Klauselkrieg

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Jagdrevier Online-Handel

Die "berechtigten Stellen" haben bislang wenig Interesse gezeigt, sich auf unwirksame AGB-Klauseln zu stürzen. Die meisten Abmahnungen aufgrund vermeintlicher Wettbewerbsverstöße erhalten Firmen normalerweise von Konkurrenten. Wenn die Verwendung einer unzulässigen AGB-Klausel auch eine Form wettbewerbswidrigen Handelns wäre, dürften nicht nur besonders ermächtigte Stellen sie verfolgen, sondern jeder beliebige Mitbewerber. Dass das eine enorme Jagdlust gerade bei Online-Anbietern und ihren Anwälten wecken würde, ist nicht schwer vorzustellen. Nirgendwo sind Wettbewerbsverhältnisse so leicht herzustellen wie im Internet. Zugleich ermöglichen Suchmaschinen hier das bequeme massenweise Auffinden fragwürdiger AGB-Passagen. Dass dieses Schreckensszenarium nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung.

Eines der ersten obergerichtlichen Urteile zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit unwirksamer AGB-Klauseln stammt aus dem Jahr 2005 [2]: Der Rechtsstreit drehte sich um eine AGB-Klausel, in der ein Computerhändler die Gewährleistungsrechte seiner Kunden davon abhängig machte, dass etwaige Mängel und Materialfehler an der Ware innerhalb einer Woche nach Empfang der Sendung dem Verkäufer gemeldet würden. Ein ebenfalls mit Computern handelnder Mitbewerber nahm Anstoß an dieser Klausel und hielt ihre Verwendung für wettbewerbswidrig. Er klagte auf Unterlassung.

Das in letzter Instanz mit der Sache befasste Kammergericht (KG) Berlin gab dem Kläger Recht. Es stellte zunächst fest, dass die monierte Klausel nach den §§ 307 Abs. 1 und 309 Nr. 8b ee BGB unwirksam sei. Außerdem bestätigte es, dass die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel zugleich einen Wettbewerbsverstoß darstelle. Begründung: "Gemäß § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln … Bei den Bestimmungen des BGB betreffend die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt es sich um das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelnde Vorschriften. Denn nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG gehören zu den Marktteilnehmern auch die Verbraucher, deren Schutz die genannten Bestimmungen des BGB bezwecken."

Wer der Auffassung der Berliner Richter folgt und diejenigen Vorschriften des BGB, die die Gestaltung von AGB betreffen, als Marktverhaltensregeln von wettbewerbsrechtlicher Bedeutung einstuft, sieht sich allerdings mit einer schwierigen Frage konfrontiert: Welchen Sinn soll dann die besondere Ermächtigung im UKlaG haben, Unterlassungsansprüche geltend zu machen? Andersherum formuliert: Handelt es sich beim UKlaG nicht möglicherweise um eine spezielle und infolgedessen rechtlich abschließende Sonderregelung, die das Geltendmachen von Ansprüchen nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht ausschließt?

Die Berliner Kammerrichter verneinten dies: "Die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG auf Verstöße gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird nicht durch das Unterlassungsklagengesetz ausgeschlossen. Denn dieses stellt keine vorrangige abschließende Regelung dar. Die nach § 3 UKlaG nicht anspruchsberechtigten Mitbewerber können daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgehen." Das Kammergericht hält bis heute daran fest, dass die Vorschriften des BGB zur Gestaltung von AGB als Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG anzusehen seien [3].