"Ich musste eingreifen und Devil retten"

Von Bescheidenheit keine Spur. Devil-Aufsichtsrat Karsten Hartmann peilt abermals eine wichtige Rolle in der Distribution an. Mit Hilfe der COS. Die lahmt zwar, aber Vorstandschef Dirk Rahn baut auf Flexibilität und Produkttiefe. Zuerst muss er jedoch das Vertrauen beim Handel und den Kreditversicherern zurückgewinnen - dann wolle man gemeinsam zuschlagen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis
COS-Devil-Logo-Collage

(Bild: COS/Devil)

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert, in Linden, in der Nikolaus-Otto-Straße 11. Haupt- und Nebengebäude, Parkplatz – es scheint alles beim Alten geblieben zu sein. Bei genauerem Hinsehen fallen aber tiefgreifende Veränderungen am Hauptsitz der COS AG auf. Der COS Shop, also das Abhol-Center für Händler, ist geschlossen. Das Logistikzentrum des Distributors, ausgestorben, die Mitarbeiter gekündigt. Im mehrstöckigen Hauptgebäude kein Leben hinter den vielen Fenstern, verlassene Flure und Großraumbüros.

Einzig die zweite Etage. Dort pulsiert das Leben. Von dort aus wird der Distributor gesteuert, der zu seinen besten Zeiten mehr als 400 Millionen Euro umsetzte. Aber das ist schon lange Makulatur. Jetzt arbeiten hier nur noch 83 Mitarbeiter von ehemals mehr als 180 Beschäftigten der früheren COS Distribution GmbH. Und die Übriggebliebenen sind mit dem Wiederaufbau des Grossisten beschäftigt. Mittenmang Dirk Rahn. 46 Jahre alt, viel Vertriebserfahrung und hoch motiviert, wie er im Gespräch mit heise resale versichert.

Dirk Rahn, Geschäftsführer, COS

(Bild: COS)

Rahn folgte Anfang September Michael Krings, der sein Amt als Geschäftsführer im August abgegeben hat. Mitten in der schlimmsten Phase der COS. Das Unternehmen befand sich bereits in der Insolvenz. Die Zukunft des Unternehmens hing an einem seidenen Faden. Wenig später meldete auch die COS-Muttergesellschaft, die Beteiligungsgesellschaft Tiscon Insolvenz an. Sie gehörte zwischenzeitlich dem äußerst suspekt auftretenden Investor Greengold aus Berlin und dessen Muttergesellschaft KSK-Association, einem Sanierer aus Russland. Doch die neuen Heilsbringer mit Taschen voller Geld machten in ihrer stümperhaften Art das Chaos komplett. Sie ließen keinen Stein auf dem anderen. Mit den neuen Besitzverhältnissen der Tiscon trat Krings am 20. Juli von seinem Vorstandsposten zurück.

Demotivierte Mitarbeiter, desolater Zustand des Unternehmens und Kunden, die in Strömen abwanderten. Dazu schwindendes Vertrauen bei Lieferanten und Kreditversicherern. Wer in einem solchen Moment das Ruder in die Hand nimmt, muss eigentlich ein wenig wahnsinnig sein. Vorstandschef Dirk Rahn begründet seinen Einstieg nüchterner: "Ich bin Optimist. Schließlich habe ich das Positive der Insolvenz übernommen. Entweder es klappt, oder es klappt nicht." Wichtig sei jetzt die Aufbauarbeit, "die wir leisten müssen". Mit "wir" spricht er vor allem das verbliebene Team an – "das sich bewusst für die COS entschieden hat" –, das er mit dem Hinweis auf das Positive aus der Insolvenz bezeichnet. Angebote von anderen Distributoren gab es für das Team, vor allem für die Vertriebler und Einkäufer der insolventen COS mehr als genug. Die Geier saßen bereits auf den Lichtmasten vor dem Gebäude des Grossisten und planten Niederlassungen in Linden. Wohlwissend, dass sehr gutes Personal häufig nicht sonderlich flexibel bei der Wahl des künftigen Wohnortes ist. Deshalb kommt in diesem Fall nicht der Mensch zur Arbeit, sondern die Arbeit zum Menschen.

"Aber die, die geblieben sind, zeigen eine enorme Aufbruchstimmung. Das ist eine über und über motivierte Belegschaft", lobt Rahn seine Mitstreiter. Und auf die Vergangenheit angesprochen, stellt er fest: "Das ist ein Traditionsunternehmen, das sehr viel Standing im Markt hat, auch nach den Turbulenzen." Das Selbstbewusstsein des Teams, wie Rahn hinzufügt, habe jedenfalls nicht gelitten. Und die Sehnsucht nach seinem Vorgänger halte sich bei den Mitarbeitern ebenfalls in "sehr engen Grenzen".

Karsten Hartmann, Aufsichtsratsvorsitzender, Devil AG

(Bild: Devil)

Während COS-Chef Rahn vorsichtig optimistisch ein Umsatzvolumen von etwa 100 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2009/2010 anpeilt, rechnet Karsten Hartmann, Aufsichtsratsvorstand und Gründer des COS-Käufers Devil für sein Unternehmen schon wieder mit rund 300 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr. Damit würde der Komponentendistributor aus Braunschweig nur unwesentlich hinter dem besten Ergebnis der Firmengeschichte zurückbleiben. 2007/2008 erwirtschaftete der Grossist nach eigenen Angaben 324 Millionen Euro. Und Karsten Hartmann wäre nicht er selbst, würde er gegenüber heise resale nicht gleich noch nachlegen: "Wir sind zusammen mit der COS wieder ganz oben in der Distributionslandschaft dabei." Bei dem Umsatzziel seines Kollegen aus Linden fügt Hartmann ausnahmsweise mal vorsichtig an: "100 Millionen können realistisch sein, wenn alles gut läuft. Auf jeden Fall erwarten wir den Sprung über diese Marke zum Stichtag 30. Juni 2011."

Devil, im Strudel der Übernahme durch Tulip/Nedfield beinahe in den Abgrund gerissen, hat sich quasi im letzten Moment retten können. Hartmann stellt darum auch völlig unbescheiden fest: "Ich musste dringend eingreifen, damit nicht alles den Bach runter geht. Das ist für mich eine Herzensangelegenheit gewesen". Darum hat er im Juni zusammen mit Vorstandschef Axel Grotjahn, Finanz-Vorstand Torsten Matthies und der Triacon Private Equity, einem Investor für Immobilien und Unternehmensbeteiligungen, die Devil-Eigentumsanteile übernommen. "Mit gutem Eigenkapital ausgestattet", wie er selbstbewusst feststellt und hinzufügt: "Es gab viel aufzuräumen, jetzt ist alles erledigt und geregelt".

Was das Thema Kreditversicherung angeht, da ist auf jeden Fall Devil mit Euler Hermes gut ausgestattet. Anders dagegen COS. Da müsse, wie Hartmann sagt, bei den Kreditversicherern wieder Vertrauen aufgebaut werden. Trotzdem fühlt sich COS-Chef Rahn "nicht als Bittsteller". Er ist überzeugt davon, dass es bald eine Vereinbarung mit einem Versicherer geben könne. Bis dahin würden eben mit den Kunden interne Regelungen getroffen. Hauslimits und Zahlungsziellaufzeiten von 20 Tagen sollen für Vertrauen sorgen.

Wird Devil-Ikone Hartmann darauf angesprochen, warum ausgerechnet die insolvente COS integriert werden musste, wiegelt er schnell ab. "Die haben wir uns nicht einverleibt, sondern sie ist eine Schwester zu Devil." Und: Die COS bleibe auf jeden Fall selbständig innerhalb des Firmenverbundes. Außerdem habe COS eine deutlich größere Produktpalette als Devil. Klar, ein paar Überschneidungen gebe es, aber im Grunde würden sich beide Grossisten sehr gut ergänzen. Und man könne gut gegenseitig einkaufen.

Dass durch den Deal die COS-Ware über die Logistik und das Lager bei Devil verkauft wird, hat sicherlich die Übernahmeentscheidung erleichtert. Immerhin können jetzt die Braunschweiger das im vergangenen Jahr um etwa 5.000 Quadratmeter erweiterte Logistikzentrum besser auslasten. Dass Devil außerdem "keine Schulden übernehmen musste", habe aus dem einstigen Konkurrenten einen interessanten Partner gemacht. Sicherlich hilfreich für Devil ist außerdem die Systemhauskompetenz bei COS.

Mehr Infos

Kommentar: Erfolg nur bei Kontinuität

Beide Manager, Hartmann und Rahn, verbreiten mehr als nur Zweckoptimismus. Dabei hat es COS – fast schon verbrannt – deutlich schwerer als Devil. Die Frage bleibt nur, wie gut können die beiden Distributoren auf Dauer miteinander. Jetzt ist, auch aus der Not heraus, alles in Butter. Mehr Zentralisierung als jetzt sei jedenfalls nicht geplant. Auch über mehrere Jahre hinweg. Darauf muss Rahn achten, und Hartmann mit seinem Vorstand ebenfalls. Gerade die verbliebenen COS-Kunden sind da eigen. Es gibt genügend mittlere Grossisten, die nur auf die Hinterlassenschaften in Braunschweig und Linden warten, wenn da was in die Binsen geht.

Während die komplette Logistik und RMA beider Grossisten in Braunschweig abgewickelt werden, sollen beim Produktangebot die bisherigen Schwerpunkte bestehen bleiben. Devil ist nach wie vor der Spezialist für Komponenten, während COS beispielsweise mehr in die Tiefe bei Druckern, Supplies, Netzwerken, Software, Storage, Note- und Netbooks, Mainboards und Displays gehen will. "Wir werden saubere Schnittstellen schaffen", ist Rahn überzeugt. Ebenso überzeugt ist er davon, bald wieder mehr Direktverträge mit Herstellern ratifizieren zu können. "Die Rückgewinnung der Hersteller ist ganz wichtig. Einige Lieferanten sind sogar bereit, mit eigenem Risiko über uns die Ware vertreiben zu lassen." (map)