Microsoft legt erneut zu

Der Softwarekonzern kann trotz gedämpfter Erwartungen angesichts neuer Releases von Windows und Office, die noch auf sich warten lassen, wieder einen Rekordumsatz und gestiegene Gewinne ausweisen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Meinungen, wie gut Microsoft im zweiten Quartal seines Geschäftsjahrs 2006 abschneiden würde, waren geteilt: Nun kann Microsoft Gewinn und Umsatz wieder um einiges steigern. "Wir vertrauen weiter auf unsere Wachstumsaussichten", hatte Microsofts Chief Financial Officer Chris Liddell bereits Mitte Dezember erklärt und eine Dividenden-Erhöhung angekündigt. Anhaltende Querelen um die Kartellverfahren in den USA und Europa konnten die Zuversicht bislang nicht trüben, auch wenn sie Microsoft dazu veranlassten, vollmundig die Offenlegung des Quellcodes für Windows-Server zu verkünden – was aber eher zurückhaltende Reaktionen bei den Betroffenen auslöste.

Gedämpfte Erwartungen der Börse für das abgeschlossene zweite Quartal des Geschäftsjahres nach einem eher lauwarm aufgenommenen ersten Quartal des Geschäftsjahrs 2006 wurden allerdings eher damit begründet, dass die Veröffentlichung der neuen Versionen von Windows und Office noch Monate auf sich warten lassen wird. 20 Jahre Windows konnte Microsoft im vergangenen zweiten Quartal feiern – und das System sowie das Office-Paket sind immer noch zentrale Faktoren für Microsfts Geschäfte. Von den neuen Versionen wird daher auch ein heftiger Anschub für Microsofts Umsätze erwartet. Von der nach eigenen Aussagen angestrebten Marktführerschaft bei Spielkonsolen ist Microsoft dagegen noch einiges entfernt; und der etwas mühsame Start der neuen Generation Xbox 360 beflügelte das Vorhaben auch nicht unbedingt.

Nun hat Microsoft aber erst einmal kräftig zugelegt. Der Umsatz im zweiten Quartal stieg im Jahresvergleich um 9 Prozent auf 11,84 Milliarden US-Dollar, erneut ein Rekord in der Unternehmensgeschichte. Der Nettogewinn kletterte um 5 Prozent auf 3,65 Milliarden US-Dollar (34 US-Cent pro Aktie). Der Nettogewinn enthielt Steuergutschriften in Höhe von 108 Millionen US-Dollar (1 Cent pro Aktie). Microsoft selbst hatte einen Gewinn von 32 bis 33 Cents pro Aktie prognostiziert, die Börse 33 Cents je Aktie erwartet. Der Umsatz blieb leicht hinter den Erwartungen zurück; im Umfeld der Bilanzvorlage erklärten Microsoft-Manager, es habe Lieferengpässe bei Bauteilen für die Xbox 360 gegeben, die sich auch negativ auf die Umsätze ausgewirkt hätten.

Der operative Gewinn ging um 2 Prozent auf 4,66 Milliarden US-Dollar zurück, laut Microsoft vor allem wegen der Marketing- und Entwicklungsausgaben für die Einführung neuer Produkte: Die Kampagne zum Start Xbox dürfte einiges gekostet haben. Insgesamt aber zeigte sich Liddell erneut zufrieden, da die zentralen Geschäftsbereiche gut gewachsen seien. Dies sei besonders durch die Stärken in der Sparte Server and Tools und der Windows-Client-Abteilung gestützt worden. Auch der deferred revenue (bei Microsoft als unearned revenue geführt und im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten genannt) stieg von 3,354 Milliarden auf 3,670 Milliarden US-Dollar – er stellt für Microsoft ein wichtiges Indiz dar, wie das Geschäft mit Firmenkunden läuft und wie sich die Konkurrenz etwa aus dem Open-Source-Lager in diesem lukrativen Markt schlägt. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die bei Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise bei länger laufenden Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, auf Grund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.

In den Bilanzen (die noch nicht auf die geplante neue Konzernstruktur Bezug nehmen) weist die Sparte Client (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) einen Umsatzanstieg von 3,193 Milliarden auf 3,459 Milliarden US-Dollar aus. Der operative Gewinn dieses Bereichs kletterte leicht von 2,528 Milliarden auf 2,638 Milliarden US-Dollar. Information Worker, der für Office zuständige Bereich, erreichte einen Umsatzanstieg von 2,825 Milliarden auf 2,979 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn stieg hier von 2,065 Milliarden auf 2,101 Milliarden US-Dollar.

Stark zulegen konnte die Sparte Server and Tools (etwa Windows Server 2003, Exchange und Entwicklungswerkzeuge): Der Umsatz stieg von 2,542 Milliarden auf 2,907 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn von 947 Millionen auf 1,099 Milliarden US-Dollar. Business Solutions, der aus Navision und Great Plains gebildete Bereich für Unternehmenssoftware, der bislang nicht so recht voran kam, kam immerhin aus den roten Zahlen heraus: Bei einem von 207 Millionen auf 242 Millionen gestiegenen Umsatz kam nach einem Verlust von 17 Millionen US-Dollar im Vorjahresquartal nun ein Gewinn von 10 Millionen US-Dollar zu Stande. Ähnliche Fortschritte macht der Bereich Mobile and Embedded Devices: Der Umsatz stieg von 72 auf 101 Millionen US-Dollar, der operative Gewinn betrug 20 Millionen US-Dollar nach einem Verlust von 12 Millionen US-Dollar.

Nicht ganz so erfreut dürfte das Microsoft-Management über die Zahlen der Online-Sparte MSN sein, der ja in der Live- und Web-2.0-Strategie von Microsoft eine wichtige Rolle zukommt. Der Umsatz von MSN ging leicht zurück von 606 auf 593 Millionen US-Dollar, der Gewinn sank von 130 auf 58 Millionen US-Dollar. Und der Bereich Home and Entertainment, verantwortlich für die PC-Spiele und die Xbox, konnte zwar den Umsatz von 1,373 Milliarden auf 1,556 Milliarden US-Dollar steigern, rutschte aber – wohl vor allem durch die Kosten der Xbox-360-Einführung – in die rote Zahlen: Nach einem Gewinn von 55 Millionen US-Dollar im Vorjahresquartal kam nun ein Verlust von 293 Millionen US-Dollar zu Stande.

Für das kommende dritte Quartal erwartet Microsoft Umsätze zwischen 10,9 und 11,2 Milliarden US-Dollar, der Nettogewinn soll zwischen 32 und 33 US-Cent je Aktie liegen. Für das gesamte Jahr rechnet Microsoft mit einem Umsatz von 44 bis 44,5 Milliarden US-Dollar, der Nettogewinn soll 1,28 bis 1,31 US-Dollar betragen. Damit hob Microsoft seine Prognosen ganz leicht an. Die Börse zeigte sich sowohl mit den Bilanzen Microsofts als auch mit dem Ausblick erst einmal zufrieden: Nachdem im normalen Handel der Kurs der Aktie, die von den meisten Beobachtern angesichts der Microsoft-Bilanzen sowieso als unterbewertet angesehen wird, leicht um 0,38 Prozent auf 26,50 US-Dollar stieg, kletterte er in den ersten Stunden des nachbörslichen Handel nach Vorlage der Bilanzen auf über 27 US-Dollar.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)

Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.)
2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell