Eine neue Technik soll der elektromechanischen Bremse zum Durchbruch verhelfen

Die elektromechanische Bremse "VE Brake"

Elektromechanische Bremsen konnten sich in Pkw bisher kaum etablieren, schon gar nicht an den Vorderrädern. Eine Kernfrage ist, wie der Energiebedarf minimiert werden kann, um das Bordnetz zu entlasten

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  • ggo
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Hannover, 22. Juli 2010 – Drive-by-Wire steht dafür, mechanische und hydraulische Kraftübertragungen im Fahrzeug durch eine elektromechanische Lösung zu ersetzen. Wirklich umgesetzt ist bei Autos eigentlich nur das E-Gas, wie es landläufig bezeichnet wird. Moderne Motoren würden es auch alleine wegen der heutigen Emissionsvorschriften kaum mehr zulassen, dass der Mensch "per Seilzug" selber Gas gibt.

Kritischer sind die Anwendungen Steer-by-Wire und Brake-by-Wire: Die Vorstellung, dass die Lenkung keine physische Lenksäule mehr hat oder die Bremse ohne Hydraulik rein elektrisch betätigt wird, sorgt nicht nur bei Laien für ein mulmiges Gefühl. Dabei ist der Nutzen unumstritten – etwa weil weniger Bauteile nötig sind oder By-Wire-Komponenten sich besser mit elektronischen Regelsystemen im Auto verknüpfen lassen.

Frei von Hydraulik

Die Wiener Forschungs- und Entwicklungsfirma Vienna Engineering unternimmt jetzt einen neuen Anlauf, eine elektromechanische Bremse im Markt zu etablieren. Eine physische Kopplung zwischen Bremspedal und Bremsen gibt es dabei natürlich nicht, die Bremsbeläge werden über einen Elektromotor und eine neuartige Betätigungskinematik an die Bremsscheibe gepresst – das Bremspedal fungiert nur noch als elektronischer Befehlsgeber.

Fast jeder, der sich ein wenig mit elektromechanisch betätigten Bremsen (EMB) befasst hat, dürfte sich nun fragen, wie groß die Erfolgschancen sind, nachdem sich zum Beispiel das Konzept der Keilbremse bisher nicht durchsetzen konnte. Bei ihr sorgt ein Reibkeil für eine Selbstverstärkung, was den Energieaufwand für die Bremsbetätigung minimiert. Eben dieses Keilprinzip kann aber möglicherweise zum Problem werden, weil bei einem Ausfall der Bremse sichergestellt sein muss, dass sich der Keil eben nicht verkeilt.

Bei Ausfall offen

Es mag paradox klingen, doch bei einem Bremsausfall ist gefordert, dass sich die Bremse öffnet, nicht etwa schließt, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Bei einem Fahrzeug mit vier elektromechanischen Bremsen bleiben auch bei Ausfall einer Bremse immer noch drei übrig, um das Auto kontrolliert und der Verkehrssituation angemessen zu stoppen. Interessanterweise kommen übrigens Bremsungen an der physikalisch möglichen Grenze im Alltag so gut wie nie vor, sodass selbst bei Ausfall einer Vorderradbremse eine wirksame Verzögerung möglich ist, heutige Stabilitätssysteme halten den Wagen dennoch in der Spur.