Der Toyota FCV könnte das Wesen des Autos in eine neue Zeit überführen

Elektroauto ohne Fesseln

Die Vorteile einer Brennstoffzelle im Vergleich zum Batteriespeicher in einem Elektroauto liegen auf der Hand: Es lässt sich in drei Minuten volltanken und fährt dann über 500 Kilometer. Den Einwand, diese Technologie sei zu teuer, versucht Toyota nun zu relativieren

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  • Christoph M. Schwarzer
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Hamburg, 3. März 2014 – „Convenience“ bedeutet Komfort, Einfachheit und Zweckmäßigkeit. Auch Kundenfreundlichkeit und Bequemlichkeit sind als Übersetzung korrekt. Der Projektleiter der Brennstoffzellenentwicklung bei Toyota, Katsuhiko Hirose, sieht in dieser Begriffssammlung die entscheidenden Stärken des Wasserstoffautos vereint. Zurzeit testet der Japaner, der als einer der Väter des Hybridantriebs gilt, die Tankstelleninfrastruktur in Deutschland.

Dabei kommt ein mit wilden Folien getarntes Fahrzeug zum Einsatz, das die Technik des 2015 kommenden Serienautos trägt und von der Form verdächtig an den Lexus HS erinnert. Auf dem Genfer Autosalon (6. Bis 16. März) zeigt Toyota den FCV Concept, der optisch dicht am tatsächlichen Produkt sein soll: Eine 4,87 Meter lange Limousine in schimmerndem Hellblau.

Die Vorteile eines Elektroautos mit wasserstoffbetriebener Brennstoffzelle als Stromlieferanten liegen im Vergleich zum Batteriespeicher auf der Hand: Es lässt sich in drei Minuten volltanken und fährt dann, so viel verspricht Toyota für den japanischen Messzyklus, weit über 500 Kilometer. Komfort und Kraft des Stromantriebs verbunden mit der Alltagstauglichkeit und der Flexibilität eines Verbrennungsmotors – das ist Convenience. Die Diskussion dreht sich in Deutschland beim Thema Brennstoffzelle aber meistens darum, dass die Technik zu teuer und darum niemals massenmarktfähig ist. Diesen Fragen, die von den auf einem Seminar in Hamburg anwesenden Journalisten ohne Unterlass gestellt wurden, stellten sich Katsuhiko Hirose und das Toyota-Team mit Geduld und permanenter Freundlichkeit. Und bei den Antworten wurde, der japanischen Kommunikationskultur entsprechend, grundsätzlich tief gestapelt.

Toyota plant langfristig

So glaubt Toyota keineswegs daran, ab 2015 einen plötzlichen Durchbruch erreichen zu können. Vielmehr stellt man sich eine Perspektive ähnlich der beim Hybridantrieb vor: Vom ersten Prius, den Hirose freimütig als „ugly“, also hässlich, bezeichnet, wurden 1997 nur 332 Stück verkauft. Fünf Jahre später waren es weltweit 41.337, und weitere fünf Jahre später 429.415. Als Lehre aus diesem schrittweisen Markthochlauf spricht Toyota von einer „flächendeckenden Nutzung“ des Fuel Cell Vehicles erst ab dem Jahr 2020.

Der Zusammenhang zwischen dem über sechs Millionen mal verkauften Hybridantrieb und dem Brennstoffzellenauto FCV ist so wichtig, weil wesentliche Komponenten erprobt sowie kostengünstig sind und darum direkt übernommen werden. Vereinfacht gesagt werden die nächste Generation des Prius und der FCV beim Antriebsstrang viele Gleichteile haben: Die Leistungselektronik mit Wechsel- und Gleichrichter (Toyota: „Inverter-Konverter-Einheit“), der eigentliche Motor („E-Motor/Generator“) sowie die Pufferbatterie für die Bremsenergierückgewinnung dürften identisch oder ähnlich sein. Und ja, es ist wahrscheinlich wieder die bewährte Nickel-Metallhydrid-Batterie und kein Lithium-Akku.

Toyota fährt gewissermaßen die Ernte der Hybridstrategie ein. Selbst die Nebenaggregate sind seit langem elektrifiziert. Neu am FCV sind lediglich die eigentliche Brennstoffzelle sowie die Drucktanks. Die Entwickler sind stolz darauf, den Stack auf rund 33 Liter Volumen so weit verkleinert zu haben, dass er unter die Sitze passt. Eine der Ursachen für die Schrumpfung ist ein so genannter Verstärker, den Leistungselektroniker als Hochsetzsteller oder Boost-Converter bezeichnen würden – der eigentliche Nutzen dieses Verstärkers ist aber nicht der geringere Platzbedarf, sondern der in der Folge kleinere Materialeinsatz in der Brennstoffzelle mit Polymer-Elektrolyt. Sie leistet „über“ 100 kW (136 PS). Präzisere Zahlen veröffentlicht Toyota noch nicht.

Der Skaleneffekt fehlt

Das gleiche gilt für den Platinbedarf. Exakte Werte verrät man nicht. Katsuhiko Hirose gibt dagegen das Ziel bekannt, in Zukunft nicht mehr als für die Abgasreinigung eines modernen Diesels zu verwenden, was gut zehn Gramm entsprechen würde. Und Ziel bedeutet: Da sind wir noch nicht. Fachkreise gehen davon aus, dass zurzeit noch etwa vier bis fünf Mal so viel Platin verwendet wird – und machen gleichzeitig klar, dass dieser Faktor in der Diskussion maßlos überschätzt wird. Was wirklich fehlt, ist der Skaleneffekt der Massenproduktion.

Toyota verspricht die Kaltstartfähigkeit ab minus 30 Grad und eine sichere Funktion bis ins heiße Death Valley. Um die Kosten zu senken, wurde unter anderem der Feuchtigkeitshaushalt der Membrane des Stacks optimiert. Das anfallende Prozesswasser zirkuliert, wodurch ein zusätzlicher Befeuchter überflüssig wurde: wieder ein Bauteil gespart. Der Gesamtwirkungsgrad der Brennstoffzelle sei inzwischen von 59 auf 65 Prozent gestiegen, heißt es.

Die nächste teure Komponente beim FCV ist der Tank. Inzwischen sind noch zwei statt vorher vier Druckflaschen verbaut, die im Wesentlichen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehen. Ähnlich wie bei Erdgas wird mit hohem Druck (bis zu 700 bar) gearbeitet und nicht mehr wie vor 20 Jahren mit Tiefkühlung, die durch immerwährende Selbstentleerung („Boil-off“) negativ auffiel. Wie viel Wasserstoff hinein passt, sagt Toyota nicht, angesichts der Reichweite darf aber von gut vier Kilogramm ausgegangen werden. Und während es beim Stromtanken für batterieelektrische Autos ein Chaos unterschiedlicher Stecker- und Ladesysteme gibt, ist für Brennstoffzellenautos schon heute ein weltweiter, einheitlicher Standard vorhanden.

BMW und Mercedes mit Brennstoffzellenantrieb

Hoffnung auf eine Kostensenkung beim Tank könnte durch die Kooperation mit anderen Herstellern aufkeimen. Warum nicht? Kein Kunde käme bei einem Auto mit Verbrennungsmotor auf die Idee danach zu fragen, ob der Benzintank in einem Dacia Sandero und einer Mercedes S-Klasse vom gleichen Zulieferer kommt. Ein Blick auf die Allianzen beim Wasserstoffauto eröffnet Perspektiven: Daimler arbeitet mit Nissan-Renault sowie Ford zusammen und will 2017 das ursprünglich für 2014 angekündigte Auto bringen. BMW kooperiert mit Toyota und verwendet neuerdings in vielen Pressemeldungen das Wort „Brennstoffzelle“. Hyundai produziert zurzeit 1000 Autos des iX35 FCEV und stellt in Genf die Studie Intrado vor. Honda kommt 2015, und General Motors steht ebenfalls in den Startlöchern.

Nur beim Volkswagen-Konzern redet man mehr oder weniger offen davon, dass die Technik sinnlos sei, selbst wenn die Wolfsburger immer wieder Forschungsfahrzeuge bauen. Ähnlich wie Elon Musk von Tesla Motors („Fuel cells are bullshit“) hält man wenig von diesem Ansatz und setzt stattdessen auf eine Revolution bei den Batterien. Aus Sicht von Chemikern ist der Unterschied zwischen Akkus auf der einen und der Brennstoffzelle auf der anderen Seite ohnehin gering. Es ist nicht lange her, da wurde Letztere noch als Wasserstoff-Luft-Batterie bezeichnet, und in der Tat ist eine Brennstoffzelle nichts anderes als ein offenes Batteriesystem, bei dem der Speicher (=Drucktank) von der Energieumwandlungseinheit (=Stack) getrennt ist.

Zurück zu Toyota: Beim Blick auf das Portfolio des größten Autoherstellers der Welt fällt auf, dass sich kein batterieelektrisches Fahrzeug im Angebot befindet. Vollhybride ja, Plug-In-Hybride ja, Brennstoffzellenauto in Kürze. Batterieelektrisch? Nur in Prototypen von Kleinstfahrzeugen wie dem i-Road, nicht aber im Verkaufsraum. Am Kabel zu hängen ist nicht convenient genug.

Was bedeutet „unter 80.000 Euro“?

Der Marktstart des FCV in etwa eineinhalb Jahren soll in den USA, Japan und Europa erfolgen. Ob Deutschland von Beginn an dabei ist, hängt vom Aufbau der Infrastruktur ab. Hier leistet die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) eine unauffällige und konsequente Aufbauarbeit. Für ein flächendeckendes Tankstellennetz mit 2000 Zapfsäulen wären ein bis drei Milliarden Euro fällig. Eine Summe, die über mehrere Jahre verteilt im Energiesektor lächerlich gering ist – pro Jahr werden rund 70 Milliarden Euro in Form von Benzin und Diesel verbrannt, und mehr als die Hälfte davon geht in die Staatskasse.

Toyota eröffnet mit dem FCV die Möglichkeit, das Wesen des Autos an sich in eine neue Zeit zu überführen. Elektrisch fahren ohne das Gefühl, ständig an die nächste Stromsäule denken zu müssen. Denn wie weit auch immer sich die Batterie verbessern wird, an der Ladezeit führt kein Weg vorbei. Und diese Zwangspause werden vor allem Berufsfahrer nicht akzeptieren, wenn es eine bessere Möglichkeit gibt. Was der FCV kosten wird, sagt Toyota nicht. Nur, dass es weniger als 80.000 Euro sein sollen. 59.900 Euro zum Beispiel.