Gutes vom Schwager

Seite 3: Ernüchterung

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Ernüchterung

Die solchermaßen angepriesenen Boxen erbrachten bei der eBay-Auktion knapp 500 Euro. Der Käufer sah seine Erwartung eines ganz besonders erlesenen Klangbildes nach der Ankunft, dem eiligen Aufstellen und Anschließen der "Raumklangwunder" jedoch schwer enttäuscht. Die Ursache für den tatsächlich ziemlich miesen Sound war nach der Demontage einer stoffbespannten Frontwand schnell gefunden: Wohl in der Absicht, der "teuflischen Bass-Hand" zu noch mehr Schlagkraft zu verhelfen, hatte ein Vorbesitzer offenbar die Boxen mit größeren Basslautsprechern bestückt. Hierzu hatte er die Lautsprechereinbauöffnungen mit einer Säge, aber dafür nur wenig Sachverstand und noch weniger handwerklichem Geschick vergrößert.

Dies war derart schlecht gelungen, dass die Lautsprecher nicht mehr richtig im Gehäuse befestigt werden konnten, demzufolge mehr oder weniger freischwebend pulsierten und entsprechende Schnarrgeräusche erzeugten. Von einem "geschlossenen Gehäuse" konnte schon überhaupt keine Rede mehr sein. Zusätzlich war einer der Basslautsprecher selbst auch noch beschädigt.

Der Käufer fühlte sich hinters Licht geführt. Er wollte sein Geld zurück. Der Verkäufer berief sich auf seinen Gewährleistungsausschluss. Da man sich nicht einigen konnte, landete die Sache vor Gericht. Dort konnte er nicht beweisen, dass der Verkäufer von den dilettantisch vorgenommenen Umbauarbeiten gewusst habe. Anderenfalls hätte dies als arglistiges Verschweigen gegolten, und der Gewährleistungsausschluss wäre wirkungslos gewesen [3]. Dennoch hatte der Käufer letztlich Erfolg. Das Gericht stützte den geltend gemachten Anspruch, den Kaufvertrag rückabzuwickeln, allerdings auf eine Rechtsfigur, von der man im gegebenen Zusammenhang nur selten hört: Es geht um das "Verschulden bei Vertragsschluss".

Danach entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Geschäftspartnern nicht erst mit Vertragsschluss, sondern bereits mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, bei der Anbahnung eines Vertrags oder ähnlichen geschäftlichen Kontakten [4]. Ein derartiges vorvertragliches Schuldverhältnis, welches beide Teile bereits zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet, entsteht beim Kauf über eBay schon damit, dass der Interessent sich mit einem dort aufgelisteten Kaufangebot befasst, allerspätestens aber mit der Abgabe eines Gebots.

Ein Geschäftspartner kann seine Rücksichtnahmepflichten im Vorfeld eines etwaigen Vertragsschlusses etwa dadurch verletzen, dass er ein Produkt völlig überzogen und irreführend anpreist. Wenn das der Fall ist, kann der andere den Ersatz des Schadens verlangen, der ihm daraus entstanden ist [5]. Für einen solchen Schadenersatzanspruch ist ein Verschulden des Schadenverursachers erforderlich [6]. Dieses muss ihm der Geschädigte allerdings nicht nachweisen, sondern es wird von Gesetzes wegen vermutet [7]. Das bedeutet: Um sich zu entlasten, müsste der Schadenverursacher nachweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Das Amtsgericht Burgdorf schrieb dem Verkäufer ins Stammbuch, er habe seine Pflichten gegenüber dem Käufer verletzt, indem er in der Artikelbeschreibung angab, er verkaufe die Lautsprecherboxen aus erster Hand in technisch tadellosem Zustand, obwohl er tatsächlich gar nicht genau darüber Bescheid wusste. Die detailreiche Beschreibung, die er geliefert habe, musste in dem Käufer die Vorstellung erwecken, es handle sich um mit Originallautsprechern bestückte Boxen ohne jegliche bauliche Veränderung. Die fantasievolle, aber in puncto Tatsachen leider nicht sehr belastbare Hintergrundgeschichte habe bei dem Käufer die Vorstellung geweckt, er würde gewissermaßen so gut wie vom Erstbesitzer kaufen, der natürlich über alle wesentlichen Eigenschaften des Kaufgegenstands Bescheid weiß.