Audis tron-Strategie

Wo bleibt der Tesla-Fighter?

Dankenswerterweise hat Elon Musk im aktuellen SPIEGEL ein Interview gegeben, dass von einer deutschen Pressestelle wohl niemals freigegeben worden wäre. Er lehnt in Bausch und Bogen ab, was Audi macht. Doch was hat Audi im Bereich alternative Antriebe wirklich vor?

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Audi, alternative Antriebe 12 Bilder
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  • Christoph M. Schwarzer
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Ingolstadt / Palo Alto (CA), 28. November 2014 – „Brennstoffzellen sind lächerlich“, oder auf Englisch, „fuel cells are fool cells“. So pointiert sagt es Elon Musk, Chef von Tesla Motors, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Wasserstoff, so fährt er fort, wäre „eine schreckliche Wahl“, denn er sei hochentzündlich, und bei einem Leck sammele sich das Gas unter den Garagendecke. „Dann steckt sich jemand eine Zigarette an, und alles explodiert.“ Diese abwertenden und Angst machenden Formulierungen gab Musk als Antwort auf eine Frage im Zusammenhang mit dem Toyota Mirai. Aus Sicht vieler deutscher Kunden und Autoenthusiasten wird ein Konkurrent zum Tesla Model S aber zuerst von Audi erwartet. Immer wieder geistert der Begriff des Tesla-Fighters durch Foren und Presse. Und was fehlt der kalifornischen Limousine mit bis zu 515 kW (700 PS) Leistung mehr als ein echter Gegner? Ein Blick auf Audis tron-Strategie zeigt, dass sich die Marke, die einst durch Quattro, Vollverzinkung, TDI und A2 3L punktete, nur mühsam von der Ankündigung zur Wirklichkeit emanzipiert.

Jüngster Spross ist der A7 h-tron Quattro. Formal wäre der Sportback durchaus geeignet, dem Model S Paroli zu bieten. Als fünftürige Schräghecklimousine mit einer, sorry, liebe Mirai-Freunde, klaren Designsprache, wäre der Audi auch ohne Frunk (Abkürzung für front trunk, dem vorderen Kofferraum im Tesla) ein würdiger Wettbewerber. Zwar bietet die Studie zunächst lediglich 170 kW (231 PS) Leistung, ist aber mit der Kombination aus Batterie (8,8 kWh) und Brennstoffzelle ein technologisch interessantes und alternatives Konzept.

Wasserstofftanks sind dicht

Auf Anfrage von heise/Autos nimmt Audi Stellung zu Musks Äußerungen im Spiegel: „Die für Brennstoffzellenfahrzeuge verwendeten Wasserstoff-Drucktanks und die eingesetzten Ventile sind so dicht, dass darin gelagerter Wasserstoff mehrere Jahre gelagert werden könnte“, heißt es wörtlich. Und weiter: „Die Leckage liegt bei nur einem Fünftel von üblichen Benzin-(!)Tanks.“ Ein entzündliches Gemisch in einer Garage sei nicht zu erwarten.

Fachkreise weisen zudem darauf hin, dass die Gefahr eine Detonation, also umgangssprachlich einer Explosion, bei austretendem Wasserstoff quasi ausgeschlossen sei, und selbst für eine Deflagration, also ein Feuer, habe sich das Gas meistens zu schnell verflüchtigt, um eine dafür notwendige Mindestkonzentration zu erreichen.

Ach, wie wäre es schön, wenn nicht nur am theoretischen, sondern am lebenspraktischen Stammtisch polemisiert werden könnte! Auf der einen Seite die Tesla-Jünger, stolz auf ihren Luxus-Stromer mit eigenem Supercharger-Netz, bereit zum Showdown auf dem Drag Strip. Auf der anderen Seite die Audi-Treiber, welche die Tesla-Besitzer mit der geringen Dauerleistung des Model S von 69 kW und den relativ langen Ladezeiten – für die Vollladung am Supercharger gibt Tesla 75 Minuten an – provozieren könnten. Während aber jeder Wohlhabende sofort ein Tesla Model S bestellen kann und dann auch bekommt, wird man auf den A7 h-tron quattro vergebens warten.

R8 e-tron ab 2015 zu kaufen

Anders sieht das beim R8 e-tron aus, den eine Horde Journalisten im Frühjahr 2013 übers Tempelhofer Flugfeld in Berlin prügeln konnte. e-tron steht bei Audi sowohl für Batterie-elektrische Autos als auch für Plug-In-Hybride; eine ungenaue Nomenklatur, die nicht glücklicher wird, wenn man étron im Französischwörterbuch nachschlägt und dort dann „Kothaufen“ liest. Der elektrische R8 hat dennoch begeistert, denn er war weit mehr als ein umgebauter R8 V10: Vorder- und Hinterwagen waren komplett neu aus CFK konstruiert. Die Batterie wurde aufwendig klimatisiert. Und überhaupt hat Audi alles in die Prototypen eingebaut, was Entwicklern gut und teuer war.

Die Ingenieure allerdings standen mit in der Tasche geballter Faust da, denn sie wussten, dass Wolfgang Dürheimer, zu der Zeit Technik-Vorstand, das Projekt gestoppt hatte. Dürheimer war wenige Wochen später Geschichte, und seitdem Ulrich Hackenberg das Ruder führt, stimmt der Kurs wieder: 2015 kommt der Audi R8 e-tron auf den Markt, wie das Unternehmen nochmals bestätigt hat.

Darüber hinaus ist mit dem A3 e-tron der erste Audi mit Ladestecker überhaupt käuflich. Der Bruder des Volkswagen Golf GTE wird massiv beworben. Elon Musk wiederum teilt die Genugtuung über Plug-In-Konzepte, die von etlichen Firmen propagiert werden, nicht im geringsten: „Sie haben zwei Antriebseinheiten, zwei Energiespeicher und eine Menge komplexer Verbindungen zwischen beiden Systemen. Das ist wie ein Amphibienfahrzeug, nicht ideal im Wasser und nicht ideal an Land.“

Der Vollständigkeit halber muss in Audis tron-Strategie noch der g-tron erwähnt werden. Dieser A3 kann Erdgas oder Benzin tanken. In Ingolstadt wird man nicht müde, die Möglichkeit von Power-to-Gas, also der Umwandlung von möglichst grünem Strom zu Methan im Sabatier-Prozess, zu loben. Und tatsächlich kann es nicht oft genug gesagt werden: Unter den Verbrennungsmotoren produziert keiner so wenig schädliche Abgase wie einer, der mit Erdgas betrieben wird.

Nicht nur der Tesla-Fighter fehlt

Zurück zur Ausgangsfrage: Wo bleibt der Tesla-Fighter? Offiziell kommentiert Audi Gerüchte zu weiteren Batterie-elektrischen Autos neben dem R8 e-tron für die nahe Zukunft nicht. Man sei aber „schon immer für Überraschungen gut“, heißt es aus der Pressestelle. Internationale Automagazine und Blogs gehen einen Schritt weiter: Spätestens 2017 soll ein familientaugliches, Batterie-elektrisches Auto mit 300 Meilen (gut 480 Kilometer) Reichweite im Showroom stehen.

Wenn der in einer ähnlichen Preisliga spielt wie Teslas Model S, wird er für viele Kunden kaum erschwinglich sein. Für die Elektrifizierung breiterer Käuferschichten wäre es darum sinnvoller, wenn Audi die Studie Urban Concept in die Serie umsetzen würde. Wo bitte bleibt der Renault Twizy-Fighter?