Zuviel Ehrgeiz ist ungesund

Der Gehaltsscheck könnte noch dicker, das Büro noch größer, das Dienstwagenmodell noch aktueller sein. Eine Steigerung ist immer möglich. Aber wozu soll das eigentlich noch gut sein?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wer seine Ziele mit großem Ehrgeiz verfolgt, wird mit Rückschlägen besser fertig und steigert zugleich die Chance, dass er dank seiner Hartnäckigkeit das hoch gesteckte Ziel doch noch erreicht. Allerdings ist es schon aus gesundheitlichen Gründen manchmal besser, einen Gang zurückzuschalten – und zwar nicht nur wegen eines möglicherweise drohenden Burnouts.

So hat die Studie eines kanadischen Psychologen an der British-Columbia-Universität in Vancouver gezeigt, dass Menschen, die ihren Zielen besonders verbissen hinterherjagen, deutlich mehr Entzündungsmarker in ihrem Körper haben. Diese gelten als Hinweise auf bevorstehende chronische Krankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen. Selbst wer das Gefühl hat, der Stress sei für seine Psyche positiv bzw. problemlos zu verkraften, riskiert körperliche Schäden.

Aber abgesehen von all den Studien, die warnen und zu mehr Besinnung mahnen: wann haben Sie Ihre Ziele eigentlich das letzte Mal auf den Prüfstein gestellt? Tatsächlich neigen wir leider dazu, den Hals niemals vollzukriegen. Kaum ist die angestrebte Stufe des Erfolges erreicht, wird bereits das nächste Ziel anvisiert. Ob man "falschen Zielen" hinterherjagt, erkennt man nur, wenn man sich die eigenen Werte und Träume wieder vor Augen führt und den aktuellen "Fahrplan" der Karriere damit vergleicht.

Beispielsweise sollten Sie sich unbedingt genauer mit Ihrer Ist-Situation befassen, bevor Sie das nächste Ziel ins Auge fassen. Denn vielleicht ist die aktuelle Sprosse auf der Karriereleiter ja genau die richtige für Sie? Sind Sie zufrieden mit Ihrem Einkommen, Ihrer Arbeitsumgebung, Ihrer Tätigkeit? Stimmt die Work-Life-Balance? Überlegen Sie, was Sie davon opfern müssten, um im Kampf um die nächste Sprosse mitzumischen. Und was sich ändern würde, wenn Sie diese endlich erklommen haben. Vielleicht würde Ihnen die Veränderung gar nicht gefallen.

Die meisten Menschen, die ihren Job bereits innerlich gekündigt haben, sitzen einfach auf dem falschen Platz. Sie haben keine Freude an ihrer Arbeit oder sehen darin keinen tieferen Sinn. Ihr Job lässt sich nicht mit den Zielen und Werten vereinbaren, die der einzelne Mensch hat. Diese Diskrepanz wirkt sich auf Dauer negativ auf die Arbeitsleistung, die Motivation und natürlich auch auf die Gesundheit aus.

Stellen Sie Ihre Ziele in Frage. Wollen Sie den Abteilungsleiterposten wirklich? Oder wollen Sie ihn vor allem, damit Ihr interner Konkurrent ihn nicht bekommt? Oder weil Sie der Ansicht sind, endlich auch mal "an der Reihe" zu sein? Wollen Sie den neuen Dienstwagen, weil er Ihnen so viel Freude bereiten würde oder weil der Nachbar auch einen hat? Streben Sie nach einer Gehaltserhöhung, weil ihre Familie das von Ihnen erwartet oder weil Ihnen persönlich das Geld wichtig ist? Oder ist es genau umgekehrt: Sie würden so gerne Karriere machen und sich richtig in den Job reinhängen, aber Ihre Umgebung traut Ihnen das nicht zu oder blockiert Sie in dieser Beziehung? Die eigenen Wünsche zu unterdrücken, ist nämlich genauso ungesund, wie übertriebener Ehrgeiz.

Also stellen Sie sich lieber regelmäßig die Frage: was genau ist mir eigentlich wichtig? Und was davon finde ich in meiner Freizeit und was davon in meinem Job? Prüfen Sie, inwieweit Sie die Dinge erleben können, die Ihnen wichtig sind und vor allem, was Sie tun müssen, um den optimalen Zustand zu erreichen. Um die eigene Situation besser einschätzen zu können, hilft eine kleine Grafik: malen Sie einen Kreis und setzen Sie in seine Umgebung weitere "Planeten", die als Symbole für ihre Ziele, Werte und Wünsche dienen. Also beispielsweise einen weiteren Kreis für die "Gehaltserhöhung“ und einen anderen für "mehr Sport treiben". Je größer der Wunsch danach ist, desto größer sollte auch der Kreis ausfallen. Und je weiter Sie davon entfernt sind, desto größer sollte auch der Abstand zum "Ich-Planeten" sein.

Diese Grafik ist eine gute Hilfe, um sich seine aktuelle Situation vor Augen zu führen und auch die dazugehörigen Gedanken zu ordnen. Anhand dieser Zeichnung können Sie auch auf den ersten Blick erkennen, welches Ihre dringendsten Baustellen sind – und ob Sie sich vielleicht bislang auf die falschen konzentriert haben. Malen Sie Ihr Planetensystem regelmäßig auf und überprüfen Sie, ob sich etwas verändert hat. Bleiben Sie in Bewegung, aber gehen Sie dabei auch in die richtige Richtung. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)