Licht und Schatten bei Microsoft

Besonders erfreut zeigt sich Microsoft über Wachstum bei Server-Software und hohe Nachfrage nach der Xbox 360. Im abgelaufenen Quartal bleibt der Softwarekonzern aber hinter den Erwartungen zurück.

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Von
  • Jürgen Kuri
Ein ruhiges Quartal, zumindest was die Zahlen angeht – das erwartete die Börse von Microsoft: Ein Gewinn von 33 Cents pro Aktie und ein Umsatz von 11 Milliarden US-Dollar sollten es im dritten Quartal des Microsoft-Geschäftsjahrs sein. Die Turbulenzen um Software-Verzögerungen oder den EU-Kartellprozess ließen die Bilanzen des Softwarekonzerns aus Redmond zwar weitgehend unberührt, aber so ganz konnte man die Erwartungen doch nicht erfüllen. Der Umsatz kletterte im dritten Geschäftsquartal im Vergleich zum gleichen Vorjahresquartal um 13 Prozent auf 10,90 Milliarden US-Dollar – das liegt allerdings unter dem Rekordergebnis des Vorquartals und genau am unteren Ende von Microsofts eigener Prognose zum Abschluss des zweiten Quartals. Der Nettogewinn betrug 2,98 Milliarden US-Dollar (29 Cents pro Aktie) gegenüber 2,56 Milliarden US-Dollar (23 Cents pro Aktie) im Vorjahresquartal; im Vorquartal betrug der Gewinn 3,65 Milliarden US-Dollar. Der Gewinn im abgelaufenen dritten Quartal enthält Belastungen in Höhe von 3 US-Cent pro Aktie, die für juristische Streitigkeiten fällig wurden; berücksichtig man dies, trifft Microsoft auch beim Gewinn pro Aktie genau das untere Ende der eigenen Prognose von 32 bis 33 Cents pro Aktie. Insgesamt weist Microsoft in den Bilanzen 397 Millionen US-Dollar Belastungen für Gerichtskosten und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten aus, im gleichen Vorjahresquartal waren dies noch 768 Millionen US-Dollar.
Der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt) stieg im Jahresvergleich von 3,212 Milliarden auf 3,670 Milliarden US-Dollar und blieb damit gegenüber dem Vorquartal identisch – er stellt für Microsoft ein wichtiges Indiz dar, wie das Geschäft mit Firmenkunden läuft und wie sich die Konkurrenz etwa aus dem Open-Source-Lager in diesem lukrativen Markt schlägt. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die bei Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise bei länger laufenden Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, aufgrund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.
Für die drei wichtigsten Segmente (Windows Client, Windows Server, Office-Software) prognostizieren Analysten für die kommenden Quartale gleichbleibende Geschäfte. Die Verschiebungen von Windows Vista und der neuen Version des Office-Pakets, die vor einigen Wochen verkündet wurde, sorgten allerdings für nicht geringe Unruhe an den Börsen: Hieß es doch in den vergangenen Quartalen immer wieder, die künftigen Wachstumschancen von Microsoft hingen stark gerade von Vista und Office 2007 ab. Trotz aller Unkenrufe konnte Microsoft immerhin in den vergangenen Quartalen immer wieder gehöriges Wachstum vorweisen. Zur Beruhigung der Investoren angesichts der Verzögerungen bei den wichtigen Software-Releases dürften auch die Umstrukturierungen geführt haben, die vor allem die Windows-Sparte auf Trab bringen sollen.
Chris Lidell, bei Microsoft für die Finanzen zuständig, meinte, das Management sei zufrieden mit dem zunehmenden Tempo des Umsatzwachstums. "Wir beschleunigen unsere Investments in das Geschäft, um zukünftiges Wachstum anzutreiben", betonte Lidell, der nicht gerade viel Unterstützung von seinem Chef Steve Ballmer bekam. Der sprach kurz vor der Vorstellung der Bilanzen bei einer Web-2.0-Konferenz in Paris von möglicherweise fallenden Softwarepreisen. Abonnementmodelle und die zunehmende Auslieferung von onlinegestützten Anwendungen, die nur einen Webbrowser als Client benötigen, könnten auch zu Preisreduzierungen führen. Ob dies die Bilanzen negativ durch sinkende Einnahmen oder positiv durch mehr Kunden und damit doch insgesamt steigende Umsätze beeinflussen wird, ist auch für Microsoft eine der großen Zukunftsfragen: Die Firma setzt mit ihrer von Bill Gates eingeläuteten Ära der Live-Software nicht nur auf hohe Online-Anzeigenumsätze, sondern auch auf neue Absatzmöglichkeiten für die Software durch Online-Modelle. Lidell jedenfalls gab sich überzeugt, dass im nächsten Geschäftsjahr noch höhere zweistellige Umsatzsteigerungen anfallen werden als im laufenden Geschäftsjahr.
Besonders erfreut zeigt sich Microsoft über das Wachstum der Sparte Server and Tools (dazu gehören beispielsweise Windows Server 2003, Exchange und Entwicklungswerkzeuge). Hier habe es das fünfzehnte Quartal hintereinander einen zweistelligen Umsatzzuwachs gegeben. Der Umsatz kletterte im Jahresvergleich von 2,459 auf 2,845 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn stieg von 822 Millionen auf 1,068 Milliarden US-Dollar. Der Bereich Client (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) steigerte den Umsatz von 2,964 auf 3,187 Milliarden US-Dollar, der Gewinn wuchs leicht von 2,346 auf 2,478 Milliarden US-Dollar. Die Sparte Information Worker, vor allem für das Office-Pakte verantwortlich, erreichte eine Umsatzsteigerung von 2,805 auf 2,946 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn lag etwas über dem Vorjahrsquartal bei 2,087 statt zuvor 2,029 Milliarden US-Dollar. Gut zulegen konnte auch die Sparte Business Solutions, der aus Navision und Great Plains gebildete Bereich für Unternehmenssoftware: Hier stieg der Umsatz von 179 auf 216 Millionen US-Dollar. Die Sparte steckt aber immer noch in den roten Zahlen, konnte den Verlust aber von 39 auf 13 Millionen US-Dollar reduzieren.
Eine positive Zwischenbilanz zog Microsoft bereits Mitte März für die neue Generation der hauseigenen Spielkonsole. Die Einführung sei planmäßig verlaufen, erklärte Microsofts Xbox-Deutschlandchef. Und auch wenn man die Absatzzahlen für die ersten drei Monate leicht nach unten habe korrigieren müssen, so bleibe man doch dabei, bis Ende Juni 4,5 bis 5,5 Millionen Stück der Xbox 360 verkaufen zu können. Es habe eine starke Nachfrage nach der Xbox 360 gegeben, schrieb Microsoft nun in den Kommentaren zu den vorgelegten Bilanzen: Der Bereich Home Entertainment konnte den Umsatz nahezu verdoppeln von 571 Millionen auf 1,056 Milliarden US-Dollar. Allerdings betrugen die Verluste auch mehr als das Doppelte, bedingt wohl immer noch durch die hohen Marketingkosten für die Einführung der Xbox 360: Die Verluste des Entertainment-Bereichs stiegen von 175 auf 388 Millionen US-Dollar.
Mit dem Online-Dienst MSN, auch einer der wichtigen Bestandteile der Live-Strategie, musste Microsoft einen Umsatzrückgang von 581 auf 561 Millionen US-Dollar hinnehmen, außerdem kann statt eines Gewinns von 102 Millionen ein Verlust von 26 Millionen US-Dollar zustande. Und der Bereich Mobile and Embedded Devices konnte zwar den Umsatz von 61 auf 89 Millionen US-Dollar steigern, der Verlust kletterte aber auch, und zwar von 9 auf 14 Millionen US-Dollar.
Für das laufende vierte Quartal erwartet Microsoft nun einen Umsatz von 11,5 bis 11,7 Milliarden US-Dollar, der Gewinn pro Aktie soll bei 30 Cents pro Aktie liegen. Für das gesamte Jahr sollen 49,5 bis 50,5 Milliarden US-Dollar Umsatz anfallen, beim Gewinn rechnet Microsoft mit 1,36 bis 1,41 US-Dollar pro Aktie. Die Prognosen für das Gesamtjahr liegen damit ein gutes Stück über denen, die der Konzern noch bei der Vorlage der Bilanzen für das zweite Geschäftsquartal abgab, allerdings hatten die Analysten vor allem beim Gewinn noch optimistischere Prognosen erwartet. So recht zufrieden war die Börse mit all dem, was Microsoft da vorlegte, nicht: Nachdem der Kurs der Microsoft-Aktie an der Nasdaq im regulären Handel noch leicht um 15 Cent auf 27,25 US-Dollar geklettert war, fiel der Kurs zu Beginn des nachbörslichen Handels direkt nach der Vorlage der Bilanzen doch zeitweise recht kräftig auf bis zu 25,54 US-Dollar.
Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.)
2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell