Aufgedröselt: ICCT-Studie zu Abgastoten

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Das Publikum der Studie sind weniger einzelne Bürger als vielmehr Leute, die Politik gestalten. Für sie enthält das Paper am Ende einige Empfehlungen: Luftreinhaltegesetze nach internationalen Standards verwenden und umsetzen. Sich nicht über die Maßen anderswo wegen Abgastechnik veraltete Technik andrehen lassen, sofern Alternativen existieren. Weiterhin die Schätzungen für die Kosten von Abgasen auch aus dem Transportsektor schätzen (aber nicht nur). All sowas.

Schwierigkeiten

Sie haben schon gesehen, wie häufig ich den Begriff der „Schätzung“ verwende. Das tue ich nicht, um die Studie zu verunglimpfen, sondern ich folge direkt der darin verwendeten Formulierung (“estimates“). Die Autoren wissen, dass sie für ihre Berechnungen Vorannahmen treffen, die mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind: „Der wahre Wert der Emissionen des Transportwesens ist höchstgradig ungewiss“, schreiben sie dazu, damit niemand sie (unabsichtlich) falsch verstehe. Die Fehlerspannen einiger Grundannahmen liegen bei bis zu +-300 % und können für von ihnen abhängige Berechnungsmodelle daher in einzelnen Punkten um mehr als eine Größenordnung schwanken.

Sind die Ergebnisse daher wertlos?

Das sehe ich nicht so. Die Wissenschaft nähert sich unbekannten Werten der realen Welt meistens iterativ. Sie achtet dabei (wie in diesem Fall geschehen) darauf, wo die größten Fehlerquellen liegen. Deshalb kommen dabei meistens Dinge heraus, die schrittweise besser und irgendwann recht gut werden.

Erinnern wir uns noch einmal an das Zigarettenrauchen. Da gab es zuerst auch nur Vermutungen aus verdächtigen Korrelationen. Die PR-Abteilungen der Tabakindustrie fochten solche Studien daher jahrzehntelang vehement an. Die Stoßrichtung der Studien stellte sich jedoch letztendlich als richtig heraus. Wir wissen heute nicht nur, dass Rauchen das Krebsrisiko erheblich erhöht, sondern auch warum und wie und die Höhe dieses Risikos: Rauchen ist in etwa so gefährlich wie die von Laien meistens massiv unterschätzte Fettleibigkeit, um zwei komplexe Themen auf eine anwendbare Faustformel einzudampfen.

Dennoch sollten wir die Fehler genausowenig außer Acht lassen wie ihre jeweiligen Ursachen – vor allem bei den Ergebnissen, bei denen Deutschland so negativ heraussticht. Zu diesen Fehlerursachen gehört in der ICCT-Studie beispielsweise eine hohe Rate an Erkrankungen, die auch, aber eben nicht ausschließlich mit Luftschadstoffen assoziiert werden. Deutsche Bürger ernähren sich zum Beispiel bemerkenswert ungesund im weltweiten Vergleich. Gleichzeitig bewegen sie sich viel zu wenig, vor allem draußen (drinnen ist die Luftqualität immer schlechter).

Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Kurzatmigkeit und verschiedene Krebssorten haben nicht nur Luftschadstoffe als beitragende Faktoren, sondern hauptsächlich deutlich stärkere aus dem deutschen Lebenswandel mit viel Hack und wenig Bewegung. Diesen Komplex anhand einiger einfacher mathematischer Annahmen auseinanderzudröseln, führt zwangsläufig zu Ungenauigkeiten. Allerdings glaube ich bei einem Einfluss der untersuchten Verkehrsabgase auf 1,4 Prozent aller Todesfälle der BRD wie das ICCT, dass die Fehler eher zu zu niedrigen Annahmen führten als zu zu hohen. (cgl)