Fahrbericht Peugeot 3008 Puretech 130

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Während in den vergangenen zwanzig Jahren immer mehr Autokäufer zu SUV für ihre individuellen Mobilitätsaufgaben von Autobahn bis Großstadtverkehr gefunden haben, setzte sich die Erkenntnis durch, dass man dafür eigentlich gar keinen Allradantrieb benötigt. So wurde aus dem Stadtgeländewagen der Stattgeländewagen – oder umgekehrt. Meist mit Kleinwagen-Platzverhältnissen bei Van-Dimensionen. Auch der Peugeot 3008 ist so ein Frontantriebs-SUV mit mächtigen Rädern – aber doch keins wie die anderen. Bei der Lackierung des Testwagens in Pyritbeige-Metallic (590 Euro) in Verbindung mit dem Löwen auf dem Grill musste ich daher zwar an „Katzengold“ denken. Das so stehenzulassen wäre aber bösartig – mehr Mogelpackung als die anderen SUV ist der 3008 schließlich auch nicht.

Das Äußere folgt nun dem SUV-Stil mit eigenen Akzenten um die Scheinwerfer herum. Damit wirkt der 3008 nun nicht mehr so vanhaft wie sein Vorgänger. Eiserne Pflicht für solche Fahrzeuge ist das Chromplastikteil an der vorderen Unterkante als Verweis auf einen nie vorhandenen Unterschutz. Ebenfalls keinen technisch erklärbaren Grund gibt es für die auffällig großen Räder. Serienmäßig messen sie 17, beim Testwagen 19 Zoll. Mit 235/50er „Slimline”-Reifen und dem optischem Zusatzeffekt durch schwarze Radläufe schwellen sie um gefühlte weitere zwei Zoll an.

Zu diesen im Segment völlig erwartbaren optischen Eigenschaften steht das Interieur in fast schon spannendem Kontrast: Ein tief gegliedertes Armaturenbrett mit heimtextilartigen Einsätzen in seinen Klüften und Verschneidungen, Metallakzenten und das Stoff-Thema wiederholenden Sitzbezügen erinnert an den coolen reduziert-architektonischen Citroën-Chic der 60er – oder eines BMW i3.

Doppelreihige Knopfleiste

Ein Konzept steckt auch dahinter: Peugeot reduziert die Bedienelemente auf eine einzige doppelreihige Knopfleiste unter dem zentralen 12,3-Zoll-Berührungsbildschirm. Die obere Reihe bietet die Möglichkeit, Menüs aufzurufen, in denen man dann per Fingertipp weiternavigiert. So holt man sich auf Knopfdruck beispielsweise die gesamte Heizungssteuerung auf einen Bildschirm – konsequenterweise gibt es gar keine physischen Bedienelemente mehr. Mit der unteren Reihe kann man wenige Funktionen wie Sitz- oder Scheibenheizung sowie die Lautstärke direkt betätigen. Das ist in sich stringent, lebt aber zwangsweise mit den ungelösten Problemfeldern „Blickabwendung“ und „Bedienfeld-Trefferquote“. Für uns stellen blind bediensichere Knöpfe und Schalter für grundlegende Funktionen selbst so gut reagierende Berührungsbildschirme wie den im 3008 infrage.

Peugeot hat nun auch im 3008 die Anzeigen über dem Lenkradkranz positioniert und das Lenkrad etwas niedriger angeordnet. Wunderte man sich bisher über unten abgeflachte Volants in SUV (und anderen Autos), erklärt sich das im 3008 durch die Gesamtanordnung so zwanglos wie seine obere Abflachung. Das Oval tut der Ergonomie beim Lenken keinen Abbruch, nützt aber beim Blick auf die Anzeigen. Nach ein paar Kilometern beginnt man sich zu fragen, warum nicht schon früher ein Großserienhersteller darauf gekommen ist.

Enttäuschter Spieltrieb

Das finden wir gut – ebenso wie die Idee mit dem konfigurierbaren „I-Cockpit“. Ein etwas abgelegenes Menü ermöglicht eine gewisse Auswahl der Anzeigen – selbst zweimal das Gleiche lässt sich sinnloserweise nebeneinander anzeigen. Sinnvolles auch: Akribische Motorenwarmfahrer können sich Wasser- und Öltemperatur gleichzeitig anzeigen lassen – welches Auto bietet das serienmäßig? Der Spieltrieb, den „I-Cockpit“ in uns weckte, wurde aber bald enttäuscht, weil keine größere Auswahl möglich ist. Dabei wäre es technisch einfach, alle Daten anzeigen zu lassen: Die Steuergeräte moderner Motoren erheben sie ohnehin laufend. Zur Speicherung der Auswahl stehen drei Profile zur Verfügung und gegen Aufpreis spiegelt „Mirror-Screen“ die Funktionen eines Smartphones auf den Touchscreen.

Weniger inspiriert wirkt die Sitzeinstellung der Grundausstattung. So lässt sich zwar die Höhe der Fahrersitzfläche einstellen, nicht aber ihre Neigung. Das Rad der Lordosestütze liegt zugunsten der Mittelkonsole so hoch, dass man es am besten von der Rückbank aus erreicht. Bestellbar sind Komfortsitze, die mit dem Siegel der „Aktion gesunder Rücken“ (AGR) zertifiziert wurden. Für 1100 Euro Aufpreis sind im GT-Line-Paket zwei Komfortsitze mit Massagefunktion erhältlich.

Van-inspirierte Flexibilität findet man eigenartigerweise auch bei fast allen Wettbewerbsmodellen im SUV-Segment nur vereinzelt. Immerhin ist die vordere rechte Sitzlehne ab der Ausstattung „Allure“ klappbar, schade jedoch, dass die hinteren Sitzgelegenheiten weder verschieb- noch versenk- oder gar entnehmbar sind. Der Kofferraum fasst 520 bis 1482 Liter, bietet einen stabilen Boden mit einem praktischen Offenhalter, solide Zurrösen und ist zugänglich über eine gegen einen Aufpreis von 850 Euro elektrisch öffnende Klappe, die auch auf Fußgesten reagiert.

Jeder vermutet einen Dieselmotor in dem Eineinhalbtonner, keiner einen Dreizylinder und schon gar niemand einen Motor unter anderthalb Litern. Obwohl wir den Motor bereits kennen, erleben wir wieder den Aha-Effekt durch die geistig-sinnliche Schere zwischen vermutetem und erlebtem Anriss. Der Motor fühlt sich in seiner Charakteristik ganz wie ein Diesel an und nach einiger Zeit fährt man ihn auch so: Vollgas ab Leerlaufdrehzahl und Schalten bei 2200. Das empfiehlt im Übrigen auch die Schaltanzeige so und versucht den Fahrer damit im verbrauchsgünstigen Bereich des höchsten Drehmoments von 230 Nm bei 1750/min zu halten.

Auf eine Ansprechverzögerung durch den Turbolader muss man sich schon gut konzentrieren, um sie überhaupt wahrzunehmen. Wer auf die Autobahn einfädelt oder überholt, lässt den Dreizylinder bedarfsweise einfach höher hinaufdrehen, was sich souveräner anfühlt und anhört als bei einem Selbstzünder. Noch nicht ganz gleichgezogen hat der Ottomotor beim Verbrauch: Mit 7,2 Litern statt der angegebenen 5,1 übertrifft er im gemischten Alltagsbetrieb den 120 PS leistenden Selbstzünder BlueHDi 120 um rund einen Liter.

Das nächste Aha-Erlebnis stellt sich mit zunehmender Geschwindigkeit ein. Alles bleibt ungewöhnlich leise. Weder Wind- noch Abrollgeräusche stören und wenn der Motor mal heraustönt, dann so dezent, dass er nie angestrengt wirkt. Spürbare Vibration kennt der Dreizylinder nicht einmal im Leerlauf, was er als 1200er vor allem seiner Ausgleichswelle verdankt. Im Konzern kommt der ansonsten baugleiche Dreizylinder als 1000er ohne aktive Schwingungsdämpfung aus.

Diesem hohen Geräuschkomfort entspricht das Fahrwerk nicht ganz mit seiner etwas hölzernen Feder-Dämpfer-Stabilisatoren-Abstimmung. Das Schluckvermögen bei größeren Anregungen ist dagegen gut. Warum Peugeot die Federung nicht zuende entwickeln wollte, erklärt sich nicht. In schnell angegangenen Kurven drängt der Wagen recht bald, aber immerhin neutral nach außen, die Fahrdynamikregelungen greifen erst bei spürbarem Schlupf.

Aus dem Handgelenk

Eine Großtat ist dagegen die Lenkung: Endlich bietet mal wieder ein Hersteller eine Direktheit in der Tradition der Citroën-Modelle der 60er bis 80er-Jahre. Ich liebe dieses Gefühl, den Wagen aus dem Handgelenk zu dirigieren, meinen Kollegen macht es dagegen total nervös. Er hat aber auch nicht wie ich in jungen Jahren in entsprechenden Citroëns den Unterschied zwischen Stammtisch- und Straßenphysik erlernt. Und so stelle ich mir komisch berührt vor, welche Schlangenlinien er wohl in einem Citroën SM fahren würde. Ausgesprochen klar positioniert sich der 3008 also in dieser Geschmacksfrage. Antriebseinflüsse spürt man kaum. Gut gelungen ist trotz vorderer Antriebswellen große Lenkeinschlag, der mit der direkten Lenkung zur Handlichkeit beiträgt: Der Wendekreis beträgt stadtverkehrsfreundliche 10,7 Meter.

Probleme mit dem Vortrieb soll die aufpreispflichtige Antriebsschlupfregelung „Grip Control“ wegregeln, die im Paket mit Bergabfahrhilfe 300 Euro kostet. Im Pressetext heißt es „für Geländefahrer“, was vor allem zeigt, dass Peugeot offenbar nicht weiß, was das eigentlich bedeutet. Wobei Traktion an sich natürlich immer gut ist. Beim Peugeot 308 bestellen immerhin bereits 15 Prozent der Kunden Grip Control. Allradantrieb im herkömmlichen Sinn wird Peugeot nicht anbieten, jedoch ab 2019 eine Hybridversion mit zusätzlichem elektrischem Hinterradantrieb.

Kältereize

Ein supersmoother Motor, eine direkte Lenkung – dann aber die langen Wege und das überakzentuierte Einrasten des Schalthebels. Schnelle Gangwechsel gewöhnt man sich da bald ab. Das Echt-Aluminium des Schaltknaufs muss man dazu jedesmal anfassen – auch bei Minustemperaturen. Den Gestaltern scheint nicht geläufig zu sein, was für Schmerzen in den Fingergelenken solche Kältereize bei vielen, gerade älteren Menschen auslösen können. Nicht verwirren lassen: Wenn die Werbung jungdynamische Menschen um 35 anspricht, damit aber auf kaufkräftige Best Ager zielt, nennt man das Marketing. Der 3008 kostet als PureTech 130 mindestens 22.900 Euro, als GT BlueHDi 180 EAT6, also mit 180-PS Diesel und Sechsgangautomatik ab 39.700.

Da in dieser Altersgruppe zwar alle gern hoch sitzen, sich aber nicht mehr alle gern umdrehen, werden einige vielleicht gar nicht den eingeschränkten Ausblick nach rechts hinten registrieren. Gut, dass sie ab der Ausstattung „Allure“ von einem Totwinkelassistenten und beim Einparken von Kameras (600 Euro) unterstützt werden. Deren virtuelle Aufsichtdarstellung (je nach Ausstattung mit 180 oder 360 Grad) taugt allerdings nicht zum zentimetergenauen Parken: Während ich noch eine Handbreit Abstand sehe, stößt das Auto bereits am Hindernis an. Die akustische Warnung hingegen gibt bereits Daueralarm, wenn noch zwei Handbreit Abstand sind. Wer lieber einparken lässt, bekommt auch einen selbstlenkenden Assistenten.

Bei weitem Blick und schneller Fahrt bieten die ab der Ausstattung „Allure” für 950 Euro erhältlichen und ab „GT” serienmäßigen LED-Scheinwerfer gute Fernsicht und gleichmäßige Ausleuchtung. Das automatische Dauerfernlicht arbeitet akkurat genug, um auf unseren Nachtfahrten offenbar niemanden im Gegen- oder auch Querverkehr geblendet zu haben.

Ob die LED-Leuchten eine Ausstattungsempfehlung wert sind, wissen wir nicht. Eventuell sind die Halogenbrenner auch gut. Einen 3008 würde ich aber mindestens mit Glasschiebedach, ergonomischem Fahrersitz und wegen des DAB+-Empfangs mit der Audioanlage „RCC” ausstatten. Damit müsste ich die Variante „Active” nehmen. Die Basis kostet mit dieser Ausstattung bereits 28.100 Euro. Für 25.680 Euro bekäme ich einen innen und außen ähnlich dimensionierten und motorisierten Renault Kadjar in der Ausstattung „Experience”. Sie bietet zwar das DAB-Radio serienmäßig, allerdings keine Option auf einen Ergonomiesitz. Ganz persönliches Ausschlusskriterium wäre allerdings das nicht zu öffnende, aufpreispflichtige Glasdach.