Fahrbericht Kawasaki Z 650 RS: Leicht nostalgisch

Seite 2: Chrom und Kunststoff

Inhaltsverzeichnis

Das Cockpit ist dem historischen Vorbild von 1976 nachempfunden mit zwei runden Analog-Instrumenten, links der Tacho, rechts der Drehzahlmesser. Dazwischen liegt heute allerdings eine digitale Anzeige. Sie informiert auf einen Blick über den eingelegten Gang, den Benzinstand, die Kühlwassertemperatur und die Uhrzeit. Ganz unten können noch verschiedene Infos per Knopfdruck am linken Lenkerende abgerufen werden: zwei Tageskilometerzähler, Gesamtkilometerstand, Reichweite, aktueller Verbrauch und Durchschnittsverbrauch. Im Gegensatz zur Vorfahrin sind die Rundinstrumente von verchromten Ringen – leider aus Kunststoff und nicht aus Metall – eingefasst und die können ganz schön blenden, wenn der Fahrer die Sonne im Rücken hat. Ein weiterer Chromring (ja, auch aus Kunststoff) umfasst den Rundscheinwerfer, der ebenso LED-bestückt ist wie die Blinker und das ovale Rücklicht, das keck unter der Heckabdeckung hervorlugt.

Trug die Kawasaki Z 650 im Jahr 1976 noch stolz je einen langen Endschalldämpfer pro Seite, schaut heute nur noch verschämt rechts ein kurzer Stummel vor dem Hinterrad hervor. Wahrscheinlich ist die Euro-5-Norm mit einem großen Vorschalldämpfer unter dem Motorblock einfacher zu erfüllen. Wenigstens bieten die beiden geschwungenen Krümmer einen originellen Anblick. Im unteren Drehzahlbereich ist die Klangkulisse des Zweizylinders sehr zurückhaltend, beim Aufreißen des Gasgriffs beginnt das Bike aus dem Luftfilterkasten zu röhren.

Kawasaki Z 650 RS Teil 2 (8 Bilder)

Die Farbgebung "CandyEmeraldGreen" mit den zwei hauchzarten Zierstreifen in gold und giftgrün auf dem Tropfentank machen die Z 650 RS endgültig zum Hingucker.
(Bild: Ingo Gach)

À propos Rahmen: Der besteht aus runden Stahlrohren und wiegt nur 13,5 kg. Er stammt ebenso von der Z 650 wie die auf der rechten Seite bananenförmige Schwinge, die so dem Auspuff nicht ins Gehege kommt. Auch die 41-mm-Telegabel und das Federbein sind eine 1:1-Übernahme aus der Z 650 und geben der Z 650 RS vorn 125 mm und hinten 130 mm Federweg. Einstellbar ist am Fahrwerk lediglich die Vorspannung des Federbeins, dafür müssen aber erst aufwendig Sitzbank, Seitenabdeckungen, Tank und diverse andere Teile abgebaut werden. In der Abstimmung tendiert die Retro-Kawa eher zu soften Seite, was zum Stil passt. Löcher in der Straße werden noch gut geschluckt, allerdings ist die Dämpfung etwas schwach geraten und spätestens beim Zwei-Personen-Betrieb sollte die Z 650 RS in schnellen, welligen Kurven mit Vorsicht genossen werden, da fängt das Heck schon mal an zu pumpen.

Ansonsten bereitet die Z 650 RS auf Landstraßen sehr viel Vergnügen, dank ihrer ausgeprägten Agilität. Sie profitiert nicht nur von ihrem kurzen Radstand von 1405 mm, sondern auch von einer mit 66 Grad Lenkkopfwinkel steil stehenden Gabel. Kawasaki beging nicht den Fehler, einen breiten 180er-Hinterreifen aufzuziehen, sondern beließ es bei einem im Handling angenehmeren 160er. Zielgenau durcheilt die Mittelklasse-Maschine Kurven jeglicher Art und verblüfft Fahrer manch deutlich stärkerer Maschinen und erreicht 191 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Die beiden vorderen Nissin-Bremszangen an den 300-mm-Bremsscheiben verrichten einen guten Job, sie beißen fest, aber nicht übertrieben brutal zu, und stoppen das Leichtgewicht jederzeit souverän. Die hintere Bremse verzögert auffallend gut, beim Ausrollen vor der roten Ampel muss ich die Vorderradbremse gar nicht mehr betätigen, ein Tritt auf den Fußbremshebel reicht aus. Das Bosch-9.1M-ABS arbeitet bei einer provozierten Vollbremsung feinfühlig. Ansonsten verzichtet die Retro-Kawasaki auf jegliche elektronischen Assistenzsysteme wie Fahrmodi oder Schlupfregelung. Das ist in Anbetracht der gebotenen Höchstleitung auch nicht notwendig und spart Kosten.

So schön die Ausritte auf der Z 650 RS auch sind, Kawasaki sollte dringend die Sitzbank straffer polstern. Das zu weiche Teil sitzt sich nach einer Weile durch und malträtiert dann den Allerwertesten. Dabei hat sich die Marke viel Mühe mit dem rutschfesten Bezug und dem Halteriemen gegeben. Für Großgewachsene ist der Kniewinkel wegen des relativ knappen Abstands zwischen Sitz und Fußrasten auf Dauer zu eng, wohingegen die Sozia keinen Grund zum Meckern findet. Eine Kuriosität ergibt die Suche nach dem Sitzbankschloss, das sich schließlich unter dem Heckkotflügel findet. Genau dort, wo sich als erstes Schmutz und Schlamm sammeln, nur leidlich von einem Gummistopfen vor eindringendem Wasser geschützt. Auch wenn der Tank größer wirkt, fasst er nur zwölf Liter. Doch dank des genügsamen Verbrauchs von 4,4 Liter auf 100 km schafft die Z 650 RS eine theoretische Reichweite von 272 km. Lange Autobahnetappen sind naturgemäß nicht so das Ding der Retro-Kawa, dennoch ist dauerhaft Tempo 130 kein Problem.

Auch wenn mich die Farbgebung "Candy Emerald Green" absolut überzeugt, sind auch die beiden anderen Lackierungen "Metallic Spark Black" und "Metallic Moondust Grey/Ebony" durchaus eine Überlegung wert, allerdings können sie keine golden lackierten Felgen vorweisen. Kawasaki ruft für die Z 650 RS in schwarz 7995 Euro auf, für die anderen Lackierungen 8145 Euro. In allen Fällen kommen noch 600 Euro Nebenkosten hinzu, macht also für unser grünes Bike unterm Strich 8745 Euro. Zwar bietet Kawasaki eine ganze Reihe von Extras zur Verschönerung der Z 650 RS an, zwingend empfehlenswert ist davon aber nichts, bis vielleicht auf die um zwei Zentimeter aufgepolsterte Sitzbank, die möglicherweise mehr Komfort bietet.

Mit der Z 650 RS hat Kawasaki sein Programm um ein sehr interessantes Angebot erweitert. Alle, denen eine Z 900 RS für 12.745 Euro zu teuer erscheint, haben nun die Möglichkeit ein Retro-Bike zu erwerben, das zwar nicht den heftigen Schub einer 900er bietet, aber durch sein geringes Gewicht sehr viel Vergnügen bereitet und das Geld allein schon für ihren Anblick wert ist.

(fpi)