Bush-Regierung muss Mailarchiv möglichst komplett übergeben

Unmittelbar vor dem Machtwechsel im Weißen Haus hat ein US-amerikanisches Gericht einem Eilantrag stattgegeben, der weitreichende Folgen für den Wechsel von der Bush-Regierung zur Obama-Regierung hat.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 88 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Unmittelbar vor dem Machtwechsel im Weißen Haus hat ein US-amerikanisches Gericht einem Eilantrag stattgegeben, der weitreichende Folgen für den Wechsel von der Bush-Regierung zur Obama-Regierung hat. Richter John Facciola ordnete an, dass alle Angestellten der alten Regierung alle Speichermedien abgeben müssen, die sie während ihrer Amtszeit benutzt haben. Dazu gehören die Festplatten der Computer, aber auch USB-Sticks, CDs oder DVDs.

Mit dem Eilantrag haben das National Security Archive der George-Washington-Universität und die Bürgerinitiative Citizens for Responsibility and Ethics (CREW) einen wichtigen Erfolg erzielt. Beide Organisationen haben die Bush-Regierung auf Herausgabe von ca. 5 bis 10 Millionen E-Mails verklagt, die nach einer Untersuchung des Abgeordnetenhauses zwischen März 2003 und Oktober 2005 geschrieben wurden, aber nicht im Mailarchiv gespeichert sind. Die zunächst einzeln eingereichten Klagen wurden im Frühjahr 2008 zusammengefasst, nachdem bekannt wurde, dass die eigentlich zuständige National Archives and Records Administration (NARA) keine Anstrengungen unternahm, den mysteriösen Verbleib der E-Mails aufzuklären.

Die Untersuchung des Abgeordnetenhauses hatte ergeben, das geschätzte 23 Millionen E-Mails der Bush-Regierung verschwunden waren. Eine von der NARA beauftragte Firma konnte 14 Millionen Mails restaurieren und kassierte dafür 10 Millionen Dollar. Die beauftragten Experten schätzten, dass weitere 5 bis 10 Millionen Mails vorhanden sein können, die nicht zentral, sondern auf persönlichen Datenträgern ausgelagert sein könnten. Mit der nun vom Richter genehmigten "Preservation Order" hoffen die Kläger, ein möglichst vollständiges Bild der Kommunikation der Ära von George W. Bush erhalten zu können.

Klagen des National Security Archive beim Wechsel des US-Präsidenten haben eine lange Tradition, weil die abtretenden Amtsinhaber häufig versuchten, belastende Dokumente als "persönliche Handakten" oder "eigene Bibliotheken" vor dem archivarischen Zugriff zu retten. Den größten Erfolg erzielten die Wissenschaftler der George Washington Universität dabei im Jahre 1989. Mit Hilfe des zuständigen Gerichts erreichten sie, dass das Mail-System der Regierung Reagan gesichert wurde. Zuvor hatte die NARA die Löschung aller Mails erlaubt, da sie E-Mails nicht als "offizielle Dokumente" bewertete. Den Befehl zum Löschen hatte der damalige Generalstaatsanwalt John Bolton gegeben, der das Verfahren vor Gericht als "natürliches Großreinemachen" bezeichnete. Das damalige Mail-System PROFS Notes von IBM spielte eine wichtige Rolle in der Aufdeckung der Iran-Contra-Affäre. Oliver North, ein Mitarbeiter des Weißen Hauses, hatte versucht, alle belastenden Mails zu löschen, wusste aber nicht, dass unter PROFS gelöschte Mails im Archiv bleiben und nur einen Lösch-Flag bekommen.

Zur neuen US-Regierung siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)