BGH: Auf die Schwere des Mangels kommt es an

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung klar gestellt, wann ein Mangel zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt und wann er als unerheblich zu gelten hat.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Dieses Paar wollte es sich in seinem Urlaub so richtig gut gehen lassen: 134.437 Euro kostete sie das neue Wohnmobil, dass sie Mitte 2006 von einem Händler erwarben. Doch die Freude hielt nicht lange an: innerhalb eines Jahres musste das Fahrzeug insgesamt vier Mal in die Werkstatt, weil Mängel festgestellt und ausgebessert werden mussten. Nach dem letzten Werkstattaufenthalt und einem neuen Mangel erklärten die Käufer im Juni 2007 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Sie verklagten den Verkäufer – unter Anrechnung der Nutzungsvorteile – auf Zahlung von 127.715,15 Euro nebst Zinsen und die Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Das Gericht sollte außerdem den sogenannten Annahmeverzug feststellen und der Beklagte deshalb das Fahrzeug zurücknehmen.

Tatsächlich sahen die ersten Instanzen die Käufer im Recht. So hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben und auch die Berufung wurde vom Oberlandesgericht weitgehend zurückgewiesen. So bestätigte das OG die Auffassung, dass im Hinblick auf den bereits viermaligen Werkstattaufenthalt ein erheblicher Mangel vorliege – auch wenn die Kosten zur Beseitigung der noch vorliegenden Mängel lediglich knapp ein Prozent des Kaufpreises betragen würden.

Oder anders ausgedrückt: Die Richter zeigten Verständnis dafür, dass den Käufern das Vertrauen in das erworbene Produkt nach einer solchen Pannenserie abhanden gekommen war. Der Verkäufer hatte allerdings kein Einsehen und legte erneut Revision ein. Nach den bisherigen Erfolgen dürfte es die Käufer dann auch ziemlich irritiert haben, dass sie mit ihrem Ansinnen vor dem Bundesgerichtshof gescheitert sind. Für Juristen ist das Urteil hingegen nicht überraschend, denn der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs blieb damit seiner bisherigen Rechtsprechung treu.

Demnach sind Sachmängel, deren Beseitigung Aufwendungen von lediglich knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen. Sie rechtfertigen einen Rücktritt vom Kaufvertrag daher nicht.

Auf das gesamte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung komme es nur dann entscheidend an, wenn der Mangel gar nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar sei oder die Mangelursache zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist. All diese Voraussetzungen lagen in diesem Fall aber nicht vor.

Wie das Gericht weiter erklärte, sei es ferner auch unerheblich, ob der Kaufgegenstand vor der Rücktrittserklärung bereits mehrfach nachgebessert wurde. Die Erheblichkeit eines bestehenden Mangels habe nichts damit zu tun, in welchem Umfang der Verkäufer zuvor andere Mängel beseitigt hat (Urteil vom 29. Juni 2011, Az.: VIII ZR 202/10). (Marzena Sicking) / (map)
(masi)