Quelloffene Kür: Open-Source-ERP-Systeme im Vergleich

Seite 8: Fazit

Inhaltsverzeichnis

Die größte Herausforderung für die betrachteten Open-Source-ERP-Produkte liegt darin, die Erfordernisse von Unternehmen in unterschiedlichen Ländern zu erfüllen. "Lokalisierung" und "Übersetzung", oft im gleichen Atemzug genannt, sind schlicht nicht dasselbe. Eine gute, fachlich richtige Übersetzung stellt nur einen Teilaspekt der Lokalisierung dar. Bei letzterer geht es insbesondere um die Konformität einer Anwendung zu landesspezifischen Anforderungen, Vorschriften und Gesetzen.

Für Open-Source-Projekte in diesem Bereich ist deshalb das Vorhandensein einer aktiven, fachlich starken und vor allem möglichst offen agierenden und gleichzeitig geschlossen auftretenden Community im jeweiligen Einsatzland von zentraler Bedeutung. Gerade in Deutschland ist die Aufgabe der Lokalisierung zu komplex, als dass heimische Implementierer sie im Alleingang bewältigen könnten. ADempiere befindet sich hier auf einem guten Weg, und Tryton scheint zu folgen.

OFBiz und ADempiere können mit einer starken Entwicklergemeinschaft auftrumpfen. Hinter Open ERP, Tryton, Compiere und Openbravo stecken Unternehmen mit deutlich dargestellten kommerziellen Interessen. Das muss kein Nachteil sein, denn man hat bei Problemen einen direkten Ansprechpartner. Dass sich allerdings die größtenteils moderierten Foren durch viele offene Fragen und wenige gute Antworten auszeichnen, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die fraglichen Firmen durch schlichte Unterlassung versuchen, ihren kostenpflichtigen Support zu verkaufen.

Selbstverständlich birgt der Einsatz von Open-Source-Software im geschäftlichen Umfeld Risiken und wirft berechtigte Fragen auf: Wer leistet Support, wenn es keinen Hersteller gibt? Wie stabil und sicher sind die Angebote? Wie leicht lässt sich ein System an individuelle Bedürfnisse anpassen?

Doch muss man ähnliche Fragen auch bei der proprietären Konkurrenz stellen: Was geschieht, wenn ein Hersteller vom Markt verschwindet oder ein Produkt nicht mehr pflegt? Wie sicher ist eine Software, die sich nicht auf Herz und Nieren prüfen lässt? Wo sind die Grenzen der Anpassungsfähigkeit, wenn beispielsweise eine neue Niederlassung in China die Eingabe von Texten in Mandarin erfordert?

Ebensowenig wie die kommerziellen Anbieter schafft es die Open-Source-Szene, eine universelle ERP-Lösung auf die Beine zu stellen, die sich mit möglichst wenig Anpassungsaufwand in Unternehmen jeder Größenordnung installieren lässt. Ein Anspruch, den die betrachteten Systeme jedoch auch nicht erheben.

Es lässt sich immerhin festhalten, dass es inzwischen ausgereifte und stabile ERP-Frameworks gibt, die deutlich mehr als nur einen flüchtigen Blick verdienen. Und Dienstleister, die eine ERP-Lösung in ihr Portfolio integrieren wollen, dürften den Gedanken reizvoll finden, dass es möglich ist, ein funktional gut ausgestattetes Framework als Projektgrundlage heranzuziehen.

Wer eine schlanke, stabile, flexible und agile Lösung sucht, kann im Open-Source-Universum durchaus das Richtige finden. (jd)

Über den Autor: Holger Thorsten Dittmann arbeitet als Softwareentwickler und Kundenberater im Bereich Geschäftsanwendungen auf Basis quelloffener Software bei der ObjectCode GmbH in Lünen. (akl)