Wie Amazon mit fremdem Eigentum umgeht

Wer aufgrund eines Irrtums etwas erhält, was nicht für ihn bestimmt ist, muss es zurückgeben. Doch den Internetriesen Amazon scheint das nicht zu interessieren.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Tim Gerber
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Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 5.5.2023 in c't 11/2023 erschienen ist.

Ende November bestellte Christian H. verschiedene Dinge im Onlinehandel. Bei einem Outdoorhändler orderte er drei Winterbekleidungsstücke im Wert von insgesamt 365 Euro. Bei Amazon bestellte er ein elektrisches Fußbad für knapp 80 Euro. Nachdem beide Sendungen bei ihm angekommen waren, wollte Christian H. sie jedoch zurückgeben. Er widerrief also Anfang Dezember seine Kaufverträge bei beiden Händlern und erhielt von beiden einen QR-Code fürs Smartphone, mit dessen Hilfe man im Shop des jeweiligen Paketdienstleisters das Versandetikett ausdrucken und aufs Paket kleben lassen kann. Für die Amazon-Retoure musste er zu DHL, mit dem Päckchen an den Outdoorhändler zu Hermes. Weil an seinem Wohnort die Filialen der beiden Logistiker weit voneinander entfernt liegen, wollte er die beiden Päckchen an verschiedenen Tagen jeweils auf dem Weg zur Arbeit abgeben.

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Am 14. Dezember wollte er das Päckchen mitnehmen, das mit Hermes zu Amazon zurückgehen sollte. Versehentlich erwischte er jedoch das andere Päckchen, das eigentlich per DHL an den Outdoorhändler hätte geschickt werden müssen. Seinen Irrtum bemerkte er erst am nächsten Tag und versuchte sofort, es von Hermes zurückzubekommen. Aus der Filiale war es inzwischen aber schon abgeholt worden.

Deshalb nahm er per Kunden-Chat Kontakt mit Amazon auf. Nachdem er der Mitarbeiterin die Sendungsnummer genannt hatte, fragte diese, ob er das Fußbad zurückgeschickt hätte, welches laut System in der Sendung sein sollte. Christian H. versuchte darauf, seinen Irrtum zu erklären und wurde nunmehr aufgefordert, detaillierte Angaben zum tatsächlichen Inhalt des Päckchens zu machen, welches zu Amazon fehlgeleitet wurde. Das tat der Kunde nach bestem Wissen und nach einigem Hin und Her hieß es vonseiten der Amazon-Mitarbeiterin: "Ich habe die Rücksendeabteilung informiert, dass die zurückgesendeten Artikel falsch sind. Ich bitte Sie Hermes zu kontaktieren und ihn bitten, den Transport zu stoppen."

Christian H. wies noch darauf hin, dass die Hotline des Logistikers erst am folgenden Tag ab 8 Uhr wieder erreichbar sei, er es deshalb gleich am folgenden Morgen dort versuchen wolle. Er wollte noch wissen, ob Amazon den Karton genau so wieder zu ihm zurückschicken könne, falls er inzwischen zugestellt werden sollte. "Wenn der Artikel unsere Rückgabeabteilung erreicht, wird die Abteilung das Paket überprüfen und Sie kontaktieren", hieß es dazu.

Gleich am nächsten Morgen kontaktierte Christian H. die Hotline von Hermes, um die Rücksendung zu veranlassen, wie von Amazon gefordert. Doch vom Logistiker erfuhr der Kunde nur, dass allein der Auftraggeber der Sendung den Weitertransport stoppen und die Rückgabe veranlassen könne. Das wäre hier also Amazon, dessen QR-Code Christian H. bei Hermes versehentlich verwendet hatte.

Nachdem er das in Erfahrung gebracht hatte, kontaktierte Christian H. erneut Amazon. Per Chat konnte er einer Mitarbeiterin das Ergebnis seines Anrufs bei Hermes schildern: "Also Hermes möchte nun schriftlich von Amazon mitgeteilt bekommen, dass das Paket mit dieser Sendungsnummer umgehend an Sie retourniert wird?", fragte der Kundendienst zurück. Von schriftlich sei nicht die Rede gewesen, aber Amazon könne den Versand stoppen und dann würde er das Päckchen zurückbekommen. Am besten mache man das wohl telefonisch, meinte Christian H.

Service im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

Außerdem bat er die Mitarbeiterin noch um einen neuen Versandcode für die eigentliche Retoure des Fußbades an Amazon. Die Mitarbeiterin schrieb ihm währenddessen, sie habe nebenbei telefonisch Hermes kontaktiert, man könne von dort aber nicht mehr eingreifen. Als Empfänger habe man ohnehin keinen Einfluss. Christian B. wies noch darauf hin, dass man ihm gestern Abend per Chat noch etwas anderes geschrieben habe und Amazon der Auftraggeber sei. Dann wurde der Chat wegen "technischer Probleme" unterbrochen und kurz darauf von einem weiteren Amazon-Mitarbeiter wieder aufgenommen. Dem durfte Christian H. sein Anliegen erneut schildern, das fehlgeleitete Päckchen doch schnellstmöglich zu ihm zurückgehen zu lassen.

Leider sei die Sendung bereits in der Zielregion eingetroffen, sodass die Zustellung an Amazon nicht mehr verhindert werden könne, hieß es nun von dem dritten Bearbeiter. Er erstellte ein Ticket fürs Lager. "Normal sollte in dem Moment, wo das Paket eingescannt wird, eine Warnung auftauchen, und die Kollegen schicken dann die Ware an Sie zurück", versicherte ihm der Servicemitarbeiter. Seiner persönlichen Erfahrung nach funktioniere das ganz gut. Er werde sich bei ihm melden, sobald das Päckchen auf dem Weg zu ihm zurück sei, versprach der freundliche Mann.

Geduldig wartete der Kunde in den nächsten Tagen auf die versprochene Rückmeldung von Amazon. Doch nichts geschah. Am Abend des 20. Dezember wandte er sich erneut per Chat an Amazon. Sein Päckchen sollte laut Sendungsverfolgung bereits zwei Tage zuvor im Lager angekommen sein. Der vierte Chatmitarbeiter konnte den bisherigen Verlauf nicht nachvollziehen. Er sah nur, dass die eigentliche Retoure mit dem Fußbad inzwischen angekommen war und der Kunde den Kaufpreis bereits erstattet bekommen hatte. Nachdem geklärt war, worum es eigentlich ging, hieß es nur, der Kunde möge sich noch zwei bis drei Tage gedulden, dann werde sein Paket zurückkommen.

Doch auch diese Zeit verstrich fruchtlos und auf seine erneute Rückfrage erhielt Christian H. von Amazon die Auskunft, man habe das Logistikzentrum informiert, damit seine Sendung gefunden werden könne. Er möge sich doch weitere sieben bis acht Tage gedulden. Aber Amazon meldete sich nicht und wenn er per Chat oder Telefon Kontakt aufnahm, hieß es gebetsmühlenartig, das Lager sei informiert, er solle sich noch gedulden.

Bis Ende Januar geschah gar nichts. Am 29. Januar schrieb Christian H. eine längere E-Mail an impressum@amazon.de, wozu man ihm im Zuge seiner unzähligen Telefonate mit der Kundenhotline geraten hatte. Geduldig schilderte der Kunde zum x-ten Male sein Anliegen und bat inständig, ihn wegen der Rückgabe seiner Sachen zu kontaktieren. Doch auch das war vergeblich, eine Reaktion seitens Amazon gab es nicht. Knapp zwei Wochen später, am 12. Februar, hakte er nochmal per E-Mail nach. Aber auch das war für die Katz.

Den Verlust von knapp 400 Euro wollte Christian H. nicht ohne Weiteres wegstecken und wandte sich am 5. März letztlich an die c’t-Redaktion. Auch wenn der Kunde einen Fehler gemacht hatte, erschien uns das Verhalten Amazons kritikwürdig. Schließlich muss jeder, der aufgrund eines Irrtums in den Besitz fremden Eigentums gelangt ist, dieses wieder zurückgeben.

Wir fragten deshalb am 13. April bei Amazon nach und erkundigten uns, was Kunden in solchen Fällen unternehmen müssen, um ihr Eigentum zurückzuerhalten. Außerdem wollten wir wissen, ob der Konzern den Schaden ersetzen wird, der Christian H. dadurch entstanden ist, dass man ihm sein Eigentum nicht rechtzeitig zurückgegeben hat.

Am 19. April teilte eine Amazon-Sprecherin lediglich mit, dass man mit dem Kunden in Kontakt stehe und eine "kundenfreundliche Lösung" gefunden habe. Christian H. hatte uns bereits am 14. April über einen an diesem Tag erfolgten Anruf seitens Amazon informiert. Der Anrufer habe ihm "aus Kulanz" einen Amazon-Gutschein im Wert der verlorenen Ware angeboten. Auf die Frage, wie es überhaupt zu dem Verlust der fehlgeleiteten Sendung und dem monatelangen Schweigen kommen konnte, antwortete ihm der Anrufer, es werde noch intern aufgearbeitet, an welchen Stellen es hier Schwierigkeiten gab.

Dass der Onlineriese ein ernsthaftes Interesse an der Aufarbeitung hat, darf man getrost bezweifeln. Auf seiner Webseite heißt es zu etwaigen Irrläufern lapidar: "Amazon kann nicht garantieren, dass dein Artikel gefunden und zurückgesendet wird. Für falsche Artikel, die an Amazon gesendet wurden, wird keine Erstattung gewährt." Das sollte man wissen, bevor man dort etwas bestellt.

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