Ausgleichende (Un-)Gerechtigkeit

Seite 6: Gebrauchte Neuware

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Gebrauchte Neuware

Ein Widerrufsproblem besonderer Art kann sich für Händler ergeben, die mit Neuware handeln. Was sie als neu verkauft haben, bekommen sie im Falle des Vertragswiderrufes ja mehr oder weniger benutzt zurück. Das wirft die Frage auf, ob sie die retournierte Ware immer noch als "neu" wiederverkaufen dürfen oder nicht.

Genau darum ging es in einem jüngst vom Amtsgericht (AG) Rotenburg (Wümme) entschiedenen Fall [9]: Der Käufer eines (vermeintlich) neuen Handys hatte dessen Verkäufer verklagt, weil sich bei der Inbetriebnahme des Geräts herausstellte, dass es zuvor schon benutzt worden war. Jemand hatte bereits einige Daten zur Nutzung der VoIP-Option und eines POP3-E-Mail-Dienstes eingegeben.

Das veranlasste den Käufer dazu, eine Preisminderung um 100 Euro zu fordern. Das Rotenburger Amtsgericht wies dieses Ansinnen jedoch ab: Allein aufgrund der erfolgten Dateneingabe durch den vorherigen Widerrufskäufer, so das Gericht, könne man nicht davon ausgehen, dass das Handy nicht mehr "neu" gewesen sei. Denn die Eigenschaft eines Kaufgegenstands als "neu" werde grundsätzlich nicht dadurch aufgehoben, dass er von einem potenziellen Käufer eingehend studiert wird, was bei technischen Geräten auch einen Test der vorhandenen Funktionen einschließe.

So begrüßenswert dieses Urteil aus Händlersicht erscheinen mag, so sehr ist es mit Vorsicht zu genießen: Es lässt sich nicht verallgemeinern. Nicht jede Ware, die "nur" geprüft wurde, kann deshalb auch bedenkenlos als neu wiederverkauft werden. Bei einem Handy mag das angehen; Kraftfahrzeuge hingegen büßen beispielsweise schon mit der Erstzulassung ihre Eigenschaft als Neuwagen ein. Die Frage, ob ein per Widerruf zurückgeschickter Kaufgegenstand noch Neuware ist, hängt nicht zuletzt von der Art der Ware beziehungsweise davon ab, was ein durchschnittlicher Kunde von einem "neuen" Exemplar erwarten würde.

Es ist auch keineswegs so, dass man zwischen einem "nur getesteten" und "bestimmungsgemäß in Gebrauch genommenen" Kaufgegenstand leicht unterscheiden könnte. Wer anhand dieses gesetzlichen Kriteriums im Widerrufsfall einen gerechten Wertausgleich herbeiführen will, wird auf Schwierigkeiten stoßen.

Ob ein Käufer etwas tatsächlich nur kurz geprüft oder nicht doch eine Zeit lang eigentümerähnlich genutzt hat, weiß außer ihm niemand. Daher wird auch nur sehr selten jemand einem Käufer eine zum Wertersatz verpflichtende "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" beweisen können, sofern dieser keine erkennbaren Gebrauchsspuren hinterlassen hat. (psz)