Medikamente Mangelware? Wie die Produktion nach Europa geholt werden könnte

Seite 3: Wirkstoffgehalte messen

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In Freiburg arbeitet zudem die weltweit erste Anlage zur vollautomatischen Fertigung von Tabletten und Kapseln. In wenigen Sekunden entsteht hier eine Tablette. Die Wirkstoffgehalte werden noch während der Herstellung mit Nah-Infrarot-Spektroskopen gemessen. Die Identität und Reinheit der eingesetzten Rohstoffe überprüfen Raman-Spektroskope durch die Behälterwände hindurch, berichtet Glatz. Computer werten die komplizierten Spektren eigenständig aus und steuern die Anlage. "Es dauert nur wenige Stunden, eine komplette Charge zu fertigen. In der traditionellen Fertigung dauert das ein bis zwei Wochen", betont er und argumentiert: Bei diesem hohen Grad an Automation und Digitalisierung und bei den großen Produktionsmengen fallen die hohen Lohnkosten pro Kopf nicht mehr so sehr ins Gewicht. So lassen sich innovative Arzneimittel in Europa noch wettbewerbsfähig produzieren. Das Höher, Schneller und Weiter soll hiesige Produktion und damit hiesige Löhne sichern.

Ein EuroApi-Mitarbeiter füllt am Standort Frankfurt Pulver für die Produktion von Oligonukleotiden und Peptiden ab.

(Bild: Euroapi)

Aber hat sich dieses Monopolmantra, dass einer hocheffizient für alle produziert, seit Beginn der Coronapandemie nicht als besonders unsicher erwiesen? Glatz entgegnet, dass man konzernintern viel für Versorgungssicherheit tun könne. Einen bestimmten Wirkstoff stelle Pfizer nicht nur an einem Standort her, sondern stets an mehreren. Bei kritischen Rohstoffen beauftrage man mehrere Lieferanten. Und wenn eine Blisteranlage zum Abpacken der Tabletten ausfällt, laufen in Freiburg immer noch 39 andere.

Vor diesem Hintergrund boomt auch die Auftragsfertigung. Sie ist Sanofis Antwort auf die Forderung nach mehr Pharma in Europa. Der Konzern gründete 2021 die Plattform EuroApi. Das Konzept dahinter ist, dass Pharmaunternehmen ihre Wirkstoffe nicht zwingend selbst fertigen müssen, sondern ebenso gut bei einem auf Lohnfertigung spezialisierten Betrieb einkaufen können. Diese Unternehmen halten Anlagen und spezialisiertes Personal vor, entwickeln und produzieren aber keine eigenen Wirkstoffe. Das EuroApi-Konsortium soll sich nun als Lohnfertiger für Wirkstoffe "Made in Europe" behaupten.

Weniger als eine Autostunde von Pfizers neuem Hightech-Werk entfernt glaubt Markus Bergmann an eine ganz andere Zukunft der Pharmaproduktion in Europa. Nicht die alten Generika und nicht die Riesenfabriken würden es sein, sondern Minifabriken am Krankenbett. Auf Knopfdruck käme die individuelle Arznei gleichsam einem Getränk aus dem Apparat.

Die Minifabriken sollen Arzneien und Impfstoff aus mRNA drucken, jener Substanz, aus der die Coronaimpfstoffe von Biontech und Moderna bestehen. "Wir haben die Maschine, etwas kleiner als ein Auto, schon hier im vierten Stock in Tübingen stehen", sagt Markus Bergmann, Geschäftsführer der neuen Tochtergesellschaft CureVac RNA Printer GmbH. Ein Gramm pro Woche und entsprechend 80.000 Dosen Impfstoff könne das Gerät herstellen.

Der mRNA-Printer von CureVac soll die Herstellung von Impfstoffen und später einmal Krebsmedikamenten dezentralisieren.

(Bild: CureVac AG)

Gespeist wird sie mit DNA. Auf Knopfdruck wird die DNA mithilfe von Enzymen in ihre Bestandteile zerlegt. Diese dienen als Rohmaterial zur Erzeugung neuer mRNA. Um aber definierte RNA zu gewinnen, ist eine zweite Charge an DNA erforderlich. Sie enthält den Bauplan zur Herstellung der gewünschten mRNA. Im Covid-Impfstoff beinhaltet die gespritzte mRNA die Anleitung für die Körperzellen, das Spike-Protein des Coronavirus herzustellen. Es wird dann von einigen Körperzellen auf der Oberfläche gebildet und das Immunsystem lernt, es als fremd zu erkennen. Es greift dann auch das Coronavirus im Falle einer Infektion an.