Musterprozess um Telekom-Börsengang beginnt

In dem Verfahren will das Gericht zunächst grundsätzlich klären, ob der Prospekt für die dritte Aktienplatzierung der Deutschen Telekom im Jahr 2000 korrekt war. Bis zur endgültigen Klärung der Ansprüche dürften noch Jahre vergehen.

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  • dpa

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt beginnt am heutigen Montag um 10 Uhr der mit Spannung erwartete Musterprozess um den dritten Börsengang der Deutschen Telekom. Rund 16.000 Anleger verlangen von dem früheren Staatskonzern Schadensersatz in Höhe von 80 Millionen Euro. In dem Verfahren will das Gericht zunächst grundsätzlich klären, ob der Prospekt für die dritte Aktienplatzierung im Jahr 2000 korrekt war. Bis zur endgültigen Klärung der Ansprüche dürften noch Jahre vergehen.

Die Telekom plant in dem Prozess angeblich eine neue Verteidigungsstrategie. Bisher wollte sie nachweisen, dass der Verkaufsprospekt bei der dritten Aktienplatzierung im Jahr 2000 korrekt gewesen sei. Nun würden die Telekom-Juristen argumentieren, die Anleger hätten damals "in einem von der New Economy geprägten Umfeld gehandelt". Die umstrittenen Buchwerte von Immobilien hätten daher überhaupt keine Rolle gespielt. Klägeranwälte kritisierten, die Anleger würden dadurch quasi als Spekulanten gebrandmarkt.

Das Oberlandesgericht hatte von der unteren Instanz einen ganzen Katalog an Fragen mit insgesamt 187 einzelnen Punkten erhalten, die nun vorab für alle Kläger verbindlich geprüft werden sollen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die Telekom den Wert ihrer Immobilien richtig angegeben hatte. Denn nach dem Börsengang hatte der Konzern die Buchwerte deutlich reduzieren müssen. Für diese Frage muss das Gericht möglicherweise ein Sachverständigen-Gutachten einholen, was rund ein Jahr dauern könnte.

Zunächst will sich die Kammer aber mit der Frage beschäftigen, ob die milliardenschwere Übernahme des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream zum Zeitpunkt des Börsengangs de facto bereits vereinbart war, ohne dass die Öffentlichkeit dies wusste. Auch hier waren später große Abschreibungen notwendig. Nach Ansicht der Anwaltskanzlei Tilp, die zahlreiche Kläger vertritt, würde es ausreichen, wenn der Prospekt zum Börsengang auch nur in einem einzigen Punkt falsch gewesen wäre. Die Kläger hätten dann aus Sicht der Anwälte Anspruch auf die Rückzahlung der Differenz zwischen dem Ausgabepreis von 63,50 Euro und dem heutigen Wert oder dem individuellen Verkaufserlös. Am Freitag war die Telekom-Aktie bei 11,18 Euro aus dem Handel gegangen.

Die Telekom sieht sich einer ganzen Reihe von Klagen ausgesetzt. So wurden auch die Prospekte für die erste und zweite Aktienplatzierung angefochten. Zudem klagen Aktionäre von T-Online auf einen höheren Übernahmepreis für ihre Anteile. Sie sehen sich bei der Verschmelzung auf den Mutterkonzern mit einer Abfindung von 8,99 Euro pro T-Online-Aktie finanziell benachteiligt.

Der Frankfurter Telekom-Prozess in Zahlen

Der Frankfurter Prozess enttäuschter Kleinanleger gegen die Deutsche Telekom AG ist eines der größten Wirtschaftsverfahren in Deutschland:

  • Die Telekom hat nach eigenen Angaben bislang 2770 Klagen von zusammen 17.031 Klägern erhalten. Der Streitwert liege bei 91,5 Millionen Euro.
  • Davon haben 933 Kläger ihre Klagen im Streitwert von 12,7 Millionen Euro zurückgenommen.
  • Derzeit stehen hinter der Musterklage 16.098 Kläger in 2603 Verfahren mit einem Gesamtstreitwert von 78,9 Millionen Euro. Sie werden von rund 800 Anwaltskanzleien vertreten. Den Musterkläger vertritt die Tübinger Kanzlei Tilp.
  • Dazu kommt später eine unbekannte Zahl Klagen aus den gut 15.000 Güteanträgen, die Anleger bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) der Hansestadt Hamburg eingereicht hatten, um der Verjährung ihrer Ansprüche zuvorzukommen.
  • In der Masse der Fälle geht es um Summen von rund 3500 Euro, einzelne Anleger haben aber auch mehr als 60.000 Euro verloren, der Musterkläger will sogar 1,2 Millionen Euro erstattet bekommen.
  • Vor dem Landgericht Frankfurt haben bereits zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden, bevor die zentralen Rechtsfragen in zwei Musterklagen dem Oberlandesgericht vorgelegt wurden.

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( dpa) / (jk)