Klauselkrieg

Seite 5: Europäische Perspektive

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Europäische Perspektive

Abmahnfreudige, die sich mit wettbewerbsrechtlichen Argumenten auf unwirksame AGB-Klauseln von Mitbewerbern stürzen, können auch anführen, dies entspreche dem Willen des europäischen Gesetzgebers. Der hat nämlich am 11. Mai 2005 eine "Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern" erlassen. Sie soll dazu beitragen, die nationalen Regeln gegen "unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schädigen," zu harmonisieren [10].

Diese sogenannte UGP-Richtlinie ist nicht planmäßig zum 12. Juni 2007 in deutsches Recht umgesetzt worden. Dennoch lassen sich ihre Bestimmungen seit dem 12. Dezember 2007 wie ein Gesetz anwenden [11]. Die nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken müssen sich an ihr orientieren.

Unter Geschäftspraktiken im Sinne der Richtlinie fällt "jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt" (Art. 2d). Diese kann "vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts" (Art. 5 Abs. 1) vorgenommen werden. Die UGP-Richtlinie erfasst also auch Geschäftspraktiken, die sich erst nach Vertragsschluss auswirken – wie etwa die Festlegung vertraglicher Rechte und Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Frage, ob unwirksame AGB-Klauseln wettbewerbswidrig sind oder nicht, entscheidet sich im Lichte der Richtlinie gar nicht mehr daran, ob sie die Nachfrageentscheidung möglicher Kunden beeinflussen oder den Warenabsatz fördern. Vielmehr erscheint es vor diesem Hintergrund "nicht mehr zweifelhaft, dass das (richtlinienkonform auszulegende) UWG eine wettbewerbsrechtliche Kontrolle der Verwendung unwirksamer AGB ermöglicht", wie das OLG Frankfurt in einem Urteil vom Sommer des vergangenen Jahres betont [12]. Mit anderen Worten: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Abmahnfreudige die Rechtsprechung zur wettbewerbsrechtlichen Dimension unwirksamer AGB für sich entdecken und im Internet auf Rosinensuche gehen. Für Online-Shop-Besitzer und Diensteanbieter heißt das wieder mal, sich warm anzuziehen. (psz)