Kawasaki Ninja ZX-4RR: Die Rückkehr der Drehorgel
Kawasaki bringt die ZX-4RR mit Reihenvierzylinder nach Deutschland. Ein echtes Sportgerät, das aus nur 399 cm³ satte 80 PS holt und irrwitzige 16.000/min dreht.
- Ingo Gach
Sportmotorräder erleben eine ungeahnte Renaissance, was aber weniger an den großen Superbikes liegt. Vielmehr haben sich einige Marken getraut, vollverkleidete Sportler in den kleineren Hubraumklassen aufzulegen. So überraschte Yamaha vor zwei Jahren mit der bildhübschen R7. Mit dem nur 73 PS starken CP2-Motor lieferte sie eine erstaunlich gute Performance, dank eines ausgewogenen Fahrwerks. Im gleichen Jahr brachte Aprilia die RS 660 heraus, mit 100 PS und nur 183 kg Gewicht. Sie landete 2022 mit 1072 Stück auf Rang 18 der Neuzulassungen in Deutschland, ein Verkaufserfolg wie man ihn bei den Sportmotorrädern schon lange nicht mehr erlebt hatte. Und jetzt bringt Kawasaki mit der Ninja ZX-4RR einen echten Leckerbissen, ab Ende des Jahres auch nach Deutschland.
Heißes Eisen
Das aggressiv designte Bike sieht zwar der zweizylindrigen und 48 PS starken Ninja 400 (Test) verblüffend ähnlich, hat es aber faustdick hinter der martialisch lackierten Vollverkleidung. Im Hubraum gleichen sich zwar beide Motoren mit 399 cm3 zwar, doch wird die Ninja ZX-4RR von einem Reihenvierzylinder befeuert, der bis atemberaubende 16.000/min dreht. Kawasaki gibt als Höchstleistung 77 PS bei 14.500/min, mit Ram-Air-Effekt soll er sich sogar bis 80 PS aufschwingen. Sie ist kein braves Bike, das ein bisschen auf Sport macht, sondern ein heißes Renneisen, bei dem die Ingenieure zeigen durften, was sie können, wenn man sie lässt.
Kawasaki Ninja ZX-4RR (7 Bilder)
Wiederbelebung der 400er-Drehzahlmonster
Das letzte Mal haben die Sportfans solche drehzahlgierigen Vierzylindermotoren Ende der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre genießen dürfen. Kawasaki hatte damals mit der ZXR 400 eine kleine Version der ZXR 750 nach Deutschland importiert. Es gab auch von Honda, Yamaha und Suzuki 400er-Supersportler mit Reihenvierzylindern, aber die blieben dem japanischen Markt vorbehalten, wo sich die 400er-Klasse aufgrund der Führerscheinregelung einer großen Verbreitung erfreut. Nur Kawasaki brachte damals den Mut auf, eine 400er mit 65 PS bei 13.000/min ganz offiziell in Europa anzubieten und war damit durchaus erfolgreich. Jetzt zeigt die giftgrüne Marke erneut die Courage, in dem bereits für fast tot erklärtem Segment der Sportler ein extremes Motorrad zu offerieren.
Chancen auf dem deutschen Markt
Schon vergangenes Jahr hatte Kawasaki mit der Ninja ZX-25RR Aufsehen erregt. Der Bonsai-Racer holte aus seinem viertel Liter Hubraum 50 PS und drehte bis 17.000/min, blieb jedoch den asiatischen Märkten vorbehalten. Bei der Ninja ZX-4RR sieht Kawasaki hingegen Chancen auf einen Verkaufserfolg in Deutschland. Tatsächlich sorgt sie bei den Sportfahrern hierzulande bereits für große Begehrlichkeit. Endlich wieder eine kleine Rennstrecken-Rakete, die ihr Leistungsmanko zu den großen Superbikes durch Handlichkeit wenigstens teilweise wieder wettmacht.
Kawasaki Ninja ZX-4RR
Der neue Motor hat je Zylinder eine Bohrung von 57 mm und einen Hub von 39,1 mm, was die hohen Drehzahlen, die er für seine Höchstleistung von knapp 200 PS pro Liter benötigt, überhaupt erst ermöglicht. Er saugt über 34 mm große, elektronisch gesteuerte Drosselklappen das Gemisch ein, das in den Brennräumen auf 12,3:1 verdichtet wird. Im unteren Drehzahlbereich kann die Ninja ZX-4RR mangels Hubraum nicht allzu viel Leistung anbieten, ebenso bescheiden wirken ihre 39 Nm bei 13.000/min. Für den sportlichen Einsatz sind Drehzahlorgien also absolut nötig. Wie schnell die Ninja ZX-4RR fährt, hat Kawasaki noch nicht bekannt gegeben, aber ein Video online gestellt, in dem das Cockpit der 400er auf einer Rennstrecke zu sehen ist. Im fünften Gang erreicht sie 207 km/h und dann wird die Frage eingeblendet: "6. Gang … km/h?". Vermutlich wird sie im sechsten Gang noch ein paar km/h drauflegen können.
Kawasaki Ninja ZX-4RR (8 Bilder)
Gitterrohrrahmen
Der Hersteller gibt das fahrfertige Gewicht der Ninja ZX-4RR bei vollem 15-Liter-Tank mit 189 kg an. Das ist noch nicht einmal sonderlich wenig, aber in Verbindung mit dem Fahrwerk und der relativ leichten Kurbelwelle dürfte sie für außerordentlich viel Spaß sorgen. Bei der Entwicklung stand das WM-erprobte Superbike ZX-10RR Pate, um den optimalen Massenschwerpunkt zu erreichen. Kawasaki verbaut einen Gitterrohrrahmen aus Stahl, das ist kostengünstig und zuverlässig. Das Federbein liegt fast waagerecht, um Platz für den Auspuff zu schaffen und ist über eine Umlenkung mit der elegant gebogene Bananen-Schwinge verbunden.
Handlichkeit mit kurzem Radstand und 160er-Reifen
Der Radstand fällt mit 1380 mm kurz aus, was der Handlichkeit ebenso zugutekommt, wie der Nachlauf von 97 mm und der Lenkkopfwinkel von 66,5 Grad. Auch der eher schmale 160er-Hinterreifen dürfte zur gesteigerten Agilität beitragen. Die Big-Piston-Upside-down-Gabel von Showa ist in der Federbasis einstellbar. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Gabel straff abgestimmt wurde, um den sportlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Hinten liegt das Federbein von Showa sehr flach und ist komplett einstellbar. Die Federwege bewegen sich mit 120 mm vorne und 124 mm im für Sportler üblichen Bereich.
Verzögert wird die Ninja ZX-4RR vorne über zwei radial montierten Vierkolben-Bremssättel und halbschwimmend gelagerten Bremsscheiben mit 298 mm Durchmesser, hinten unterstützt ein Doppelkolben-Bremssattel mit 220-mm-Scheibe. Eine Assist- und Rutschkupplung besänftigt ein stempelndes Hinterrad beim hastigen Herunterschalten. Da sie etwa die gleichen Abmessungen der Ninja 400 besitzt, dürfte die Ninja ZX-4RR ein sehr kompaktes Motorrad sein, mit nur 800 mm Sitzhöhe auch für kleinere Fahrer geeignet. Die Ninja 400 erfreut sich übrigens nicht zuletzt deshalb unter Frauen großer Beliebtheit.
Anzeige mit Pisten-Variante
Die Ausstattungsliste der Ninja ZX-4RR kann sich sehen lassen: Ein 4,3 Zoll großes TFT-Display, das sich per Bluetooth mit dem Smartphone für diverse Funktionen verbinden lässt. Zwei Anzeigenvarianten stehen zur Verfügung, eine für den Straßenbetrieb, die andere für die Rundstrecke, wo die Drehzahlen, Gangposition und Rundenzeiten in den Vordergrund rücken. Die kleine Kawasaki bietet vier Fahrmodi: Sport, Road, Rain und den individuell einstellbaren Rider-Modus. Die Schlupfregelung lässt sich in drei Stufen variieren oder ganz abschalten, dazu kommt ein bidirektionaler Quickshifter, wie ihn vor allem die Rennstrecken-Fahrer lieben. Sämtliche Leuchteinheiten sind mit LEDs ausgestattet.
Beim gebotenen Fahrspaß passt der Preis
Kawasaki ruft für die Ninja ZX-4RR einen Preis von 9995 Euro inklusive Nebenkosten auf. Für eine 400er klingt das erstmal viel, in Anbetracht des gebotenen Fahrspaßes ist es aber fast schon ein Sonderangebot.
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Technische Daten Kawasaki Ninja ZX-4RR: Die Rückkehr der Drehorgel
Hersteller | Kawasaki |
Modell | Ninja ZX-4RR |
Motor und Antrieb | |
Motorart | Otto |
Zylinder | 4 |
Ventile pro Zylinder | 4 |
Hubraum in ccm | 399 |
Leistung in kW (PS) | 57 (77) |
bei U/min | 14.500 |
Drehmoment in Nm | 39 |
bei U/min | 13.000 |
Antrieb | Kette |
Fahrwerk | |
Radaufhängung vorn | Upside-down-Gabel; Federweg 120 mm |
Radaufhängung hinten | Schwinge, Feder-Dämpferbein; Federweg 120 mm |
Reifengröße vorn | 120/70R17 |
Reifengröße hinten | 160/60R17 |
Bremsen vorn | Doppelscheibe, 290 mm |
Bremsen hinten | Einzelscheibe, 220 mm |
Maße und Gewichte | |
Radstand in mm | 1380 |
Nachlauf in mm | 97 |
Lenkkopfwinkel in Grad | 66,5 |
Sitzhöhe in mm | 800 |
Leergewicht in kg | 189 |
Tankinhalt in Litern | 15 |
(fpi)