Bundesregierung verabschiedet Entwurf zur Datenschutzreform
Das Bundeskabinett hat den umstrittenen Vorstoß, wonach Kunden in die Weitergabe von Personendaten für Werbung von Drittfirmen einwilligen müssen und ein Datenschutzaudit geschaffen werden soll, beschlossen.
Das Bundeskabinett hat am heutigen Mittwoch den umstrittenen Gesetzesentwurf, wonach Kunden in die Weitergabe von Personendaten für Werbung von Drittfirmen einwilligen müssen, mit ein paar Änderungen beschlossen und auf den weiteren gesetzgeberischen Weg gebracht. Insgesamt verfolgt der Entwurf laut Bundesregierung das Ziel, das Datenschutzniveau und die Transparenz der Datenverarbeitung im nicht-öffentlichen Bereich zu verbessern sowie die Einflussmöglichkeiten der Bürger auf die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken zu stärken. Es soll auch ein "freiwilliges und unbürokratisches" Verfahren für ein Datenschutzaudit schaffen, um "marktorientierte Anreize zur Verbesserung des Datenschutzes in Unternehmen" zu setzen. In diesem Rahmen können Unternehmen gemäß dem Vorhaben ein Gütesiegel erwerben, wenn sie sich einer Kontrolle unterziehen und Richtlinien zur Verbesserung auch der Datensicherheit erfüllen.
Als überholt hat sich nach Ansicht des Bundeskabinetts insbesondere die Ausgestaltung des "Listenprivilegs" erwiesen, das derzeit noch die Verwendung personenbezogener Daten wie Adressangaben zu Zwecken der Werbung, Markt- und Meinungsforschung in gewissem Umfang ohne Einwilligung der Betroffenen erlaubt. Die praktische Anwendung dieser Vorschrift habe dazu geführt, dass persönliche Informationen weitläufig – und teilweise unzulässigerweise – zum Erwerb oder zur Nutzung angeboten werden. Es solle daher ein Opt-in-Prinzip zur Weitergabe der Daten an Dritte für Werbung, Markt- und Meinungsforschung verankert werde.
Allerdings hat das federführende Bundesinnenministerium auf die massiven Proteste der Wirtschaft gegen diesen Punkt reagiert. In bestimmten Bereichen hat das Kabinett so Ausnahmen vom Erfordernis der Einwilligung eingeführt. Diese beziehen sich etwa auf die Eigenwerbung, die Spendenwerbung insbesondere für gemeinnützige und kirchliche Organisation sowie für Werbung im reinen Geschäftsbereich (B2B) unter Einschluss von Selbständigen und Freiberuflern. Kleineren, spezialisierten Unternehmen wie Fachverlagen bleibe es möglich, "gezielt andere Firmengruppen anzusprechen", erläuterte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Zudem dürften erhobene Daten für die Werbung anderer Unternehmen als "Beipackwerbung" hinzugefügt werden. Es gelte für diesen Bereich auch eine Übergangsfrist von drei Jahren.
Verankern will das Kabinett weiter ein "Kopplungsprinzip". "Marktbeherrschende" Unternehmen dürften damit in der Regel den Abschluss eines Vertrages nicht mehr von einer Einwilligung der Betroffenen in die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken abhängig machen. Voraussetzung soll sein, dass den Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise offen steht. Ferner werden mit dem Entwurf die Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen das Datenschutzrecht auf bis zu 300.000 Euro erhöht, Möglichkeiten zur Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne aus illegaler Datenverwendung geschaffen. Zudem soll eine Informationspflicht bei Datenschutzpannen eingeführt und die Stellung der betrieblichen Datenschutzbeauftragten durch erweiterten Kündigungsschutz und Anspruch auf Fortbildung gestärkt werden.
Laut Schäuble sind mit dem Beschluss die Versprechen vom Datenschutzgipfel im September erfüllt. Ein Handeln sei dringend geboten, da es einen weitläufigen geschäftsmäßigen Handel mit personenbezogenen Daten gebe und umfangreiche Bestände der Bürger illegal im Umlauf seien. Dabei handele sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um "kriminelles Unrecht". Man müsse sich aber bewusst sein, dass die gezielte Werbeansprache für viele Unternehmen ein wichtiges Mittel der Kundengewinnung sei. Zudem könne die Politik nicht gewährleisten, "dass es keine Datenschutzskandale mehr geben wird". Es werde schließlich "immer auch gegen Gesetze verstoßen". Mit dem Entwurf sei aber auch die Absicht verbunden, die Bürger insgesamt für den Umgang mit ihren Daten zu sensibilisieren. Den Zeitplan bezeichnete Schäuble als "ehrgeizig": Nach einem Durchgang durch den Bundesrat könnte das Vorhaben im März im Bundestag beraten und frühestens Mitte Mai verabschiedet werden.
Unverändert bleiben im Kabinettsentwurf die Bestimmungen zum Datenschutzaudit, obwohl das hier bereits auf Landesebene tätige Unabhängige Zentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein scharfe Kritik an zu laxen Kontrollregeln vorgebracht hatte. Angesichts der vorgesehenen niedrigen Anforderungen an die Vergabe eines Datenschutz-Gütesiegels drohen den Experten aus Kiel zufolge "Billig- und Gefälligkeitsgutachten". Die überwiegende Zahl der Länder gab dagegen vorab zu bedenken, dass der mit dem Datenschutzaudit verbundene Aufwand außer Verhältnis zum Nutzen steht und eine Mehrbelastung der Aufsichtsbehörden nach sich zieht.
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(Stefan Krempl) / (jk)