BMW S 1000 R ​im Test

BMW hat sein Naked Bike mit dem Rahmen und Fahrwerk des Superbikes S 1000 RR aufgewertet. Das runderneuerte Modell kann in einem ausführlichen Test überzeugen.

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Rahmen und Fahrwerk aus dem Superbike tun der S 1000 R gut, die Kohlefaserfelgen bieten auf Wunsch zusätzlich eine dramatische Verbesserung. Wie alle Optionen machen sie die BMW aber schmerzhaft teurer.

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
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BMW hat schon vor sieben Jahren die Vollverkleidung von seinem Supersportler S 1000 RR genommen, einen breiten Lenker aufgepflanzt und den PS-Overkill zugunsten eines besseren Drehmomentverlaufs zurückgeschraubt. Heraus kam die S 1000 R und mauserte sich rasch zum Liebling der Landstraßenräuber. Jetzt hat BMW sein Naked Bike nicht nur auf Euro-5-Norm gebracht, sondern es auch komplett runderneuert. Das frisch vorgerichtete Modell kann in einem ausführlichen Test überzeugen.

Ich habe die S 1000 R in den letzten Jahren ein paarmal gefahren und da BMW es im aktuellen Modell beim gleichen Hubraum und der identischen Leistung beließ, hatte ich keine großen Überraschungen erwartet. Doch weit gefehlt, das Naked Bike von BMW zeigt sich in vielen Disziplinen verbessert. Zugegeben, mein Testmotorrad war von BMW großzügig mit aufpreispflichtiger Ausstattung bedacht, aber die Performance der neuen S 1000 R ist auch ohne sehr beeindruckend.

Auf den ersten Blick unterscheidet sie sich von der Vorgängerin durch den einzelnen anstelle des asymmetrischen Doppelscheinwerfers. Sämtliche Kunststoffblenden, Vorderradkotflügel, Tank, Sitzbank und Heck wurden neu geformt. Auch Rahmen, Schwinge und Felgen haben nichts mehr mit der Vorgängerin zu tun – die Komponenten übernahm die Neue vom aktuellen Superbike S 1000 RR.

Ganz besonders hübsch wirkt der Heckrahmen in Gitterrohr-Konstruktion, wie auch der Unterzug an der Schwinge. Erst auf den zweiten Blick bemerkt der Betrachter das vermeintlich fehlende Rücklicht, es wurde in die hinteren LED-Blinker integriert. Kurios: Wer jemanden mitnehmen möchte, muss das kostenlose Sozius-Paket mitordern, dafür entfällt jedoch die Sozius-Sitzabdeckung.

Der Reihenvierzylinder bleibt bei einem Bohrungs-Hub-Verhältnis von 80,0 mal 49,7 Millimeter und leistet unverändert 165 PS bei 11.000/min sowie 114 Nm Drehmoment bei 9250/min. Es gab zwar Stimmen, die unbedingt den Shift-Cam-Motor mit 207 PS aus dem Superbike S 1000 RR in das Naked Bike transferiert sehen wollten, doch liefert Vierzylinder auch ohne Shift-Cam einen ausreichend kräftigen Drehmomentverlauf. Abgesehen davon hätte die verstellbare Nockenwelle die Kosten weiter in die Höhe getrieben. Ich habe während des Tests nie den Wunsch nach mehr Leistung verspürt, der Motor hat immer und überall genügend Punch und zieht rasant bis an den Begrenzer durch. Die Gänge fünf und sechs hat BMW jetzt länger übersetzt, das senkt die Drehzahl und damit die Geräuschkulisse und den Verbrauch.

BMW hat den Vierzylinder um fünf, die Räder um zwei und die Schwinge um 1,3 kg erleichtert, so dass die S 1000 R nun auf ein Leergewicht von 199 kg kommt. Unser Test-Bike verfügt jedoch zusätzlich über das 4900 Euro teure M-Paket, das einen Titan-Schalldämpfer von Akrapovic, eine leichtere Lithium-Batterie (minus 2,9 kg), ein Sitzkissen mit dem Logo der M GmbH, einen GPS-Lap-Trigger, eine M Endurance-Kette und Karbonräder umfasst. Das geringere Felgengewicht macht das Fahrverhalten extrem handlich, doch dazu später mehr. Mit dem M-Paket purzelt das Leergewicht der S 1000 R um weitere fünf auf 194 kg.

Beim ersten Aufsitzen macht mir die BMW unmissverständlich klar, dass sie sich als Sportbike versteht. Ich throne in 840 Millimeter Höhe – 16 mm höher als bisher – und die flache, breite Lenkstange rückte um 20 mm weiter nach vorne. Diese Körperhaltung ermöglicht mehr Druck auf das Vorderrad, bleibt aber noch beruhigend weit weg von unbequem. Mit den verstellbaren, vibrationsentkoppelten Böcken kann der Lenker sogar um zusätzliche zehn Millimeter nach vorne gerückt werden, worauf ich aber gerne verzichte. Auch der Kniewinkel weist auf die nahe Verwandtschaft zum Superbike hin. Das Sitzpolster ist vorn recht schmal geschnitten, so dass auch Fahrer um die 1,75 Meter noch mit beiden Füßen den Boden erreichen.

Ich blicke auf ein neues TFT-Display von 6,5 Zoll Diagonale, das die Drehzahl in einer breiter werdenden Welle anzeigt. Die restlichen Infos wie Geschwindigkeit, Ganganzeige, Uhrzeit, Temperatur, Tripmaster und Fahrmodus sind etwas willkürlich auf dem Display verteilt, es bleibt aber alles noch gut ablesbar. Das Dashboard lässt sich per Bluetooth mit dem eigenen Smartphone verbinden, wie es heutzutage in dieser Preisklasse selbstverständlich ist.

BMW S 1000 R (7 Bilder)

Unser Testbike bringt dank einiger optionaler Pakete nur 194 Kilogramm Leergewicht auf die Waage. Die Handlichkeit der S 1000 R ist bestechend, auf kurvigen Strecken können ihr nur wenige Naked Bikes folgen.
(Bild: Ingo Gach)

Viel interessanter ist bei TFT-Displays immer die Bedienung des Menüs, um Einstellungen zu ändern oder Infos überhaupt abrufen zu können. Hier bekleckert sich BMW nicht mit Ruhm, denn intuitiv ist hier fast gar nichts und es braucht sagenhafte fünf Schritte im Menü, um auch nur den Tageskilometerzähler auf Null zu stellen. Das ist umso unverständlicher, als bei der BMW R 1250 GS (Test) dafür ein einziger Knopfdruck reicht. Erschwerend hinzu kommt, dass der linke Griff mit acht Tasten und einem Drehschalter völlig überfrachtet ist.

Für den Start braucht es keinen Zündschlüssel mehr, der Transponderschlüssel ermahnt den Bordcomputer schon bei der Annäherung, in Bereitschaft zu gehen. Warum der Tankdeckel dann aber mit einem konventionellen Schlüssel geöffnet werden muss, bleibt das Geheimnis von BMW. Beim Druck auf den Starterknopf vor dem Lenker, nimmt der kalte Motor spontan die Arbeit auf, dreht aber im Leerlauf über 2000/min.

Also rasch den ersten Gang eingelegt und Abfahrt. Die leichtgängige Kupplung rühre ich bis zur nächsten roten Ampel nicht mehr an, denn die S 1000 R verfügt über einen sehr gut funktionierenden Quickshifter. Egal, ob beim Hoch- oder Runterschalten: Die Gänge rasten präzise ein, die Anti-Hopping-Kupplung ermöglicht sanfte Übergänge und Ride-by-wire setzt die Gasbefehle präzise um. Die S 1000 R verfügt serienmäßig über drei Fahrmodi, bei unserem Testexemplar kommt noch der optionale Fahrmodus Dynamic Pro hinzu, der individuelle Einstellungen erlaubt. Der Rain-Modus reduziert die Leistung deutlich, deshalb kommt bei trockener Straße und strahlendem Sonnenschein zunächst der Road-Modus zum Einsatz. Endlich warmgefahren dreht der 999-cm3-Vierzylinder gierig bis an den roten Bereich bei 12.000/min.