Media-Saturn-Gründer Kellerhals: "Ich kämpfe um mein Lebenswerk“

Krieg zwischen MSH-Gründer und -Minderheitsgesellschafter Erich Kellerhals und Metro-Chef Eckhard Cordes. Der Grund: Kellerhals wirft Cordes vor, die MSH-Minderheitsgesellschafter ausbooten zu wollen und die Kultur des Unternehmens zu zerstören.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

MSH-Zentrale in Ingolstadt

(Bild: MSH)

Lieber Media-Saturn-Gründer und -Gesellschafter Erich Kellerhals,

Mann, müssen Sie sauer sein! Wenn sich ein Mann wie Sie, der sich so gut wie nie öffentlich äußert, vor einem Millionen-Publikum derart echauffiert und mit heftigen Verbalattacken seiner geballten Wut Luft verschafft, dann müssen sich vorher eine Menge Frust und Ärger aufgestaut haben. Das Ziel Ihres Angriffs: Metro-Chef Eckhard Cordes. Es geht nicht um Kleinigkeiten, sondern gleich um das große Ganze, wie Ihre folgende Aussage belegt: "Ich lasse nicht zu, dass Herr Cordes zerstört, was uns groß und erfolgreich gemacht hat."

Wow, das ist starker Tobak. Wir hatten ja durchaus den Eindruck gewonnen, dass es bei MSH nicht mehr so rund läuft wie noch vor wenigen Jahren, aber nach dieser Aussage muss man sich ja direkt fragen, ob es wirklich schon so schlimm um MSH steht, dass Sie Ihr Lebenswerk (Zitat: "Ich kämpfe um mein Lebenswerk.") in Gefahr sehen?

Was ist denn überhaupt passiert? Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Ende letzter Woche berichtete, haben Sie gegen die MSH-Hauptgesellschafterin Metro beim Amtsgericht Ingolstadt eine Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben. Der Grund: Metro-Chef Cordes habe auf einer MSH-Gesellschafterversammlung im März eine Satzungsänderung durchgeprügelt, welche die Rechte der übrigen Gesellschafter (Sie halten noch 21,62 Prozent der Anteile, knapp vier Prozent Ihr damaliger Gründungskollege und langjähriger Geschäftsführer Leopold Stiefel) stark beschneiden sollten. Bis dato hatten Sie umfassende Befugnisse und Veto-Rechte, angefangen von der Einstellung oder Entlassung von Geschäftsführern bis zur Eröffnung oder Schließung von Märkten. Immer häufiger jedoch war es in der letzten Zeit zu Konflikten zwischen Ihnen und Hauptgesellschafterin Metro, die mit 75 Prozent an der Media Saturn Holding beteiligt ist, gekommen. Mal ging es um das Expansionstempo in China, mal um die Strategie im Online-Handel.

Allem Anschein nach sind Sie und Ihr Kollege Stiefel für den ehemaligen Daimler-Vorstand Cordes ein Bremsklotz bei der Umsetzung seiner Vorstellungen und Ideen. Jetzt hat Cordes offenbar keine Lust mehr, wegen jeder Entscheidung das Plazet der Minderheitsgesellschafter einholen zu müssen. "Wir wollen die Rechte, die sich aus einem Anteilsbesitz von 75 Prozent ergeben, angemessen ausüben", zitiert die FAZ einen Metro-Sprecher. Das Unternehmen will dazu einen Beirat gründen, der Ihrer Ansicht nach nur dazu dient, die Sperrminorität der Gründer auszuhebeln.

Eins ist sicher: Sie und Metro-Chef Cordes werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Gut, so etwas kommt vor. In der Regel dann, wenn die Geschäfte ins Stocken geraten sind und der eine Verantwortungsträger dem anderen vorwirft, entweder (a) keine Ahnung zu haben oder (b) sein eigenes Süppchen kochen zu wollen. Im Fall Kellerhals/Cordes steht eindeutig Variante (a) im Vordergrund. Für Cordes sind Sie und Stiefel, wie gesagt, einfach nur Bremser und Blockierer. Auf der anderen Seite ist Metro-Chef Cordes in Ihren Augen nur ein Präzisionsanalytiker. Ich zitiere: "Er (Cordes) ist jetzt der fünfte Metro-Vorstandschef, dem wir erklären, wie das Modell Media-Saturn funktioniert. Zentralistisch denkende Manager, noch dazu, wenn sie aus einer fremden Branche kommen, haben kein Gefühl dafür, wie unser Geschäft läuft: Handel ist etwas anderes als Finanzakrobatik." Autsch, das hat gesessen!

Lieber Herr Kellerhals, wenn die MSH-Gesellschafter jetzt damit beginnen, vor Publikum übereinander herzufallen und sich gegenseitig zu zerfleischen, dann freut sich natürlich die Konkurrenz und reibt sich die Hände. Bis auf die Kollegen von Electronic Partner natürlich, die haben ja mit ähnlichen familieninternen Problemen zu kämpfen und kriegen vermutlich sonst gar nichts mehr mit. Mir drängt sich jedenfalls mehr und mehr der Eindruck auf, als habe MSH die besten Zeiten hinter sich. Nach dem Ausscheiden Ihres Gründungsfreundes Leopold Stiefel aus der Firmenleitung Ende 2006 häufen sich die internen Probleme. Stiefels Nachfolger Roland Weise entpuppte sich als umstrittene Führungspersönlichkeit, der vor allem das Zentralproblem Online-Shop nicht lösen konnte. Seit Anfang dieses Jahres hat mit Horst Norberg ein erfahrener MSH-Krieger die Amtsgeschäfte übernommen; er gilt aber für viele als Übergangslösung.

Nein, irgendwie ist bei Media-Markt und Saturn der Schwung der vergangenen Jahre verloren gegangen. Auch die Werbung ist nicht mehr das, was sie mal war. Derzeit versucht man, die Probleme mit Lautstärke zu überdecken, aber wie lange geht das noch gut?

Lieber Herr Kellerhals, ich kann mich gut an einen Mann erinnern, der wollte genauso wie Sie heute sein Lebenswerk vor der Metro retten. Der Mann hieß Theo Lieven, und die von ihm gegründete und später an Metro verkaufte Firma Vobis war damals eine Riesen-Nummer in der IT-Handelslandschaft. Unvergessen der Satz, den Lieven im Jahr 1998 in einem Telefonat mit mir sagte: "Am liebsten würde die Metro Vobis auf einen Frachter laden, in die Nordsee schicken, und wenn der Kahn leer zurückkommt, bekommt der Kapitän eine Prämie." Soweit kam es Gott sei Dank doch nicht, aber mit dem Marktführer vergangener Jahre hat die heutige Vobis nur noch den Namen gemein. Tja, so kann es gehen. Ob es an der Firma Metro liegt, weiß ich natürlich auch nicht, aber es ist schon eine auffallende Parallele, finden Sie nicht?

Lieber Herr Kellerhals, Sie sprechen gerne von der "Kultur unseres Unternehmens" und beziehen sich damit vor allem auf die Dezentralität der Organisation. Diese Kultur, sagen Sie vermutlich völlig zu Recht, habe MSH "groß und erfolgreich" gemacht. Aber es ist nun einmal so, dass sich die Erde dreht und immer weiter dreht und dass Vieles, was einen gestern erfolgreich gemacht hat, heute überholt ist und nicht mehr funktioniert. Die Dezentralität zum Beispiel hat sicher ihre Stärken und Vorteile, sie hat aber auch ihre Schwächen und Nachteile. Das wird gerade heute nirgends deutlicher als bei MSHs totaler Hilflosigkeit im Online-Geschäft. Insofern erinnert Ihre Warnung, nicht an der Kultur des Unternehmens zu rütteln, ein bisschen an den Satz rückwärtsgewandter Angestellter: "Das haben wir schon immer so gemacht." Mit anderen Worten: Wenn die Zeiten sich ändern – und sie haben sich in den vergangenen Jahren definitiv geändert –, dann muss sich womöglich auch die Unternehmenskultur ändern.

Meine persönliche Empfehlung an Sie im Streit mit Metro-Chef Cordes: Bieten Sie ihm Ihre MSH-Anteile zum Kauf an, einen höheren Betrag als heute werden Sie in Zukunft vermutlich nicht mehr erzielen können. Dann müssen Sie sich anschließend nicht mehr ärgern. Vobis-Chef Lieven geht es inzwischen auch ohne sein "Lebenswerk" Vobis ganz prächtig.

Beste Grüße

Damian Sicking

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