Ausgleichende (Un-)Gerechtigkeit

Seite 4: Grenzen des Widerrufsrechts

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Grenzen des Widerrufsrechts

Können Online-Auktionen auf diese Weise zu einer Art kostenlosem Selbstbedienungsladen verkommen? Man könnte schließlich alles erst einmal kaufen, dann bis zu einem Monat [5] ge- oder teilweise verbrauchen und schließlich im Zuge des Vertragswiderrufs einfach zurückgehen lassen.

Zum Glück für die Händler ist die Sache letztlich doch nicht so einfach. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB steht dem Käufer dann kein Widerrufsrecht zu, wenn "die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde."

Vieles eignet sich nicht zum Zurückschicken. Genutzte Batterien und Leuchtmittel sind ebenso vom Widerrufsrecht ausgenommen wie angebrochene Druckerpatronen und Tonerkartuschen.

Diese Ausnahmevorschrift greift immer dann, wenn die Ware, um die es geht, typischerweise bereits durch eine schlichte Ingebrauchnahme oder auch nur durch Zeitablauf derart entwertet wird, dass dem Verkäufer ein Wiederverkauf nicht zumutbar ist. Das betrifft etwa verderbliche Ware, angebrochene beziehungsweise entsiegelte Arznei- und Lebensmittel, Kosmetik- und Hygieneartikel ebenso wie Druckerpatronen, Tonerkartuschen, Batterien und andere Verbrauchsgüter [6].

Allerdings schließt das bloße Öffnen der Originalverpackung die Eignung zur Rücksendung auch in diesen Fällen nicht unbedingt aus, wie ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg zeigt [7]: In dem Fall, den die Richter zu entscheiden hatten, ging es um Kontaktlinsen und Kontaktlinsen-Pflegemittel, die ein Käufer online bestellt hatte. Nachdem er die Ware erhalten und die Verpackung geöffnet hatte, widerrief er den Kaufvertrag und sandte alles zurück.

Der Händler wollte den Widerruf nicht akzeptieren, da es sich bei der Ware um Medizinprodukte handelte, die nicht mehr zu verkaufen seien, nachdem man die Originalverpackung geöffnet habe. Er berief sich daher auf die mangelnde Eignung zur Rücksendung im Sinne von § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB.

Die Hamburger Richter sahen die Sache jedoch anders und hielten dem Händler entgegen: "Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemittel sind nicht verderblich beziehungsweise bei ihnen besteht die Gefahr des Überschreitens eines Verfallsdatums innerhalb der Widerrufsfrist nicht. Denn dieses würde voraussetzen, dass die Antragsgegnerin an ihre Kunden alte, bereits über einen längeren Zeitraum gelagerte Waren übersendet, deren Verfallsdatum bereits in der gesetzlichen Widerrufsfrist erreicht wird. Hierfür ist … nichts vorgetragen worden."

Im Übrigen würden "beim Öffnen der Umverpackungen die sich in Blistern befindlichen Kontaktlinsen bzw. in Flaschen befindlichen Kontaktlinsenpflegemittel unter hygienischen Gesichtspunkten nicht beeinträchtigt. Dieses könnte erst dann der Fall sein, wenn auch die Blister geöffnet und zum Beispiel die Kontaktlinsen ausprobiert oder die Kontaktlinsenpflege-Behältnisse geöffnet würden … Die Fälle der geöffneten (Original-) Umverpackung sind auch nicht gleichzustellen mit den in § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB genannten Fällen der Lieferung von versiegelter Software nach Bruch des Siegels."