"Geld her!" leichter gemacht

Seite 3: Das Small-Claims-Verfahren

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Das Small-Claims-Verfahren

Das neue europäische Zivilverfahren für geringfügige Forderungen ("Small Claims") ist auf Streitwerte bis 2000 Euro beschränkt.

Das Europäische Mahnverfahren – wie übrigens auch das deutsche – empfiehlt sich immer dann, wenn eine Geldforderung im Raum steht, die der Schuldner voraussichtlich nicht bestreiten wird. Bei strittigen Sachverhalten oder wenn es nicht um eine Geldforderung, sondern beispielsweise einen Anspruch auf Warenlieferung geht, ist es zweckmäßiger, gleich ein Klageverfahren einzuleiten. Für grenzüberschreitende Handels- und Zivilsachen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – wiederum mit Ausnahme Dänemarks – sieht die EuSCVO (sogenannte Small-Claims-Verordnung) [3] in Ergänzung zum Europäischen Mahnverfahren ein einheitlich gestaltetes Klageverfahren vor. Dieses kommt allerdings nur dann zur Anwendung, "wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 2000 Euro nicht überschreitet" (Art. 2 EuSCVO).

Die Sprachregelung und die gerichtlichen Zuständigkeiten beim Small-Claims-Verfahren entsprechen denen beim Europäischen Mahnverfahren. Der sachliche Anwendungsbereich fällt hingegen etwas kleiner aus: So lassen sich zum Beispiel Ansprüche aus dem Arbeitsrecht oder aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht mit dem Small-Claims-Verfahren verfolgen (Art. 2 EuSCVO). Es wird grundsätzlich schriftlich (Art. 5 Abs. 1 EuSCVO) und unter Verwendung standardisierter Formulare betrieben. Die Prozessparteien brauchen dabei keine Anwälte einzuschalten (Art. 10 EuSCVO). Bei diesem Verfahrensmodell sind die Hürden zudem bewusst niedrig gehalten, sodass man dabei auch in der Praxis ohne Rechtsvertreter auskommt.

Der Ablauf des Verfahrens gliedert sich in Einleitung, Durchführung und Abschluss. Zunächst reicht die klagende Partei ein Klageformblatt ein, das bestimmte Angaben zu dem erhobenen Anspruch und den Beweisen, die ihn stützen, enthält (Art. 4 EuSCVO). Dieses Formblatt stellt das Gericht dem Beklagten innerhalb von 14 Tagen nach Eingang zu – sofern es dem Kläger nicht zuvor Gelegenheit geben muss, seine Angaben zu vervollständigen oder zu berichtigen (Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 2 EuSCVO). Nach der Zustellung hat der Beklagte 30 Tage Zeit, um per Antwortformblatt auf die Klage zu reagieren (Art. 5 Abs. 3 EuSCVO). Danach muss das Gericht das Verfahren innerhalb von 30 Tagen entweder durch ein Urteil zum Abschluss bringen, die Parteien zu weiteren die Klage betreffenden Angaben auffordern, eine Beweisaufnahme durchführen oder eine mündliche Verhandlung ansetzen (Art. 7 EuSCVO).

Um das Verfahren schnell und unkompliziert zu gestalten, sieht die Small-Claims-Verordnung neben kurzen Fristen und einer formularorientierten Abwicklung einige weitere prozessuale Besonderheiten vor: So müssen die EU-Mitgliedsstaaten zum Beispiel dafür sorgen, dass die Parteien beim Ausfüllen der Formblätter praktische Hilfestellung erhalten (Art. 19 EuSCVO). Ferner sind die Parteien nicht dazu verpflichtet, eine rechtliche Würdigung der Klage vorzunehmen. Hingegen muss das Gericht sie, wenn nötig, über alle auftretenden Verfahrensfragen unterrichten (Art. 12 EuSCVO).

Außerdem müssen die Parteien bei einer mündlichen Verhandlung nicht unmittelbar anwesend sein. Sie kann auch per Videokonferenz oder mit anderen kommunikationstechnischen Mitteln durchgeführt werden, sofern das nötige Equipment verfügbar ist (Art. 8 EuSCVO). Auch Zeugen oder Sachverständige müssen ihre Aussagen nicht notwendigerweise am Verhandlungsort machen (Art. 9 EuSCVO).

Ob das Small-Claims-Verfahren sich in der Praxis als gelungener Wurf erweisen wird, lässt sich derzeit schwer einschätzen. Ähnlich wie beim Europäischen Mahnverfahren gibt es auch hier Schwachstellen – so wirft etwa Art. 12 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 EuSCVO Fragen auf: Das Gericht soll sich, soweit angemessen, um eine gütliche Einigung der Parteien bemühen, also möglichst einen Vergleich zustande bringen. Was immer in diesem Zuge vereinbart wird, lässt sich dann aber nicht mehr wie ein ergangenes Urteil grenzüberschreitend vollstrecken [10].

Trotz alledem verdienen die neuen Rechtsinstrumente, dass man ihnen Gelegenheit gibt, sich zu entwickeln. Mit der Schaffung einheitlicher Verfahren für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten ist zumindest ein wichtiger Schritt in Richtung eines unverkrampften internationalen Geschäftsverkehrs auch für Privatleute getan. (psz)