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Huawei MatePad 11,5 mit HarmonyOS im Test

| Steffen Herget

Mit dem MatePad 11,5 macht Huawei bei Größe, Akku und Preis vieles richtig gut. HarmonyOS erfordert nach wie vor ein dickes Fell, kommt aber ohne Google-Zwang.

Ein knappes Pfund schwer ist es, Huaweis aktuelles Tablet, und hervorragend verarbeitet. Aluminium kleidet die Technik ein, die flache Silhouette wird nur von der deutlich hervorstehenden Kamera an der Rückseite unterbrochen. Für ein Modell aus der Mittelklasse wirkt das Tablet hochwertig, man würde ihm auch mehr als den tatsächlichen Preis von knapp 300 Euro zubilligen.

Außer von den vier Lautsprechern, die einen ordentlichen Sound abgeben, und zwei winzigen Mikrofonlöchern wird der Rahmen nur noch durch den USB-C-Anschluss unterbrochen. Eine Klinkenbuchse hat Huawei ebenso wenig eingebaut wie einen Schacht für eine SIM- oder Speicherkarte. Das MatePad ist nicht mit Mobilfunkunterstützung erhältlich, auch nicht gegen Aufpreis. Über einen IP-Stempel und damit zugesicherten Schutz gegen Staub und Wasser verfügt es ebenfalls nicht.

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Mit einer Diagonale von 11,5 Zoll liegt das Display des MatePad im derzeit für Tablets gängigen Bereich und ist weder besonders groß noch klein. Das LCD-Panel erreicht nicht die tiefen Schwarzwerte und Kontraste eines OLED-Bildschirms, zudem ist es recht blickwinkelabhängig: Spätestens ab einem Winkel von 45 Grad erscheinen die Farben blasser und ein Grauschleier legt sich über das Bild. Die Helligkeit des Displays von knapp unter 400 cd/m2 reicht für normale Bedingungen aus, in besonders heller Umgebung dürfte es mehr sein, damit man noch alles bequem erkennen kann.

In der Voreinstellung läuft der Bildschirm mit einer Wiederholrate von bis zu 120 Hertz, abhängig von den angezeigten Inhalten. Sie lässt sich in den Einstellungen auf 60 oder 120 Hertz fixieren. Die Farbtemperatur des von Haus aus recht neutral eingepegelten Displays ist frei wählbar. Wer gerne auf dem Tablet liest, dürfte sich über die beiden E-Book-Modi für farbige und schwarz-weiße Bücher freuen.

Der nicht mehr ganz aktuelle Mittelklasse-Chip Qualcomm Snapdragon 7 Gen 1 reicht für das Brot-und-Butter-Geschäft eines Tablets völlig aus. In der Preisklasse des Huawei-Tablets tummeln sich ansonsten eher langsamere Geräte. Auch viele Spiele laufen auf dem Tablet durchaus passabel. Etwas mehr als 6 GByte RAM hätten es durchaus sein dürfen, die größere Version mit 8/128 GByte verkauft Huawei zu einem 70 Euro höheren Preis.

Der Klotz am Bein aller aktuellen Huawei-Tablets und -Smartphones bleibt die Software. Das Betriebssystem HarmonyOS verwendet Android Open Source Project (AOSP) als Unterbau, muss aber wegen des US-Embargos auf Google-Dienste verzichten. Damit ist man auf dem MatePad vom Play Store ebenso abgeschnitten wie von den vielen Cloud-Angeboten von Google – zumindest offiziell.

Risikofreudige können sich mehr Apps und sogar den Zugang zum Google-Reich über Umwege verschaffen. Dienste wie Googlefier oder GBox gaukeln vor, dass es sich bei dem Gerät um ein ganz normales Android-Modell handelt. Was genau dabei im Hintergrund passiert, ist kaum herauszufinden, und im Laufe der Zeit schloss Google häufig die Lücken, die solche Dienste ausnutzen.

Mit GBox, das sich problemlos über Huaweis App Store, die AppGallery, installieren lässt, konnten wir ohne große Probleme Apps wie Google Docs, Maps und YouTube mit unserem Konto verwenden. Direkten Play-Store-Zugang gewährt GBox allerdings nicht, die Auswahl liegt bei rund 50 Apps, mehr lässt sich per APK-Installation ranholen. Offenbar erschien das MatePad bei Google während der Einrichtung als ein Xiaomi Mi 11, so zumindest die Info-Mail über die neue Anmeldung am Google-Konto. Über GBox lassen sich Apps zudem klonen, um sie mit unterschiedlichen Benutzerkonten parallel zu verwenden.

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Mehr Auswahl als die AppGallery von Huawei versprechen alternative App Stores [11]. Recht unkompliziert und gut gefüllt ist beispielsweise der Aurora Store, der zur Installation ebenfalls ein Google-Konto vorspiegelt. Allerdings läuft dann längst nicht jede installierte App. Das Rennspiel Asphalt 8 etwa scheiterte beim ersten Start daran, die erforderlichen weiteren Dateien herunterzuladen, weil es den Play Store vermisst. Auch die Google-Anwendungen lassen sich über Aurora zwar installieren, verweigern dann aber, anders als über GBox, ihren Dienst. Egal auf welchem Wege, es braucht viel Geduld und Gefummel, bis man auf dem Huawei-Tablet zumindest fast alles zum Laufen bekommt, was man braucht.

Selbst wenn man sich, auf welchem Wege auch immer, mit den wichtigsten Apps versorgt hat, bleiben weitere Probleme. App-Updates kommen längst nicht immer zuverlässig an, immer wieder meckern Anwendungen bei der Benutzung dann doch wieder über die fehlende Google-Unterstützung. Apps aus fremden Quellen unterliegen außerdem nicht den Sicherheitsregeln und -prüfungen des Google Play Store. Die Gefahr, sich betrügerische Apps und Malware einzufangen, ist größer. Huawei kleistert HarmonyOS zudem mit Werbung voll, auf nahezu allen Ebenen. Gleich sechs Ordner mit vorinstallierten Apps oder Verknüpfungen zur Installation besetzen den zweiten Homescreen, die AppGallery preist aggressiv Anwendungen an, die man ja noch dazu installieren könnte.

Multitasking auf dem MatePad versetzt die parallel laufenden Anwendungen in schwebende Fenster im Hochkantformat. Das System unterstützt zwei gleichzeitig geöffnete Anwendungen, weitere gruppieren sich hinter einem runden Icon am rechten Displayrand zusammen und können so schnell in den Vordergrund geholt werden. Mehrere Huawei-Geräte im Zusammenspiel erweitern die Möglichkeiten von HarmonyOS [12], drahtloses Teilen von Inhalten und das Spiegeln vom Smartphone auf das Tablet sind damit möglich.

HarmonyOS zeigt bei Bedarf zwei Apps in schwebenden, frei skalierbaren Fenstern. Weitere Anwendungen warten in der Leiste rechts.,

HarmonyOS zeigt bei Bedarf zwei Apps in schwebenden, frei skalierbaren Fenstern. Weitere Anwendungen warten in der Leiste rechts.

Mit dem 7700 mAh starken Akku hielt das Huawei-Tablet im Test recht lange durch. Egal ob lokal gespeichert oder gestreamt: Drei lange Filme am Stück schaffte das MatePad bei mittlerer Helligkeit immer. Auf Reisen überstanden wir einen Arbeitstag problemlos ohne Netzteil, wenn wir das Display nicht komplett aufdrehten. Die Bildwiederholfrequenz kann man getrost automatisch vom Tablet regeln lassen, wir haben im Vergleich zu fest eingestellten 60 Hertz keine negativen Auswirkungen auf die Laufzeit festgestellt. Für ein Tablet ist auch die Ladezeit von weniger als zweieinhalb Stunden absolut vertretbar, fast schon schnell.

Huawei bietet für das MatePad eine zweiteilige Tastaturhülle an, die regulär 129 Euro kostet. Wer das Tablet im Shop von Huawei kauft, bekommt sie jedoch häufig auch gratis mit dazu, es kann sich lohnen, auf ein Aktionsangebot zu warten. Die Hülle mit Klappständer schützt das Tablet gut vor Schäden, die Aussparung am USB-Anschluss ist für manche Stecker zu eng bemessen. Anders als bei vielen Tablets verbinden sich Tablet und Tastatur nicht über physische Anschlüsse, sondern über Bluetooth miteinander. Die drei Pogo-Pins in der Hülle, die Kontakt mit dem Tablet aufnehmen, wenn man es aufstellt, initialisieren nur für die Verbindung und aktivieren Bluetooth.

Die drahtlose Verbindung hat Vorteile, etwa weil man die Tastatur auch mit einem gewissen Abstand zum Tablet verwenden kann, aber auch mindestens einen Nachteil: Zieht man die Tastatur von der Hülle ab und legt sie beiseite, um beispielsweise auf dem Sofa mit dem Tablet zu surfen, bleibt sie drahtlos verbunden und verhindert so, dass auf dem Display die Touchtastatur eingeblendet wird. Da die Tastatur keinen Ausschalter besitzt, muss man die Bluetooth-Verbindung auf dem Tablet beenden, um wieder einzig über den Touchscreen arbeiten zu können.

Die Tasten haben zwar einen sehr geringen Hub und das Layout ist größenbedingt recht eng, doch nach ein paar Mails hat man sich daran gewöhnt und das Tippen geht geschmeidig von der Hand. Ohne Trackpad als Mausersatz muss der Finger zwischendurch immer wieder auf dem Touchscreen herumtippen und -wischen. Huawei bietet außerdem einen Stylus für das Tablet zum Preis von 99 Euro an.

Von den beiden Kameras – eine mit 13-Megapixel-Sensor hinten, eine 8-Megapixel-Knipse vorn – darf man Standardkost und damit entsprechend wenig erwarten. Um schnell ein Dokument abzufotografieren oder an einem Videocall teilzunehmen, reicht das, für mehr aber nicht. Die Frontkamera übernimmt zudem die Entsperrung des MatePad per Gesichtserkennung, einen Fingerabdrucksensor hat das Gerät nicht.

Am Ende steht und fällt es mit der Software. Wer mit HarmonyOS leben und damit zumindest auf den offiziellen Wegen auf Google und dessen Dienste verzichten kann, findet in dem MatePad 11,5 einen brauchbaren Begleiter zum überschaubaren Preis. Über Umwege lassen sich viele Apps aus unterschiedlichen Quellen mitnehmen, doch das ist stets mit mehr Aufwand bei Suche, Installation und Updates sowie immanenten Gefahren verbunden. Für den Preis des MatePad bekommt man als Alternativen etwa das 5G-fähige, aber deutlich langsamere Telekom T Tablet [13] und das ähnlich flotte Xiaomi Pad 6 [14].

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Huawei MatePad 11,5
Tablet mit HarmonyOS
Hersteller, URL Huawei, huawei.com [16]
Betriebssystem / Patchlevel HarmonyOS 3.1 / Oktober 2023
Funktionsupdates / Sicherheitspatches laut Hersteller bis min. k. A.
Ausstattung​​​​​​​​​
Prozessor / Kerne × Takt / Grafik Qualcomm Snapdragon 7 Gen 1 / 1 × 2,4 GHz, 3 × 2,4 GHz, 4 × 1,8 GHz / Adreno 644
Arbeitsspeicher / Flash-Speicher (frei) / Wechselspeicher (Format) 6 GByte / 128 GByte (105 GByte) / –
WLAN (Antennen) / Bluetooth / NFC / Kompass / Standort Wi-Fi 6 (2) / 5.2 / – / ✓ / GPS, Glonass, Beidou, Galileo
USB-Anschluss / Kopfhöreranschluss / Fingerabdrucksensor USB-C 2.0, OTG, DP / – / –
Akku / wechselbar / drahtlos ladbar 7700 mAh / – / –
Maße (H × B × T) / Gewicht / Schutzart 26,1 × 17,7 × 0,7 … 0,95 cm / 499 g / –
Kameras​​​​​​​​​
Hauptkamera Auflösung / Blende / OIS 13 MP / ƒ/1,8 / –
Frontkamera Auflösung / Blende / OIS 8 MP / ƒ/2,2 / –
Display
Diagonale / Technik / Auflösung / Punktdichte 11,5 Zoll / LCD / 2200 × 1440 Pixel / 229 dpi
Helligkeitsregelbereich / Ausleuchtung / max. Bildrate 1,72 ... 399 cd/m2 / 87 % / 120 Hz
Benchmarks​​​​​​​​​
Ladezeit 50 % / 100 % 1 h / 2,2 h
Laufzeiten1 lokales Video 720p / 4K-Video / Stream 13,2 h / 10,3 h / 11 h
Geekbench V4 Single, Multi / V5 Single, Multi 3691, 12052 / 803, 2983
Preis 299 €, Tastatur-Cover 129 €
1 gemessen bei 200 cd/m2 ✓ vorhanden – nicht vorhanden



(sht [17])


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https://www.heise.de/-9565809

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[1] https://www.heise.de/tests/Huawei-MatePad-11-5-mit-HarmonyOS-im-Test-9565809.html
[2] https://www.heise.de/ratgeber/Amazon-Tablet-Fire-Max-11-mit-Google-Play-Store-und-weiteren-Apps-ausstatten-9354413.html
[3] https://www.heise.de/tests/Telekom-T-Tablet-mit-5G-und-Dual-SIM-im-Test-9338221.html
[4] https://www.heise.de/tests/Sechs-leistungsstarke-Tablets-mit-Android-und-iOS-im-Vergleich-9315462.html
[5] https://www.heise.de/ratgeber/Kaufberatung-Das-richtige-Tablet-finden-9228559.html
[6] https://www.heise.de/tests/Schreiben-wie-auf-Papier-Vier-E-Ink-Tablets-mit-Stift-im-Vergleich-9228361.html
[7] https://www.heise.de/tests/Riesen-Tablet-im-Test-Lenovo-Tab-Extreme-mit-14-5-Zoll-Display-9202464.html
[8] https://www.heise.de/tests/Google-Pixel-Tablet-im-Test-Zwei-in-eins-9192386.html
[9] https://www.heise.de/tests/Gamer-Tablet-im-Test-ROG-Flow-Z13-i-mit-Core-i9-13900H-und-GeForce-RTX-4070-8971874.html
[10] https://www.heise.de/ct/
[11] https://www.heise.de/select/ct/2021/9/2028213195880466141
[12] https://www.heise.de/ratgeber/Huaweis-Oekosystem-mit-HarmonyOS-und-EMUI-in-der-Praxis-6521887.html
[13] https://www.heise.de/tests/Telekom-T-Tablet-mit-5G-und-Dual-SIM-im-Test-9338221.html
[14] https://www.heise.de/select/ct/2023/23/2323613110331434616
[15] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[16] https://consumer.huawei.com/de/
[17] mailto:sht@ct.de