Nacherfüllung: Der zumutbare Aufwand für Händler hat Grenzen

Der Bundesgerichtshof musste entscheiden, an welchem Ort der Verkäufer eine Nacherfüllung vornehmen muss. Oder anderes gefragt: muss die defekte Ware zum Händler oder der Händler zur Ware?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Guter Service wird nicht immer belohnt. Diese Erfahrung musste ein Händler aus Polch machen. Er wurde von einem Paar verklagt, das bei ihm einen Camping-Faltanhänger gekauft hatte. Die Kunden lebten in Frankreich. Obwohl der Händler die Ware üblicherweise nicht ausliefert und es auch in der Auftragsbestätigung hieß: "Lieferung: ab Polch, Selbstabholer", kam er ihrem Wunsch nach und brachte die Ware zu ihnen.

Nachdem das Pärchen den Anhänger in einem Urlaub genutzt hatte, machte es verschiedene Mängel geltend und forderte den Händler unter Fristsetzung auf, das Teil abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Der Händler, der dem Kunden die Ware ja schon geliefert hatte, obwohl er dies nicht hätte tun müssen, weigerte sich, den Anhänger jetzt auch noch abzuholen. Es sei nun an den Kunden, ihm das Produkt zu bringen.

Nachdem bis Fristablauf also aus ihrer Sicht nichts geschehen war, erklärten die Kunden den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagten auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen und Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Das zuständige Landgericht stimmte im Wesentlichen zu, bei der Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage allerdings abgewiesen und auch der Bundesgerichtshof stellte sich jetzt auf die Seite des Händlers (Urteil vom 13. April 2011, Az.: VIII ZR 220/10).

So hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass sich der Ort, an dem der Verkäufer die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, gemäß § 269 Abs. 1 BGB nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls richtet, wenn – wie hier – keine anderen Vereinbarungen getroffen worden sind. Zu diesen Umständen gehören die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung sowie das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringt. Letzteres folgt aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach deren Art. 3 Abs. 3 die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss.

Nun erachteten die Richter den Transport des Anhängers nach Polch bzw. eine entsprechende Organisation als durchaus zumutbar für die Kläger. Da es zur Beseitigung der Mängel geschulte Mitarbeiter und Werkstatt-Technik bedurfte, hätte der Händler die Nacherfüllung auch gar nicht beim Kunden vor Ort leisten können. Die Kläger wären daher gehalten gewesen, den Anhänger zur Durchführung der Nacherfüllung zum Händler zu verbringen. Solange dies nicht geschehen sei, bestehe auch kein Recht der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)