Kinect und Office beleben Microsofts Geschäfte

Während die Windows-Sparte nach dem Boom in Folge der Windows-7-Einführung etwas schwächelt, freut sich Microsoft über Erfolge mit der Bewegungssteuerung für die Xbox 360 und mit dem Office-Paket. Mobil- und Online-Bereiche bleiben Sorgenkinder.

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Von
  • Jürgen Kuri

2 Millionen Smartphones mit Windows Phone 7 ... Microsoft findet das viel, zeigt sich zufrieden und freut sich, mal wieder ein bisschen am Momentum der coolen Firmen der Internet- und Mobilfunkbranche teilzuhaben. Das sieht aber nicht jeder so wie der Konzern aus Seattle: Vielen kommt Microsoft vor wie ein tollpatschiger Koloss, der zwar im angestammten, eher langweiligen Geschäft mit PC-Betriebssystemen und Office-Software gute Geschäfte macht, ansonsten aber eher ungelenk operiert.

Ein Koloss ist Microsoft auf jeden Fall: Wieder einmal verkündet der Konzern ein Rekordquartal mit Milliarden-Umsätzen und -Gewinnen (wobei sich Microsoft dafür entschuldigen musste, dass ein Entwurf der Mitteilung über die Geschäftszahlen etwas verfrüht vor Börsenschluss in den USA bekannt wurde). Im zweiten Quartal des Microsoft-Geschäftsjahrs 2011 fiel ein Netto-Gewinn von 6,634 Milliarden US-Dollar bei einem Umsatz von 19,953 Milliarden US-Dollar an – der höchste Quartalsumsatz in der Unternehmensgeschichte und (mit einem leichten Minus) der zweithöchste Quartalsgewinn (den höchsten erzielte Microsoft im zweiten Quartal des Vorjahrs). Der operative Gewinn lag bei 8,165 Milliarden US-Dollar und der Gewinn pro Aktie betrug 77 US-Cent. Analysten hatten einen Gewinn pro Aktie von 68 Cent bei einem Umsatz von 19,15 Milliarden US-Dollar prognostiziert.

Vor allem Office 2010 hebt Microsoft als Umsatzbringer hervor, die aktuelle Version sei die sich am schnellsten verkaufende Endkundenversion von Office in der Firmengeschichte. Und ebenso sei Windows 7 das am schnellsten wachsende Betriebssystem, betont Chief Operating Officer Kevin Turner zu den Geschäftszahlen. Mittlerweile habe man 300 Millionen Lizenzen von Windows 7 verkauft, erklärte Microsoft.

Das mit der Tollpatschigkeit aber ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen: Mit Windows Phone 7 hat Microsoft zwar ein allgemein anerkanntes Smartphone-System vorgelegt, stolpert aber den großen Konkurrenten Apple mit iOS und Google mit Android etwas hilflos hinterher. Und bei den Tablets, die als richtungsweisend für die Zukunft der PC- und Mobilgeräte-Branche angesehen werden, hat Microsoft trotz vieler Ankündigungen so richtig immer noch nichts vorzuweisen. So sehen die Skeptiker zwar Microsoft derzeit gute Geschäfte machen, für die Zukunft aber schlecht gerüstet.

Immerhin kann Microsoft aber nicht nur mit Office und Windows Erfolge erzielen: Die Bewegungssteuerung Kinect für die Spielekonsole XBox 360 sorgte dafür, dass die Entertainment & Devices Division (XBox 360, TV-Software, Windows Phone) einen Umsatzzuwachs von 55 Prozent erreichte. Innerhalb von 60 Tagen konnte Microsoft acht Millionen Kinects verkaufen. Der Umsatz der Sparte wuchs im Jahresvergleich von 2,381 auf 3,698 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn legte von 365 auf 679 Millionen US-Dollar zu. Wieviel davon auf den Handy-Bereich entfiel, gab Microsoft nicht bekannt. Der zweite, für die Zukunft immer wieder als strategisch hervorgehobene Bereich, die Online Services Division (zu der unter anderem die Suchmaschine Bing, MSN und der Online-Anzeigenbereich gehört), dümpelt immer noch vor sich hin: Der Umsatz stieg von 579 auf 691 Millionen US-Dollar, gleichzeitig musste Microsoft aber hier auch gestiegene Verluste verbuchen: von 463 auf 543 Millionen US-Dollar.

In der Windows-Division (PC-Betriebssysteme und Windows-Live-Dienste) ging der Umsatz im zweiten Geschäftsquartal 2011 von 7,193 auf 5,054 Milliarden US-Dollar zurück, der operative Gewinn von 5,417 auf 3,251 Milliarden US-Dollar. Allerdings war im gleichen Vorjahresquartal das Ergebnis durch zuvor zurückgestellte und in dem damaligen Quartal realisierte Umsätze (deferred revenue) stark gewachsen. Diese im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannten Umsätze resultierten im zweiten Geschäftsquartal 2010 aus dem Windows-7-Upgrade-Programm, mit dem Kunden beim Kauf eines PC bereits eine Option auf Windows 7 vor seiner allgemeinen Verfügbarkeit erwerben konnten, sowie aus Vorabverkäufen an PC-Hersteller.

Der Bereich Server & Tools (unter anderem Windows Server, SQL Server, das Cloud-System Azure, Windows Embedded, Entwickler-Tools) legte beim Umsatz von 3,978 auf 4,390 Milliarden US-Dollar zu, beim operativen Gewinn von 1,464 auf 1,776 Milliarden US-Dollar. Die Business Division (unter anderem Office, Exchange, Dynamics) steigerte den Umsatz von 4,864 auf 6,032 Milliarden US-Dollar und den operativen Gewinn von 2,947 auf 3,965 Milliarden US-Dollar.

Die Windows-Sparte wurde von den Börsianern argwöhnisch beobachtet – die sich über die Zahlen nicht begeistert äußerten. So habe der Bereich bereits im abgelaufenen Quartal nicht ganz die Erwartungen erfüllt. Angesichts von nicht nur in den USA unter Druck geratenen PC-Verkäufen befürchten viele Beobachter, die Verkäufe könnten gerade bei einem der wichtigsten Umsatzbringer Microsofts weiter leiden. Und dies, ohne dass Microsoft bei den boomenden Smartphones und Tablets wirklich mithalten könnte und so Ersatz für eventuelle Einbrüche bei PC-Systemen schaffen könnte.

Das alles sieht der Koloss Microsoft etwas anders, der selbst meint, bei Smartphones seine Tollpatschigkeit abgelegt zu haben und auch mit Angeboten wie der Suchmaschine Bing wieder sehr fidel im Online-Bereich unterwegs zu sein. Microsoft geht zudem nicht davon aus, in absehbarer Zeit Schwierigkeiten im Windows- und Office-Geschäft zu bekommen.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.) 2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
1/07 10.811 Mio. 3.478 Mio.
2/07 12.542 Mio. 2.626 Mio.
3/07 14.398 Mio. 4.926 Mio.
4/07 13.371 Mio. 3.035 Mio.
1/08 13.762 Mio. 4.289 Mio.
2/08 16.367 Mio. 4.707 Mio.
3/08 14.454 Mio. 4.388 Mio.
4/08 15.837 Mio. 4.297 Mio.
1/09 15.961 Mio. 4.373 Mio.
2/09 16.629 Mio. 4.174 Mio.
3/09 13.648 Mio. 2.977 Mio.
4/09 13.099 Mio. 3.045 Mio.
1/10 12.920 Mio. 3.574 Mio.
2/10 19.022 Mio. (17.31 Mio. ***) 6.662 Mio.
3/10 14.503 Mio 4.006 Mio
4/10 16.039 Mio. 4.518 Mio.
1/11 16.195 Mio. 5.410 Mio.
2/11 19.953 Mio. 6.634 Mio

(jk)