MIT Technology Review 4/2019
S. 84
Fokus
Roboter
Aufmacherbild
Fotomontage: DLR, J. DelPetro/M.I.T./CSAIL, IIT, S. Bonblack u.M.R. Cutkosky/Stanford University u. S. Kim/M.I.T., Shutterstock

Die neue Artenvielfalt

Der Begriff Roboter stand anfangs für menschenähnliche Maschinen. Doch die Vielfalt an Robotern wächst stetig – und damit auch ihr Einfluss auf die Welt um uns herum.

Geht es um Roboter, herrscht eine merkwürdige Diskrepanz: So revolutionär viele Visionen von der Zukunft der Maschinen sind, so konservativ sind die Vorstellungen davon, wie diese künstliche Intelligenz künftig aussehen wird. Am Ende sind es immer entweder menschenähnliche oder maschinenähnliche Wesen – entweder haben sie Arme, Körper und ein Gesicht, oder sie gleichen Schweißgeräten, Bohrmaschinen, Staubsaugern, Autos usw.

Dem ist so seit dem Ursprung des Wortes „Roboter“. Der tschechische Schriftsteller Josef Čapek führte ihn 1921 in seinem Drama „R.U.R. – Rossum’s Universal Robots“ ein. Er beschreibt darin Kunstmenschen, die aus einem synthetischen „Protoplasma“ hergestellt sind. Den Begriff Roboter leitete er aus dem tschechischen Wort für Zwangsarbeit, „robota“, ab.

Was aber, wenn Roboter auch wie Fische, Dinosaurier oder sogar Pflanzen aussehen? Dann reißen wir wirklich die Käfige ein, in denen sie heute noch in den Fabriken stehen. Und lassen Roboter die Welt besiedeln. Sie ranken sich an Gebäuden empor, wie Barbara Mazzolai mit ihrer Forschung zeigt (Seite 96). In der Paläontologie könnten sie Dinosaurier zum Leben erwecken (Seite 89). So haben Forscher aus Deutschland, England und der Schweiz ein rund 300 Millionen Jahre altes Fossil mittels Robotertechnologie nachgebaut, um seinen Gang zu erforschen und mehr über seinen Lebensraum zu erfahren. Und sie tauchen in Universitäten als Lehrkraft auf (Seite 86). Der Marburger Linguistikprofessor Jürgen Handke etwa setzt den Roboter Yuki zur Unterstützung bei seinen Vorlesungen ein.

Die Beispiele zeigen: Die heutige Robotik ist fast so vielfältig wie das Leben. Es geht um jegliche Interaktion von Informationstechnik mit der physischen Welt, bei der künstliche Intelligenz eine Rolle spielt. Roboter kommen uns damit so nahe wie nie zuvor.

Die Roboter der ersten Stunde und Sinnbilder der Automatisierung – die Industrieroboter in den Fabriken – haben ihren Zenit dagegen offenbar schon überschritten. Erste Unternehmen wie Toyota und Tesla rudern zurück und setzen wieder mehr auf menschliche Arbeiter. Denn mit zunehmender Automatisierung erhöht sich die Zahl der Fehler und Ungenauigkeiten in der Produktion. Die Gesellen sind schlicht zu unflexibel und stur. Deshalb geht der Trend in den Fabriken jetzt in Richtung „Cobots“, kooperativen Robotern, die den Menschen bei seiner Arbeit nur in den Bereichen unterstützen, die zu schwer oder zu eintönig sind (Seite 97).

Allerdings haben Roboter nach wie vor mit gravierenden Unzulänglichkeiten zu kämpfen. Ihre Fähigkeit, Dinge zu greifen und mit der richtigen Kraft festzuhalten, ist immer noch weit von der Fingerfertigkeit des Menschen entfernt. Zudem brauchen sie immer noch eine geordnete Umgebung. Je unübersichtlicher das Umfeld ist, umso mehr Fehler machen sie – und sind rasch völlig unbrauchbar.

Um Auswege zu finden und die Roboter schneller weiterzuentwickeln, brechen Forscher inzwischen mit klassischen Ingenieurstugenden: Statt streng nach Plan wollen sie vorgehen wie die Evolution. Software und Hardware sollen sich über Mutation und Selektion immer besser an die Aufgabe anpassen. Wissenschaftler in Edinburgh nutzen dafür unter anderem 3D-Drucker (Seite 92).

Absehbar ist damit eine riesige Bandbreite an Robotern, jeder von ihnen an ganz spezielle Tätigkeiten angepasst. Eines aber werden die Forscher wohl auf absehbare Zeit nicht schaffen: die universelle Maschine, also den vollwertigen Ersatz für Menschen. Roboter, wie Josef Čapek sie vor rund hundert Jahren erdachte, bleiben noch eine ganze Weile Science-Fiction.