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Seite 2: Europäisches Mahnverfahren

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Europäisches Mahnverfahren

Die Einführung des Europäischen Mahnverfahrens zielt nicht etwa darauf ab, innerstaatliche gerichtliche Mahnverfahren zu ersetzen oder zu vereinheitlichen. Vielmehr soll es Gläubigern eine zusätzliche und effizientere Möglichkeit an die Hand geben, an einen im europäischen Ausland ansässigen Schuldner heranzukommen. Mit einigen in Artikel 2 der Europäischen Mahnverfahren-Verordnung (EuMahnVO) [1] genannten Ausnahmen kommt dieses Instrument für alle bezifferten Geldforderungen in Betracht, die aus einer "grenzüberschreitenden Zivil- oder Handelssache" hervorgehen.

Werden beispielsweise über eBay per Vorkasse im Ausland erworbene Waren nicht wie erwartet geliefert, stellt sich die Frage, wie der Kunde seinen Anspruch grenzüberschreitend durchsetzen kann.

Eingeleitet wird das Verfahren durch den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls. Dieser Antrag wird in Papierform eingereicht oder "durch andere – auch elektronische – Kommunikationsmittel", sofern dies vor den zuständigen Gerichten zulässig ist (Art. 7 Abs. 5 EuMahnVO). Verwendet wird ein einheitlich gestaltetes Antragsformular. Dieses ist laut Benutzerhinweis "in der Sprache oder in einer der Sprachen auszufüllen, die das zu befassende Gericht anerkennt".

Welches aber ist "das zu befassende Gericht"? Hier offenbart sich ein Manko des Europäischen Mahnverfahrens, das auch in der Fachwelt auf Kritik gestoßen ist [5]. Während sich hierzulande die Zuständigkeit des Mahngerichts stets nach dem Wohnsitz des Antragstellers richtet [6], soll das Europäische Mahnverfahren normalerweise bei dem Gericht stattfinden, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Aufenthaltsort hat. Wer also in Deutschland wohnt, soll nicht befürchten müssen, mit einem Zahlungsbefehl eines ausländischen Gerichts konfrontiert zu werden und dann auch noch möglicherweise bei diesem dagegen Einspruch erheben zu müssen.

Das klingt einfach – aber die Zuständigkeitsfrage lässt sich letztendlich doch nicht ganz so schematisch beantworten. Tatsächlich bestimmt sich die Gerichtszuständigkeit beim Europäischen Mahnverfahren "nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 44/2001" [7].

Diese "Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (EuGVVO), auch Brüssel-I-Verordnung genannt, enthält ein für juristische Laien kaum durchschaubares Regelungsgeflecht, bei dem die internationale Zuständigkeit eines Gerichts von den unterschiedlichsten Kriterien abhängen kann.

Zwar lässt sich aus der EuGVVO für viele Fälle deutschen Online-Verbrauchershoppings im Ausland eine deutsche Gerichtszuständigkeit ableiten (etwa nach Art. 5 Abs. 1 oder den Artikeln 15 und 16 EuGVVO). Letztlich ist das jedoch eine Frage des – mitunter sehr umstrittenen – Einzelfalls [8]. Wenn der Fall nach den Regeln der EuGVVO keine Anknüpfungspunkte für eine deutsche Gerichtszuständigkeit bietet, muss man den Europäischen Zahlungsbefehl in dem Land beantragen, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, und dabei dessen Landessprache verwenden. Nach dem Recht dieses Staates bemessen sich dann auch die Kosten des Verfahrens (vgl. Art. 25 EuMahnVO).

Wenn sich herausstellt, dass man als deutscher Gläubiger den Europäischen Zahlungsbefehl in Deutschland beantragen darf, stellt sich das weitere Vorgehen vergleichsweise unkompliziert dar: Nach § 1087 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist dann immer das Amtsgericht (AG) Wedding in Berlin zuständig.

Das Antragsformular vermeidet sprachliche und technische Hürden weitgehend, indem es Ankreuzfelder verwendet. Dennoch sind bestimmte, in Art. 7 Abs. 2 EuMahnVO aufgeführte Angaben erforderlich. Wenn das Ganze nicht korrekt ausgefüllt ist, räumt das Gericht dem Antragsteller die Möglichkeit ein, seinen Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen (Art. 9 EuMahnVO). Falls danach noch eine formale Voraussetzung für den Erlass des Zahlungsbefehls nicht erfüllt ist, weist das Gericht den Antrag zurück (Art. 11 EuMahnVO).

Ein Rechtsmittel gegen die Zurückweisung gibt es nicht, aber man kann den Antrag jederzeit erneut stellen. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und der Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist, "erlässt das Gericht so bald wie möglich und in der Regel binnen 30 Tagen nach Einreichung – einen Europäischen Zahlungsbefehl" (Art. 12 EuMahnVO). Es stellt ihn dem Antragsgegner zu (Art. 13, 14 und 15 EuMahnVO), verbunden mit der Belehrung, dass dieser innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung Einspruch dagegen einlegen kann (Art. 16 EuMahnVO).

Forderungen gegen Geschäftspartner lassen sich nun innerhalb von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union leichter geltend machen als zuvor.

Wenn der Antragsgegner von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, gibt es – wie im deutschen Mahnverfahren auch – zweierlei Szenarien: Beim ersten mündet das Mahnverfahren in ein gewöhnliches zivilrechtliches Verfahren. In dessen Rahmen muss der Gläubiger seinen Anspruch in allen Einzelheiten begründen und gegebenenfalls beweisen, dass er berechtigt ist. Das betreffende Klageverfahren ist vor dem örtlich zuständigen Gericht des Landes zu betreiben, das den Zahlungsbefehl erlassen hat.

Kommt es nach einem Einspruch nicht zu einem solchen Zivilverfahren, ordnet das Gericht – sofern dies beantragt wurde – die Beendigung des Mahnverfahrens an (Art. 17 EuMahnVO). Dies ist das zweite Szenario.

Wenn der Antragsgegner keinen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegt, erklärt das Gericht diesen für vollstreckbar und übersendet ihn dem Antragsteller, damit der die Zwangsvollstreckung betreiben kann (Art. 18 EuMahnVO). Der so erlangte Vollstreckungstitel lässt sich dann in jedem EU-Mitgliedsstaat zwangsweise durchsetzen.

Trotz der missglückten Zuständigkeitsregelung und einiger noch offener Fragen im Detail [9] hat die Konzeption des Europäischen Mahnverfahrens durchaus ihre Vorzüge: Anders als das deutsche Mahnverfahren, bei dem man zunächst einen Mahnbescheid beantragen muss, um auf dessen Grundlage einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen, ist es einstufig ausgestaltet. Das reduziert die Einspruchsmöglichkeiten des Anspruchsgegners und sorgt für ein vergleichsweise zügiges Verfahren. Hinzu kommt, dass ein Europäischer Zahlungsbefehl von allen Mitgliedsstaaten der EU anerkannt wird, ohne dass es hierfür weiterer Rechtsakte wie zum Beispiel einer gesonderten Vollstreckbarkeitserklärung bedarf. Aufs Ganze gesehen können Gläubiger nun also schneller als mit anderen Verfahren einen im Ausland anerkannten Vollstreckungstitel erlangen und dort Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Sach- oder Kontenpfändung einleiten.