"Geld her!" leichter gemacht

Länderübergreifende Geschäfte sind in der EU inzwischen alltäglich. Treten Probleme bei Zahlung, Lieferung oder Reklamation auf, müssen Forderungen auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Dafür gibt es jetzt einheitliche, unkomplizierte Verfahren.

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Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Jasmin B. studiert in München. Als für eine bevorstehende Semesterarbeit ein neues Notebook fällig wird und sie sich für ein bestimmtes Modell entschieden hat, durchsucht sie das Internet nach dem Anbieter mit dem niedrigsten Preis. Fündig wird sie bei einem Versender in London. Sie zahlt per Kreditkarte; eine runde Woche später erhält sie die Lieferung.

Dass der Rechner aus der Themsestadt ein QWERTY-Tastaturlayout haben würde, war Jasmin klar und macht ihr nichts aus – ebenso wenig wie der hierzulande etwas exotisch anmutende Netzteilstecker. Was sie jedoch ganz und gar nicht okay findet, ist das Arbeitstempo ihres neuen Notebooks. Ein Blick auf ein Systemdiagnose-Tool verrät ihr: Statt des bestellten Core 2 Duo arbeitet im Inneren des Rechners bloß ein 723er-Celeron M.

Vereinbart war per AGB für dieses Geschäft die Anwendung britischen Rechts. Jasmin hat demnach als Verbraucherin nach Lieferung sieben Tage Zeit, ein Widerrufsrecht auszuüben. Sie entscheidet sich dafür, weil sie dies einfacher findet, als eine Mängelrüge auf Englisch abzufassen und sich auf das Hin und Her einer Nachbesserung einzulassen. So tritt das Notebook seinen Rückweg über den Ärmelkanal an. Was jedoch ausbleibt, ist die Erstattung des Kaufpreises. Der Versandhändler übt sich in gar nicht vornehmer Zurückhaltung und ignoriert mehrere Aufforderungen, den per Vorkasse erhobenen Betrag zurückzuzahlen.

Kurze Leitung München-London

Klassischerweise hätte die Studentin sich nun, um wieder zu ihrem Geld zu kommen, erst einmal über die Verfahrensordnung im vereinigten Königreich schlaumachen müssen, um dann den zivilrechtlichen Weg nach den dort üblichen Gepflogenheiten zu gehen. Ohne kostspielige anwaltliche Hilfe wäre dies eine sehr anspruchsvolle Aufgabe gewesen.

Seit Mitte Dezember des vergangenen Jahres geht es jedoch einfacher: Jasmin kann das neue Europäische Mahnverfahren [1] nutzen. Sie beantragt also mit Hilfe eines einheitlichen Standardformulars beim zuständigen englischen Gericht den Erlass eines Zahlungsbefehls.

Die hier erzählte Geschichte entspricht haargenau dem Beispiel, das das deutsche Bundesministerium der Justiz (BMJ) in seiner Mitteilung vom 30. Januar 2008 verwendete, um Auswirkungen des damals gerade vom Kabinett beschlossenen "Gesetzentwurfs zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung" zu illustrieren [2].

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries möchte mit einheitlichen gerichtlichen Verfahren Hürden für den Rechtsverkehr in Europa abbauen.

(Bild: Bundesministerium der Justiz)

Dass das Ministerium dabei ausgerechnet ein typisches Verbrauchergeschäft als Beispiel wählt, macht deutlich, wie stark der grenzüberschreitende Handel inzwischen nicht mehr bloß Unternehmen, sondern auch Privatleute betrifft. Trotz der möglichen Vorteile haftet Auslandsbestellungen aber klassischerweise der Geruch des Riskanten an. Was ist, wenn etwas schiefgeht? Lassen sich mögliche Forderungen oder Ansprüche gegen einen ausländischen Geschäftspartner überhaupt geltend machen – und wenn ja, mit welchem Aufwand?

Auf solche Befürchtungen bezog sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, als sie in einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2008 erklärte: "Bislang konnten sprachliche Barrieren und die Unkenntnis der fremden Rechtsordnung Einzelne von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen abhalten. Das wollen wir ändern. Für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr werden für bestimmte Ansprüche europaweit einheitliche gerichtliche Verfahren geschaffen, die diese Hürden abbauen."

Was bloß wie eine schöne Absichtserklärung klang, ist seit Kurzem tatsächlich Realität: Es gibt zwei neue, einheitliche Instrumente, um Ansprüche grenzüberschreitend geltend zu machen. Seit dem 12. Dezember 2008 kann man Forderungen gegen einen im EU-Ausland mit Ausnahme von Dänemark ansässigen Schuldner mit Hilfe des bereits erwähnten Europäischen Mahnverfahrens stellen. Zudem steht für strittige Forderungen, die sich in einem Bereich bis zu 2000 Euro bewegen, in denselben Ländern ein Europäisches Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen zur Verfügung [3].

Damit ist es jetzt möglich, relativ schnell und ohne Einschaltung eines Anwalts einen gerichtlichen Titel zu erwirken, der ohne weitere Zwischenschritte als Grundlage für eine Zwangsvollstreckung dienen kann. Beide Verfahren gehen auf EG-Verordnungen zurück. Das im Juni 2008 verabschiedete deutsche Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung (GrFordDuG – PDF) [4] hat sie konkretisiert und um die erforderlichen Durchführungsvorschriften ergänzt.