Familienunternehmen liegen im Trend

Großkonzerne sind out, Familienbetriebe "in": Sowohl beim Bürger im Allgemeinen, als auch bei potentiellen Bewerbern sind die früher als klein und unflexibel abgestempelten Firmen wieder groß im Kommen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Den Bankern traut keiner mehr, den Politikern auch nicht und auch der Unternehmer an sich wird eigentlich misstrauisch beäugt. Als vertrauenswürdig wird vom Bundesbürger nur das Familienunternehmen erachtet. Hier wollen auch die Uni-Absolventen am liebsten durchstarten, Großkonzerne als Arbeitgeber sind hingegen total "out". Das ist jedenfalls das Fazit von zwei Umfragen, die unabhängig von einander von der ARAG Versicherungsgruppe (in Zusammenarbeit mit TNS Emnid) und der Unternehmensberatung Kienbaum durchgeführt wurden.

So wird nach der Wirtschaftskrise laut dem "ARAG Vertrauensmonitor" (PDF) die Glaubwürdigkeit von Aussagen der Unternehmen allgemein mit 21,1 Prozent eher gering eingeschätzt. Vor allem internationale Konzerne schneiden mit 15,3 Prozent besonders schlecht ab – mehr Teilnehmer wollten den Aussagen dieser Firmen nicht glauben. Überraschend hoch hingegen der positive Wert in Bezug auf Familienunternehmen: Diese bildeten in Bezug auf die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen die einzige Ausnahme in der Befragung und hatten mit einem Wert von 54,9 Prozent unter den Befragten die meisten Anhänger. Bei der "allgemeinen Vertrauenswürdigkeit" kommen die Familienunternehmen auf 8,8 Prozent. Das ist zwar nicht besonders viel, aber in der Wirtschaft trotzdem noch der beste Wert: Großkonzerne beispielsweise liegen mit 0,5 Prozent Vertrauenswürdigkeit in der Bevölkerung ganz am Ende der Skala.

Passend dazu bestätigt eine Umfrage der Kienbaum Consultants: Familienunternehmen werden von Studenten neuerdings als deutlich attraktivere Arbeitgeber als Großkonzerne eingestuft. So schätzen 60 Prozent der Studierenden die Vorteile eines Familienunternehmens und möchten nach ihrem Studium lieber in so einem Betrieb als in einem Großkonzern arbeiten. Waren internationale Firmen früher der Garant für eine schnelle Karriere und viele Entwicklungsmöglichkeiten, sind es heute die flacheren Hierarchien und größeren Gestaltungsspielräume, die künftige Arbeitnehmer in den Familienbetrieb locken. Und man besinnt sich offenbar auch wieder auf Grundsätzliches: Mehr Menschlichkeit und eine bessere Work-Life Balance schreiben die Befragten ebenfalls den Familienunternehmen zu.

Eine vermeintlich bessere Bezahlung, ein höherer Grad an Internationalität und bessere Karrierechancen sehen die meisten noch immer bei Großkonzernen. Aber zum einen hat sich offenbar ein Wertewandel vollzogen, denn diese Punkte sind nicht mehr entscheidend, beispielsweise finden 72 Prozent ein kollegiales Umfeld wichtiger. Zum anderen verbinden die Studenten Großkonzerne auch mit vielen negativen Aspekten wie Konzerndruck, Anonymität und geringe Entfaltungsmöglichkeiten.

Familienunternehmen werden diesen Anforderungen gerecht: Sie bieten eine familiäre Atmosphäre und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Sie mögen vielleicht konservativer und langsamer sein, als Großkonzerne, aber eben auch menschlicher – glauben jedenfalls die Studenten. Da man davon ausgehen kann, dass die meisten Befragten beider Studien kaum oder gar keine Erfahrungen bzw. Vergleichsmöglichkeiten zwischen Familienbetrieben und Großkonzernen haben, lässt sich vor allem eines aus den Ergebnissen lesen: Der ewige Kampf um Geld und Karriere gilt der Mehrheit nicht mehr als erstrebenswert – jedenfalls nicht mehr um jeden Preis – wichtiger sind die sozialen Werte und ein ausgeglichenes Leben. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)