Yamaha Niken GT im Test: Ein unterschätzes Dreirad

Seite 2: Yamaha Niken GT

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Bemerkenswert ist auch, dass man sich trotz der kommoden Sitzposition und des ausladenden Tanks auch sportlich auf dem Bike bewegen kann. Ein Grund ist hier die mit 825 mm recht hohe Sitzposition und die nicht zu inaktiv platzierten Rasten. Nutzt man einen sportlichen Fahrstil, berührt man mit der linken Ferse zwar den Ausleger des Hauptständers, die GT lässt sich dann aber trotz des hohen Gewichts und der Koffer überraschend dynamisch bewegen.

Einzig bei schnellen Richtungswechseln fordert der hohe und vorderradorientierte Schwerpunkt seinen Tribut und lässt das Motorrad etwas träge wirken. Diese Eigenheit macht die Niken durch ihre Neutralität auf der Bremse wieder wett. Um die über fünf Zentner vor der Kurve wieder einzufangen, nutzt man zwar am besten die ganze Hand, dann sorgen die Stopper aber für ordentlich Verzögerung. Aufstellmoment kennt die Niken nur vom Hörensagen.

Auch der Motor verlangt Entschlossenheit und Engagement, will man auf der Niken zügig von Kurve zu Kurve kommen. Der Dreizylinder, dessen Leistungsabgabe sich durch die Fahrmodi Sport, Street und Rain variieren lässt, fühlt sich vor allem im Sportmodus auch schon unter 5000/min recht kräftig an. Um mit Sporttourern und Naked Bikes einigermaßen mithalten zu können, sollte die digitale Drehzahlnadel auf dem Farbdisplay aber nicht unter 7000/min fallen. Bei der Hatz durchs Drehzahlband unterstützt nun auch ein Blipper, der schnelles Hoch- und Runterschalten ohne Kuppeln ermöglicht.

Yamaha Niken GT 2023 (10 Bilder)

Zwei Vorderräder und eine gute Bremse. Für maximale Verzögerungsleistung bedarf es aber des Einsatzes aller Finger.
(Bild: Michael Praschak)

Auch wenn die Niken GT sich in keinster Weise gegen eine sportliche Gangart verweigert, weiß sie vor allem durch ihre Souveränität zu überzeugen. Die Niken GT macht es einem einfach, sich aufs Kurvensurfen zu konzentrieren und auf geraden Abschnitten einfach die Landschaft zu genießen. Das ist in den meisten Motorradrevieren sowieso die beste Option. Vollgasorgien, um an sportlicheren Bikes dranzubleiben, sind unnötig. Spätestens, wenn der Asphalt wieder schlechter wird, hat man die Meute wieder im Rückspiegel, statt vor den beiden 15-Zoll-Rädern.

Trotz sehr geringer Verkaufszahlen hält Yamaha am Motorradkonzept mit drei Rädern und Neigetechnik fest und schickt mit der Niken GT die zweite Auflage ins Rennen um die Kundengunst. Mehrwert und Fahrspaß sind unbestreitbar vorhanden und diejenigen, die die Niken einmal gefahren sind, werden das gerne bestätigen. Vielfältig sind die Qualitäten, überzeugend fährt das Motorrad unter allen Bedingungen. Yamaha richtete sich schon mit der ersten Generation vorrangig an "…aufgeschlossene Fahrer, die Spaß an High-Tech und Innovationen haben …", schielte aber sicher auch von Beginn auf die, die viel und das ganze Jahr über fahren und neben Fahrspaß auch die Sicherheit im Blick haben.

Mit der GT haben die Japaner nun die Basis für die Kombination aus beidem geschaffen. Die außergewöhnliche Lenktechnik wurde durch zeitgemäße Features wie Smartphone-Konnektivität, ein hochauflösendes Farbdisplay und noch mehr Tourentauglichkeit durch verbesserten Komfort, Kofferset und Lademöglichkeiten für externe Geräte ergänzt. Noch ein Punkt spricht für den zweiten Anlauf mit der Niken: Zeiten ändern sich. Wurde man mit der Ur-Niken vor fünf Jahren keines Blickes gewürdigt, sieht man heute regelmäßig die lässige Handbewegung des Motorradgrußes. Auch die Bereitschaft, ein Motorrad für gut 18.000 Euro zu kaufen, scheint heute höher als noch vor einigen Jahren. Vielleicht war die erste Generation ihrer Zeit nur etwas voraus.

(mfz)