Der Stimmungsmacher: E-Auto Mini Cooper SE im Test

Der Mini Cooper SE kommt nicht weit, fährt nicht schnell, ist enorm teuer: Alles richtig! Doch er begeistert dort, wo es drauf ankommt: Unterwegs.

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Mini Cooper SE
Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ich höre sie schon, die Rationalisten, wie sie den Mini Cooper SE argumentativ zerlegen. Der Kleinwagen ist äußerlich nicht mehr so klein wie einst, innen bieten Autos wie der VW Polo (Test) mehr Bewegungsfreiheit. Mit nutzbaren 28,9 kWh Energiegehalt ist die Reichweite in der Praxis meist auf unter 200 km beschränkt. Bei Tacho 155, was echten 150 km/h entspricht, setzt BMW einen Begrenzer ein. Dazu ist die kleine Kiste auch noch absurd teuer, selbst für Mini-Verhältnisse sind fast 40.000 Euro, die der vollausgestattete Testwagen kostet, eine deftige Ansage. Das alles ist vollkommen korrekt. Wer nüchtern und rational an einen Autokauf herangeht, gehört ganz zweifelsohne nicht zur Zielgruppe des Mini Cooper SE. Andere E-Autos bieten fraglos einen höheren Praxiswert für diese Summe.

Der Mini Cooper SE glänzt dagegen, so viel sei schon jetzt verraten, eher mit typischen Werten der Marke. Der Antrieb stammt aus dem BMW i3S. Anders als dort ist er im Mini natürlich vorn eingebaut und treibt auch die Vorderräder an. Grundsätzlich bin ich immer etwas skeptisch, wenn viel Leistung über die Vorderachse serviert wird. Zu oft endet das mit schwacher Traktion und/oder einer zu Tode gedämpften Lenkung. Im Cooper SE liegen maximal 135 kW und 270 Nm an, und BMW hat bei der Lenkungsabstimmung einen, das darf man so wirklich einmal schreiben, exzellenten Kompromiss gefunden. Sie ist wunderbar direkt, liefert eine präzise Rückmeldung und passt somit exakt zur Fahrzeugausrichtung. Sie unterscheidet sich damit grundlegend von der Steuerung im Mini Countryman.

Man muss es schon arg übertreiben, um bei der Ausfahrt aus einem Kreisverkehr ein Untersteuern samt quietschenden Reifen zu provozieren. Dem Cooper SE hilft dabei auch, dass sein Schwerpunkt etwas tiefer liegt als bei den konventionell angetriebenen Minis. Für den E-Mini gibt es auch kein Sportfahrwerk, was wir nicht vermisst haben. Der Cooper D meiner Frau hat ein solches verbaut, fährt dem Cooper SE in Kurven aber nicht davon. Im Gegenzug hat man das Gefühl, dass im elektrischen Mini auf Unebenheiten wenigstens irgendwas im Fahrwerk nachgibt – mit Sportfahrwerk ist es gefühlt nur die Polsterung der Sitze. Ganz interessant übrigens, warum der Cooper SE keine Tieferlegung bekommt: BMW befürchtet, dass sich andernfalls Batterie und Straße zu nahekommen.

Zusammenfassend gesagt: Der Cooper SE geht wie verrückt ums Eck, und das bereitet verdammt viel Freude. Im Alltag erfordert diese weitgehend kompromisslose Auslegung naheliegenderweise Zugeständnisse beim Federungskomfort, die nicht jeder erdulden wollen wird. Alle Fahrer, die in den 14 Tagen dieses Tests mit dem Cooper SE unterwegs waren, bescheinigten ihm aber einen hohen Unterhaltungswert.

Mini Cooper SE Außendesign (7 Bilder)

BMW pflegt das Mini-Design seit vielen Jahren mit nur geringen Änderungen. Für größere Eingriffe sah man keine Notwendigkeit, der Kleinwagen ist ja nach wie vor erfolgreich.

Stark gewöhnungsbedürftig fand ich die standardmäßig bei jedem Neustart aktivierte, höhere Stufe der Rekuperation, mit der das Auto sehr heftig verzögert, wenn man den Fuß vom Fahrpedal nimmt. Mein Kollege Daniel fand das ganz prima so, was wohl an einem diametralen Fahrstil liegt. Ich lasse mein Auto oft gleiten und hatte selten den Ehrgeiz, die nächste rote Ampel als Erster zu erreichen. Das führt dazu, dass ich mit meinem Kombi, auch begünstigt durch ein ideales Pendelprofil, oftmals einen Verbrauch von unter 5 Litern auf dem Bordcomputer habe. Daniels Ambitionen haben andere Ziele.

Flankiert wird das gekonnt abgestimmte Fahrwerk im Cooper SE von einem Antrieb, der das Zeug dazu hat, auch Skeptiker für die E-Mobilität nachhaltig zu begeistern. Dabei sind es nicht einmal die reinen Fahrleistungen, die den Unterschied ausmachen. Sicher, 7,3 Sekunden im Standardsprint sind auch in dieser Hinsicht sehr verwöhnten Gesellschaft durchaus nicht übel. Die stärksten Ableger von Polo, Fiesta und Co können aber problemlos folgen – auf dem Papier. Den Unterschied markiert aber die Art und Weise, wie der Cooper SE loslegt: Jeder Beschleunigungswunsch wird wirklich augenblicklich umgesetzt – kein Druckaufbau in einem Lader, kein hastiges Sortieren von Übersetzungen auf der Suche nach dem richtigen Drehzahlbereich, der E-Mini ist sofort da.

Mini Cooper SE Antrieb (5 Bilder)

Der Antriebsstrang stammt aus dem BMW i3S.

Ein Detail aus den technischen Daten belegt das eindrucksvoll: Von 80 auf 120 km/h vergehen hier nur 4,5 Sekunden, im John Cooper Works, der wesentlich mehr Leistung und Drehmoment hat und dazu auch noch 130 kg weniger schwer ist, sind es 5,7 Sekunden. Im direkten Vergleich zu dieser Spontanität wirkt das Zusammenspiel von aufgeladenen Verbrennungsmotoren und mehrstufigen Getrieben regelrecht unbeholfen.

Auf der Autobahn hat der Spaß aber ein frühes Ende. Die 150 km/h werden vielen sicher reichen, global betrachtet muss es das fast überall ja auch. Doch der Cooper SE rennt bis etwa Tacho 145 derart engagiert, dass ihm viele die Spur räumen und man sich dann hin und wieder wünscht, er dürfte, was er könnte.

Der im Fahrzeug angezeigte Verbrauch lag zwischen 12,3 und maximal 24 kWh/100 km, zuzüglich Ladeverlusten, versteht sich. Gemessen habe ich zwischen 14,58 kWh und 21,77 kWh, die ich für 95 km Wegstrecke nachladen musste. Geladen werden kann an Wechselstrom mit bis zu 11 kW, an Gleichstrom mit 50 kW. Im Test wurde eine 230-Volt-Steckdose und der mitgelieferte, mit 10 Ampere abgesicherte Ladeziegel verwendet. Erfahrungsgemäß sinken die Ladeverluste mit steigender Ladeleistung. Angezeigt wurden im Auto übrigens nie mehr als 189 km Reichweite, die kumulierte, bestehend aus Restreichweite und schon gefahrenen Kilometern, lag oftmals bei deutlich mehr als 200 km.

Mini Cooper SE Cockpit (8 Bilder)

Typisch Mini, inzwischen aber ordentlich verarbeitet

Funktional gibt es einige Besonderheiten, die dem Design geschuldet sind. Die Kippschalter sind nur winzig beschriftet. Das Navigationssystem hinkt dem, was BMW anderswo verbaut, eine Generation hinterher. Wirklich tragisch ist das nicht, zumal ich die Bedienung des Infotainmentsystems insgesamt vergleichsweise übersichtlich finde. Das Kombiinstrument lässt sich bei direktem Sonnenlicht kaum ablesen. Man fragt sich, ob es eine Schluderei der Entwicklungsabteilung oder ein Controller gewesen sein mag, der auf halbem Weg das Budget zusammengestrichen hat. Das Head-up-Display lindert die eingeschränkte Sichtbarkeit.

Dass Stellmotoren einem die Last des Anziehens der Handbremse abnehmen, finde ich etwas überflüssig. Aber wenn es das schon sein muss, dann bitte mit wählbarer Automatik. Eine riesige Blindtaste hinter dem Knopf für die Feststellbremse zeugt davon, dass irgendjemand in der Entwicklung diesen Punkt ähnlich beurteilte und anschließend nicht umsetzte.

Auffällig fein war auch in diesem Mini-Testwagen das Leder vernäht. Die Sportsitze fand ich sehr bequem. Sie lassen sich auch ziemlich weit nach hinten rücken, anders als zuletzt in Opel Corsa (Test) und DS 3 Crossback E-Tense (Test) erlebt. Der Cooper SE mag kein Auto für Langstrecken sein, doch die guten Sitze tragen daran keine Schuld. Hinzu kommt eine Verarbeitungsqualität, die sich sehen lassen kann. Der Testwagen war jedenfalls sorgsamer zusammengesetzt als der Mini meiner Frau, der aus der ersten Charge der aktuellen Generation stammt.

Mini Cooper SE Innenraum (6 Bilder)

Die Sitze sind bequem und lassen sich weit nach hinten rücken.

Ein Highlight im Testwagen war für mich das Panoramadach, nicht nur, weil ich die großen Öffnungen ohnehin gern mag. Im Mini liegt die vordere Kante so weit vorn, dass ich mich spontan in meinem verblichenen 3er aus den späten 1980er-Jahren zurückversetzt fühlte, in dem das ähnlich war. Die Öffnung beginnt hier wie dort vor den Köpfen, und nicht erst über den Kopfstützen. Man sitzt damit im Mini gefühlt viel mehr im Freien als beispielsweise im Volvo V60.

Ein individuell konfiguriertes Auto ist global betrachtet die absolute Ausnahme. Mini trägt dem Rechnung und hat vier Ausstattungslinien zusammengestellt, einzelne Extras gibt es im Cooper SE kaum. Das tolle Glasdach beispielsweise ist Bestandteil der teuersten Linie. Das Basismodell für 31.681 Euro lässt sich nur in Grau oder Weiß bestellen, andererseits sind bereits hier ein dreiphasiges Ladegerät, Wärmepumpe, LED-Scheinwerfer, Sportsitze, Klimaautomatik und Navigationssystem serienmäßig. In den teureren Varianten kommen dann Stück für Stück Dinge wie Sitzheizung, Matrixlicht, Soundsystem, adaptiver Tempomat, Rückfahrkamera und Ledersitze hinzu. Der letzte Schritt ist dann das große Schiebedach. Mehr als knapp 39.500 Euro werden es auch dann nicht, wenn man wirklich alle Optionen wählt. Abzüglich der aktuellen Subventionen bleiben dann also rund 30.000 Euro übrig.

Zur Einordnung: Ein Mini Cooper S, mit 141 kW (192 PS) potenziell gleichermaßen kräftig, fährt weiter, erreicht eine höhere Endgeschwindigkeit, lässt sich frei zusammenstellen. Doch ähnlich hochgerüstet wie der Cooper SE ist er durch die Subventionen für das Elektroauto nochmals teurer – und bereitet, obwohl für sich betrachtet sicher keine Spaßbremse, längst nicht so viel Fahrfreude. Letzteres scheint kein schlechtes Argument, um in der Zielgruppe von Mini erfolgreich auf Kundenfang zu gehen.

Die Kosten für Überführung und Fahrenergie wurden von der Redaktion übernommen.

Modell Mini Cooper SE
Ausstattungslinie Trim XL
Preis für diese Ausstattungslinie 39.479
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss Serie
Soundsystem Serie
Navigationssystem Serie
Verkehrsdaten in Echtzeit Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display Serie
Assistenz
Abstandstempomat Serie
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent Serie
Rückfahrkamera Serie
Totwinkelwarner Serie
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent -
Matrix-Licht Serie
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe -
Alarmanlage -
schlüsselloser Zugang Serie
Fahrwerksoption -
Komfort
Sitzheizung Serie
Ledersitze Serie
beheizbares Lenkrad -
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Schiebedach Serie
Sonstiges
Metalliclack Serie
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand Juli 2020
Mehrwertsteuer 16 Prozent
Hersteller Mini
Modell Cooper SE
Motor und Antrieb
Motorart Hybrid-Synchronmotor
Leistung in kW (PS) 135 (184)
bei U/min 7000
Drehmoment in Nm 270
Antrieb 100 bis 1000
Speicher
Energiegehalt brutto in kWh 32,6
Energiegehalt netto in kWh 28,9
Max. Ladeleistung DC in kW 50
Max. Ladeleistung AC einphasig in kW 7,4
Max. Ladeleistung AC dreiphasig in kW 11
Fahrwerk
Lenkung Elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung (EPS)
Wendekreis in m 10,7
Reifengröße 205/45 R17
Maße und Gewichte
Länge in mm 3845
Breite in mm 1727
Höhe in mm 1432
Radstand in mm 2795
Kofferraumvolumen in Litern 211
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1440
Zuladung 405
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 7,3
Höchstgeschwindigkeit in km/h 150
Verbrauch im WLTP in kWh/100 km 14,8 bis 16,8
Reichweite im WLTP 235 bis 270
Schlüsselnummer zu 2/zu 3 0005/CYC
Daten Stand August 2020

(mfz)