Der temperamentvolle Lada Granta bietet Ecken und Kanten

Billigflieger

Zwei Wochen im Lada Granta ist fast so etwas wie eine Zeitreise. Der temperamentvolle Russe zeigte einige Kanten, die heute nicht mehr viele Autos zu bieten haben. Am Ende steht die Frage, ob er preiswert oder doch nur billig ist

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Von
  • Martin Franz
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München, 23. Oktober 2013 – Lada galt in der DDR als Premiummarke. Trotz hoher Preise und langen Wartezeiten waren die Autos sehr begehrt. Nach der Wende ging es abwärts, denn gegen die westliche Konkurrenz konnte Lada nur mit günstigen Preisen bestehen. Inzwischen spielt die Marke auf den deutschen Markt nur noch eine sehr kleine Rolle, erst kürzlich wurde der Verkauf des Dauerläufers 2107 eingestellt. Der Bestseller im Programm dürfte der rustikale Niva sein, der seit kurzem Taiga heißt. Der Lada Granta, der in Zusammenarbeit mit Renault/Nissan entstand, wird seit 2011 produziert, kam aber erst in diesem Jahr auf den deutschen Markt. Wir waren 14 Tage mit ihm unterwegs.

Keine Fragen

Der Volksmund sagt, für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Wenn das tatsächlich stimmen würde, hätte der Lada Granta schon ganz am Anfang verloren. Es ist dunkel, kalt, es regnet, und die hakeligen Türschlösser in Verbund mit dem kleinen Schlüssel verzögern den Einstieg um ein paar unwillkommene Momente. Eine Fernbedienung gibt es selbstredend nicht. Mit etwas Gefummel klappt es schließlich. Die Tür fällt ins Schloss, damit erlischt augenblicklich auch das Licht. Zum Glück ist im Granta alles genau dort, wo auch ein Lada-Neuling es erwartet. Egal ob Licht, Lüftung, Scheibenwischer: Wer für dieses Auto eine Anleitung braucht, hat vermutlich auch Schwierigkeiten mit dem Öffnungsmechanismus eines normalen Kühlschranks. Der Blinker klingt allerdings derart aufdringlich-synthetisch, dass man schnell dazu übergeht, ihn möglichst sparsam einzusetzen.

Raum für Verbesserungen

Der Innenraum ist natürlich nichts für Fans gehobenen Ambientes, was in dieser Klasse kein Vorwurf ist. Alles ist mit Hartplastik ausgeschlagen, selbst in den Türverkleidungen findet sich kein Fetzen Stoff – nun gut, das war im bis 2010 gebauten Ford Focus meist auch so. Doch die Verarbeitung lässt verschwenderisch viel Raum für Verbesserungen. Die wackelige Handbremse hat zwar einen langen Hebelweg, blockiert aber schon auf dem dritten Zahn. Ihr Hebel selbst ist unten mit etwas Kunststoff verkleidet, der mit Schrauben im Bodenblech fixiert ist.

Das Lenkrad besteht aus glattem Plastik und fasst sich ähnlich angenehm an wie Leberwurstpelle, seine Nabe schleift sporadisch an der Lenksäulenverkleidung. Die offensichtlich nachträglich eingebauten Boxen von Blaupunkt sind kleiner als der dafür vorgesehene Platz. Im Testwagen waren sie zudem schief montiert. Auch bei den Teppichen wurde gespart: Auf dem Radhaus links neben dem Kupplungspedal, wo viele gern den Fuß ablegen, zeigte der Teppich schon erste Falten – bei einem Kilometerstand von knapp 6000 wohlgemerkt. Insgesamt unterbietet der Lada alle von uns gefahrenen Dacia um ein gutes Stück, was die Verarbeitung betrifft.