Künstlerbedarf

Photoshop ist das Maß der Dinge in der professionellen Bildbearbeitung. In der Preisklasse unter 100 Euro tummeln sich aber durchaus würdige Alternativen, die perfekt korrigierte Fotos ermöglichen und sich für daheim häufig besser eignen.

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Inhaltsverzeichnis

Es gibt kein Foto, aus dem man durch geschickte Eingriffe nicht mehr herausholen könnte, als die Kamera hineingesteckt hat. Kompaktkameras wenden unabhängig von der Situation Standardverfahren an: Ein bisschen Kontrast, ein bisschen Farbe, ein bisschen schärfen und am Ende komprimieren – fertig. So einfach ist es aber nicht. Ein Foto vom stimmungsvollen Sonnenuntergang braucht eine andere Behandlung als eines von der im Gasthaus angeblitzten Familie. Die Großaufnahme einer nagelneuen Präzisionsarmbanduhr wird man anders bearbeiten als das Bild vom Gebirgspanorama. Manchmal reicht Autokorrektur, in anderen Fällen muss man lange probieren und tricksen, bis das Ergebnis gefällt. Tonwertkorrektur, Gradationskurven und Kanalmixer sind Basiswerkzeuge zur Korrektur von Farbe und Helligkeit, die jede Bildbearbeitung mitbringen sollte. Auch für die Retusche, namentlich das Entfernen von Staub und Kratzern, die Korrektur roter Augen, stürzender Linien und Verzeichnungen sollte gesorgt sein. Web-Export und Druck in verschiedenen Größen gehört ebenfalls zum Wunschzettel. Wir haben sechs Programme herausgesucht, die für Heimanwender erschwinglich sind (also nicht wie Photoshop über 1000, sondern weniger als 100 Euro kosten) und alle eben genannten Aktionen ausführen können – wie gut, das zeigt sich auf den folgenden Seiten.

Zum Test gehören die kostenlose Open-Source-Software Gimp 2.6, aus dem Hause Corel die Programme Paint Shop Pro X2 und PhotoImpact X3, von der Computerinsel die Shareware PhotoLine 14.5, das aus England stammende PhotoPlus X2 von Serif sowie Adobe Photoshop Elements 7.

Digitalkameras machen mittlerweile das Meiste richtig; der Weißabgleich stimmt fast immer. Um bei künstlicher Beleuchtung den giftgrünen Schimmel formatfüllend in seiner ganzen Abscheulichkeit abzulichten, sollte man allerdings auf manuellen Weißabgleich umstellen, denn schwierige Farben bei schwierigem Licht überfordert die kleinen Dinger. Wer stumpf mit Auto-Einstellung draufgehalten hat, muss in der Bildbearbeitung nachbessern. Mit einer Schwarz-, Weiß- oder (am besten) einer Graupipette definiert man neutrale Bereiche, die keine Farbe enthalten sollen. Ein Klick auf ein Blatt Papier oder ein T-Shirt genügt, und schon ist der Farbstich verschwunden.

Mangelt es an solch einem praktischen Spezialwerkzeug, muss man mit dem Allzweckgerät ran, der Gradationskurve. Sie sollte sich als nichtdestruktive Einstellungsebene anwenden lassen. Nur so lassen sich Einstellungen korrigieren, ohne dass Bildinformationen verloren gehen. Stimmen außer Farbe auch Helligkeit und Belichtung nicht, landet man bei der Tonwertkorrektur. Mit ihr justiert man den hellsten und den dunkelsten Punkt des Bildes neu. Drängen sich alle Tonwerte in einem Drittel des Spektrums, lassen sie sich zugunsten des Kontrasts über den gesamten verfügbaren Bereich spreizen.

Hier lohnt es sich, auf Raw-Fotografie und 16 Bit Farbinformationen pro Kanal zu setzen, denn bei den JPEG-üblichen 8 Bit bleiben nach einer solchen Umverteilung von 256 zu wenig Tonwerte übrig. Die Bildbearbeitung muss Farbe und Licht im 16-Bit-Modus allerdings auch verarbeiten können, sonst lohnt der ganze Raw-Spaß nicht. Abgesehen von PhotoLine bieten nur wenige Programme 16-Bit-Dialoge. Mit UFRaw steht unter Gimp ein tauglicher Raw-Importer inklusive Tonwertkorrektur und Gradationskurven im 16-Bit-Modus zur Verfügung. Ansonsten kann nur Photoshop Elements mit Camera Raw glänzen.

Auch wenn Farbe und Licht stimmen, erfüllen Bilder häufig nicht die an sie gestellten Erwartungen. Damit die eigenen Fotos ebenso wenig Realität zeigen wie Fernsehzeitschriftenschönheiten, kann man sie von Staubkörnern, die Landschaft von Strommasten und das Porträt von Pickeln befreien. Vor einigen Jahren war der Kopierstempel dazu das Maß aller Dinge. Mit Photoshop 7 erfand Adobe die zeitsparende Reparaturpinsel-Variante, welche die Helligkeit des einkopierten Bildteils so anpasst, dass dieser perfekt mit der neuen Umgebung verschmilzt. Mittlerweile gehört ein solches Werkzeug in jedes gut sortierte Bildbearbeitungsprogramm.

Immer wieder bekommt man es mit rotgeblitzten Augen zu tun, die Photoshop Elements vollautomatisch beim Import in die mitinstallierte Bildverwaltung korrigiert; mit dem praktischen Halbautomaten von Photo-Plus genügt ein einfacher Klick in jedes Karnickelauge. Trapezförmige Verzerrungen in Architekturaufnahmen, die sogenannten stürzenden Linien, beseitigen PhotoLine und Paint Shop Pro besonders effizient: Sie überlagern ein Hilfstrapez, mit dem man schnell die jeweils senkrechten und waagerechten Linien im Bild definiert. Wer bloß die Kanten schärfen oder flächige Bereiche weichzeichnen möchte, benötigt spezielle Werkzeuge. Noch deutlich bessere Resultate erzielt, wer die Kanten mit Hilfe einer Konturenmaske freilegt oder schützt. Ein detailschonender Entrauschen-Filter sollte Farb- und Helligkeitsrauschen getrennt behandeln; in hartnäckigen Fällen hilft auch die gezielte Behandlung des störungsreichsten Bildkanals.

Auch ein gut retuschiertes Foto zeigt aber häufig nicht das, was man sehen will. Dem kann mit Ebenentechnik abgeholfen werden. Um fehlende Familienmitglieder zu ergänzen oder unliebsame zu entfernen, braucht man nur etwas Geduld, Geschick und gute Werkzeuge zum Freistellen. Auswahlrechteck, Kreis und Polygonwerkzeug bringen einen nicht weit. Ein gutes magnetisches Lasso kann bei kontrastreichen, klar definierten Kanten schon die halbe Miete sein. PhotoLine bringt von allen Programmen das beste mit. Photoshop Elements wirft das Schnellauswahlwerkzeug in die Waagschale, welches nach einfachem Aufmalen einer groben Maske automatisch Kontrastkanten erkennt. Bei geometrischen Objekten wie einem Fingerring oder einem Auto ist ein Pfadwerkzeug mit Bezierkurven präziser. Alle getesteten Programme enthalten eines, nur Adobe enthält es seinen Nutzern vor, damit diese nicht auf den Gedanken kommen, Photoshop Elements als Ersatz für Photoshop zu verwenden.

Ebenenmasken helfen, Auswahlen realistischer erscheinen zu lassen, indem man Kanten weichzeichnet und Details nachbearbeitet. Wiederum erschwert lediglich Elements das Erstellen solcher Masken. Die Effektpaletten der Programme enthalten Kurioses und Wundersames, allerdings abgesehen von Weich- und Scharfzeichner selten Brauchbares. PhotoImpact punktet mit naturalistischen Partikeln für allerlei Wettertreiben. Photoshop Elements und Photo-Plus enthalten taugliche künstlerische Filter. Fertigeffekte bei Gimp, PhotoLine und Paint Shop Pro wirken häufig lediglich kreativ benannt.

Bei der Ausgabe zählt ein tauglicher Web-Export, der eine Kontrolle von Qualität und JPEG-Kompression bietet, also die Zielgröße der Datei angibt und gleichzeitig eine großzügige Vorschau anbietet. PhotoLine erlaubt mit drei Fenstern das Vergleichen zweier unterschiedlich komprimierter Varianten. Beim Druck möchte man die Kontrolle über die Ausgabegröße behalten. Um Fotopapier zu sparen, sollte man außerdem mehrere Bilder auf einer Seite ausdrucken können. Auch der Export von kompletten Repräsentationen einer Fotostory, beispielsweise als Webseite oder Diashow, sollte zum Repertoire gehören. Wünschenswert beim Export von Webgalerien sind sowohl ansprechende, edle Vorlagen als auch die Option, eine Bildergalerie in reinem HTML ohne Flash, ohne JavaScript und ohne ausufernde Codewucherungen zu erstellen.

Ersteres bietet Photoshop Elements, letzteres Photo-Impact oder PhotoLine. Egal was man vorhat: Bildbearbeitung macht keinen Spaß, wenn man auf das Ergebnis jeder Aktion ständig warten muss. Gimp und PhotoPlus arbeiten deutlich langsamer als Paint Shop Pro. Die Geschwindigkeit aller vier ist aber nicht vergleichbar mit dem flüssigen Arbeitstempo von Photoshop Elements oder PhotoLine. PhotoPlus stürzte beim Gaußschen Weichzeichner wiederholt ab. Das Schlusslicht bildet PhotoImpact. Zwar beeilt sich das Programm, keine Balken mehr zu zeigen, die Festplatte rattert aber unaufhörlich, das Aufrufen von Dialogen dauerte teilweise bis zu 20 Sekunden.

Geschwindigkeit beim Bearbeiten großer Dateien
48-MPixel-Bild Gimp 2.6 Paint Shop Pro X2 PhotoImpact X3 PhotoLine 15 PhotoPlus X2 Photoshop Elements 7
Öffnen 9,8 [s] 20,4 [s] 8,0 [s] 7,8 [s] 9,7 [s] 12,1 [s]
Interpolieren 23,4 [s] 7,2 [s] 3,5 [s] 4,1 [s] 47,2 [s] 2,0 [s]
Weichzeichnen 42,2 [s] 18,0 [s] 30,5 [s] 8,5 [s] nicht verfügbar1 4,1 [s]
Schärfen (USM) 119,6 [s] 18,3 [s] 87,3 [s] 11,2 [s] 17,8 [s] 18,8 [s]
Speichern 25,8 [s] 6,9 [s] 21,2 [s] 2,8 [s] 8,3 [s] 6,7 [s]
Die Programme mussten eine 8000 × 6000 Pixel große TIFF-Datei (140 MByte) öffnen, auf 3750 × 2812 Pixel interpolieren, mit einem Radius von 5 Pixeln weichzeichnen, mit demselben Radius unscharf maskieren und als TIFF speichern. Testsystem: P4 3,4 GHz, 1 GByte RAM, Windows Vista
1Im Test stürzte PhotoPlus bei dieser Aufgabe wiederholt ab.