Praxistest: Raspberry Pi 4 optimal kühlen

Unter Volllast gerät der Raspi schnell ins Schwitzen. Wir zeigen, was gegen kritische Hitze hilft und testen in diesem Zusammenhang das Argon One Gehäuse.

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Praxistest: Raspberry Pi 4 optimal kühlen

(Bild: Michael Plura)

Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Michael Plura
Inhaltsverzeichnis

Anlässlich des 10. Geburtstags des Raspberry Pi haben wir zeitlos spannende Artikel rund um den Bastelcomputer aus unserem Fundus geholt.

Wer mit einem Raspberry Pi in die Welt des Internet der Dinge (IoT) eintauchen und mit Sensoren, Aktoren und einem Webserver experimentieren will, kann als preiswerte Plattform einen alten Raspberry Pi oder Pi Zero nehmen. Bei etwas mehr Leistungsbedarf tut es auch ein Raspberry Pi 2B+. Um die Kühlung muss man sich bei den älteren Einplatinenrechnern meist keine Gedanken machen. Sie erhitzen sich nur in synthetischen, wenig praxisnahen Stresstests über die Maßen.

10 Jahre Raspi: Projekte und Hintergrund

Beim Raspberry Pi 4 verhält es sich, je nach Anwendungsszenario, jedoch anders. Fungiert er etwa als Mining-Maschinchen, steigt die Temperatur des Bastelrechners stellenweise bedenklich. Gerade mit diversen eingesteckten USB-Geräten und hohem Datenverkehr im Netzwerk, etwa wenn man des Raspi als NAS betreibt, heizen sich die Power Management Unit (PMU, nahe an der MicroUSB-Stromversorgung) und der Kommunikations-Chip (neben den mittleren USB-Buchsen) stark auf. Eine Bildersuche im Internet nach "raspberry thermal" listet entsprechende Bilder von Wärmebildkameras, die die "Hotspots" der einzelnen Raspi-Modelle zeigen.

Das SoC eines Raspi 4 ist wegen des spiegelnden Blechdeckels im Wärmebild dunkel, wird unter Last aber über 85 °C heiß.

Damit der Raspi bei sämtlichen Anforderungen einen kühlen Kopf bewahrt, muss eine entsprechende Kühlung her. Wir haben uns für diesen Artikel mit dem Flirc-Gehäuse und dem Ice-Tower-Kühler zwei beliebte Kühlsysteme angeschaut und erklären, wie diese Hitze vom Raspi fernhalten. Beim Argon-One-Gehäuse, das Kühltechniken von Flirc und Ice-Tower vereint, gehen wir einen Schritt weiter: Wir verfrachten unseren Test-Raspi der vierten Generation in ein Argon-One-Gehäuse, malträtieren die Kombi mit rechenintensivem CPU-Mining sowie 7-Zip-Benchmarks und messen die Temperaturen. Zur Einordnung: Ein CPU-Miner erzeugt deutlich mehr Last als etwa der gerne benutzte compilerabhängige sysbench. Während ein Miner das Maximum an Last darstellt, kann man mit dem Packer 7-Zip eine Last erzeugen, die der Volllast im normalen Betrieb ähnelt (mehrfaches "7zr b").

Die elektrische Energie, die ein Raspberry Pi bei seiner Arbeit in Wärmeenergie umwandelt, ist ein gutes Indiz für die notwendige Kühlung. Den Stromverbrauch zu messen ist eigentlich einfach – wobei preiswerte 230V-Strommessstecker meistens nicht im einstelligen Watt-Bereich funktionieren. Ein USB-Zwischenstecker, an dem zwei Multimeter Spannung und Strom abgreifen, arbeitet genauer: Die Messergebnisse hängen aber auch immer von der Raspbian-Konfiguration und dem damit einhergehenden Stand der Firmware auf dem Raspi ab.

Ein Blog-Post im offiziellen Raspberry Pi-Forum verdeutlicht das: Die ersten ausgelieferten Raspi 4 benötigten im Idle-Modus satte 2,9 Watt, unter Volllast sogar 7,3 Watt. Zum Vergleich: Ein Raspi A+ begnügt sich im Leerlauf mit 0,7 Watt. Das erste Update der Firmware beim Raspi 4 brachte Verbesserungen beim Power-Management des USB-Controllers und Einsparungen von 0,3 Watt bei Idle und unter Last.

Das nächste Update galt dem Speicher-Controller für den LDDR4-Speicher, das zusätzlich 0,15-0,2 Watt einspart. Beim dritten Update wurde das Takt-Management des SoC verfeinert. Der Raspi taktet damit, wenn möglich, schneller herunter, was nochmal ein gutes Zehntel Watt einspart. Das letzte Update vor Fertigstellung des Artikels senkte die Spannung des SoC und optimiert einige HDMI-Parameter, was zusätzlich 0,25 Watt unter Idle und unter Last einspart. Insgesamt brachten Verbesserungen der Firmware eine Ersparnis von 0,8 Watt im Idle-Modus und fast 0,9 Watt unter Last. Das hört sich nach wenig an, ist bei dem geradezu niedlichen Energiebedarf von 2,1 und 6,4 Watt (Idle/Last) aber beachtlich.

Raspi 4 vs. Herdplatte
Praxistest: Raspberry Pi 4 optimal kühlen

Wer wird heißer? Eine Herdplatte oder der Raspi unter Volllast?

(Bild: Martin Reche)

Der Raspi 4 zieht unter Volllast etwas über 6 Watt. Umgesetzt in Wärme, mag sich beim Blick auf eine 2000-Watt-Herdplatte in der Küche nach nichts anhören. Vergleicht man aber die elektrische Herdplatte (20 cm Durchmesser, 2000W) mit dem Raspberry Pi 4 (etwas über 1×1 cm, 6,4W) und rechnet die abgegebene Wärme pro Quadratzentimeter aus, ist die Herdplatte [2000W/(π × r²)] mit rund 1.6 W/cm² weniger als halb so heiß wie ein unter Volldampf laufender Raspberry Pi 4 [6,4W/(1,4×1,4cm)] und seinen 3,27 W/cm². Der Vergleich ist nicht ganz korrekt, weil der SoC natürlich nicht für den gesamten Energiebedarf verantwortlich ist – aber selbst wenn man für den SoC nur die Hälfte der Energie annimmt, schlägt der Raspberry Pi den Herd noch immer.

Läuft der Raspi als IoT-Gerät, als (Web-)Server oder sogar als Desktop, auf dem man beispielsweise programmiert, kompiliert und nebenbei ein Youtube-Video in maximal 720p abspielt, erreicht der SoC auch ohne Kühlkörper mit der aktuellen Firmware kaum mehr als 60°C – nicht gut, aber auch noch nicht übermäßig schädlich für die Komponenten. Dramatisch schlechter wird es aber, wenn der Raspi in einem geschlossenen Plastikgehäuse weilt, das wärmetechnisch näher an einer Thermoskanne denn an einer Kühllösung liegt. Selbst das originale Gehäuse der Raspberry Pi Foundation ist allenfalls ein ingenieurtechnisches Meisterwerk der Wärmedämmung und sorgt selbst im Leerlauf des Raspberry Pi für hohe Temperaturen.