Liegerad mit 45 km/h: Wo das S-Pedelec sinnvoll ist

Das S-Pedelec von HP Velotechnik vereint Liegerad und Elektroantrieb. Ausflug, Berufspendeln und Stadtfahrt: Unser Autor testet drei Szenarien mit dem Gefährt.

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Auf freier Strecke fĂĽhlt sich die Speedmachine am wohlsten.

(Bild: HP Velotechnik)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans Dorsch

Liegeräder sind bekannt für hervorragende Aerodynamik und bequeme Sitzposition. Kommt noch ein starker Motor dazu, der bis Tempo 45 unterstützt statt wie bei einem normalen Pedelec bis 25 km/h, klingt das nach einer spannenden Kombination. Das Speedmachine S-Pedelec von HP Velotechnik ist nach Angaben des Herstellers das erste Serienrad dieser Bauart mit europäischer Typgenehmigung. Doch damit sind auch Einschränkungen verbunden, denn laut Gesetz gelten S-Pedelecs nicht als Fahrräder, sondern als Kleinkrafträder. Es gilt Helm-, Versicherungs- und Kennzeichenpflicht. Radwege und geöffnete Einbahnstraßen sind verboten. Wie alltagstauglich kann ein solches "Fahrrad" dann überhaupt noch sein?

Zuerst fahre ich meine Kölner Rennradrunde: am Rhein entlang, wenig Verkehr, glatte Wege. Die Sitzposition der Speedmachine ist höher als erwartet, auf Augenhöhe mit einem VW Golf. Die Armhaltung ist erstaunlich entspannt. Auch anfahren ist gar nicht schwer: Ich nehme einen kleinen Gang, trete los und schon schiebt mich der Heckmotor an. Außerhalb der Stadt reicht sogar die Unterstützungsstufe 2 von 5 und mittelkräftiges Treten im hohen Gang, um den Top-Speed von 45 km/h zu halten.

Leider merke ich kurz nach dem Start, dass der Großteil meiner Strecke für das S-Pedelec tabu ist. Ich darf ja nicht auf Radwege. Zum Glück gibt es Naviki, eine Navigationsapp, die Routen für S-Pedelecs planen kann. Die Alternative über Bundesstraßen statt Rheinradweg ist weit weniger beschaulich als meine Originalroute, aber immerhin: Schlaglöcher bügelt die Vollfederung glatt, und auf einer ruhigen Allee kommt fast Urlaubsstimmung auf – bis ein Golf-Fahrer überholt und mich anschreit, dass ich von der Straße runter soll.

Nächster Test: Stadtfahrt. Ich muss zur Bank. Mit einem normalen Fahrrad schlängele ich mich durch kleine Straßen, manchmal entgegen der Einbahnrichtung, in zehn Minuten dorthin. Mit dem S-Pedelec muss ich auf die vierspurige Straße – und in den Stau. Ich brauche doppelt so lange und bin vom Stop-and-go genervt. Rechts vorbei an den Autos ist schwierig, wegen des breiten Außenspiegels. Auf dem Rückweg ignoriere ich die Kleinkraftradregeln und fahre auf dem gut ausgebauten Radweg an den Autos vorbei.

MIT Technology Review 5/2023

Zum Schluss das Szenario, für das S-Pedelecs gemacht wurden: das Pendeln zur Arbeit. Fast 30 Prozent der Pendelstrecken in Deutschland liegen zwischen 10 und 25 Kilometern. Ich fahre also 25,6 Kilometer aus der Kölner Innenstadt hinaus nach Monheim zum Standort eines bekannten Chemieherstellers. Um selbst aktiv zu sein, wähle ich Unterstützungsstufe 2. Mitschwimmen im Verkehr klappt gut. Nach gut drei Kilometern Innenstadt fahre ich auf ruhigen Straßen mit 30 km/h Tempolimit. Ab Kilometer zehn geht es mehrspurig durch Industriegebiete und kleine Ortschaften. Dort gelten 50 oder 70 km/h, und die Autofahrer halten sich auch daran – vielleicht, weil hier auch einige Motorroller unterwegs sind. Ich kann jedenfalls richtig Geschwindigkeit machen. Nach 58 Minuten stehe ich vor dem Werkstor. Unverschwitzt, aber laut Fitness-App mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 120. Die Karten-App veranschlagt mit dem Auto inklusive Autobahn 30 Minuten. Der Akku ist noch halb voll, er reicht also für die Rückfahrt. Sogar ein Schlenker zum Supermarkt wäre noch drin.

Fazit: Das Speedmachine S-Pedelec ist eine echte Pendelmaschine. Wer sein Auto hauptsächlich nutzt, um zur Arbeit zu kommen, bekommt damit einen Grund, es abzuschaffen. Für Fahrten in der Stadt oder Freizeittouren auf Radwegen empfiehlt sich bei der aktuellen Gesetzeslage eher ein konventionelles Fahrrad oder E-Bike.

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Hans Dorsch ist offen für alle Arten der pedalbetriebenen Fortbewegung: Seine persönliche Fahrradbiografie reicht vom BMX bis zum Lastendreirad – ein Liegerad durfte dabei natürlich nicht fehlen.

(jle)