich wie der algorithmische Feed bei Twitter, aber transparenter. So können Sie sich die "Lokale Timeline" mit allen Posts aller Nutzer der eigenen Instanz anzeigen lassen. Unter "Entdecken" finden Sie zudem Beiträge aus dem gesamten Mastodon-Netzwerk, die auf dem eigenen Server aktuell an Reichweite gewinnen.