Quelloffene Kür: Open-Source-ERP-Systeme im Vergleich

Seite 4: Apache OFBiz

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Mit dem im Jahr 2001 gestarteten, in Java umgesetzten OFBiz (Apache Open For Business Project) verfolgt Apache das ehrgeizige Ziel, ein Framework auf Grundlage eines universellen Daten- und Prozessmodells zur Verfügung zu stellen. Es soll als Entwicklungsgrundlage für beliebige Geschäftsanwendungen dienen. Die für den Artikel evaluierte ERP-Webanwendung Opentaps basiert auf OFBiz.

Die Entwickler gingen von der Annahme aus, dass alle Unternehmen in Abteilungen gegliedert sind, die bestimmte Teilprozesse des Geschäftsalltags abwickeln. In einem Portal wählt der Benutzer die Abteilung aus, bei der er sich anmelden möchte. Ob dies in der Praxis durchzuhalten ist, darf angezweifelt werden. Die GUI-Komponenten sollten sich stärker an einem Raster orientieren, stellenweise wirkt die Benutzeroberfläche unruhig und bietet zu wenige optische Anker.

Erfreulich und hilfreich: Pflichtangaben hebt das System in den einzelnen Funktionsbereichen farblich hervor. Leider präsentiert es ein deutsch-englisches Sprachdurcheinander. Grundlegende Übersetzungen sind zwar vorhanden, aber nicht konsequent eingebaut. Beispielsweise zeigt sich das in der Auftragserfassung, wo die Begriffe "Auftrag" und "Order" nebeneinander vorkommen.

OFBiz bringt eine Fülle ausgereifter Funktionen mit, etwa die Möglichkeit, im Rahmen einer mehrstufigen Fertigung Teilschritte bei Ressourcenengpässen kurzfristig durch andere Unternehmen abwickeln zu lassen. Wenig elegant mutet zuweilen die Bedienung an: Einmal erfasste Aufträge sind mit vertretbarem Aufwand nicht zu ändern, die nachträgliche Umgruppierung von Positionen ist nicht möglich. Warum in diesem umfassenden Framework die Option fehlt, Aufträge und Bestellungen nach Belegarten zu sortieren, erschließt sich nicht.

Apache OFBiz: Das Framework eignet sich ehere für den Bau von Webshops als für ERP-Anwendungen. Hier opentaps, eine ERP/CRM-Implementierung.

Man stellt schnell fest, dass OFBiz seine Anwendungsschwerpunkte eher bei Webshops oder der telefonischen Auftragsannahme im Callcenter sieht. Hier könnte die Ursache dafür liegen, dass einmal erfasste Aufträge kaum noch modifizierbar sind: Unternehmen, die mit häufig wechselnden Belegpositionen umgehen müssen, können mit dem System in dieser Form nur wenig anfangen, es wären erhebliche Eingriffe erforderlich.

Eine weitere Funktion, die klar für den Einsatz in Webshops spricht, ist die Anzeige von Alternativ- und Ergänzungsartikeln sowie kostenlosen Dreingaben nach der Überschreitung bestimmter Auftragswerte.

In Sachen Datenbanken zeigt sich OFBiz erfreulich aufgeschlossen und kooperiert mit MySQL, PostgreSQL, Oracle, Sybase, MS SQL Server und DB2. Unschön und nicht praxisgerecht ist jedoch, dass das Speichern der Daten erst sehr spät im Erfassungsprozess erfolgt – auch dies ein Beleg für die Annahme, dass die Auftragseingabe grundsätzlich in einem einzigen geschlossenen Arbeitsablauf erfolgen kann.

Die deutsche Entwicklergemeinschaft verweist lediglich auf die englischsprachige Projektseite sowie auf deutschsprachige Dienstleister, die mindestens ein entsprechendes Projekt vorweisen können. Dass mit Jira ein bekanntes Bugtracking-und Projektmanagementwerkzeug auf Grundlage von OFBiz realisiert wurde, unterstreicht den universellen Charakter des Frameworks.

Für opentaps bietet der Hersteller kostenpflichtigen Support und Dokumentation an. Bei den auf der Projektseite gelisteten Referenzen handelt es sich in erster Linie um Webshops (darunter ein deutschsprachiger). Eine lauffähige Referenzimplementierung von OFBiz als vollwertiges ERP-System in Deutschland ist nicht bekannt.