VW Golf 1.5 TSI im Test: Bestseller auf Mutkurs

Bei VW ist vieles gerade im Umbruch. Im Test zeigt sich, dass VW an einigen Stellen im Golf Mut beweist - nicht immer zum Vorteil des Kunden.

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Vw Golf 1.5 TSI Test

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 13 Min.
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So ein VW Golf schien für viele Käufer stets eine ziemlich verlässliche Angelegenheit. Der konservativste Ausleger der Kompaktklasse hat eine treue Käuferschaft, auf die er über Jahrzehnte bauen konnte. Die achte Auflage steht unter vielfältigem Druck, extern wie intern. Im Test sollte ein Golf 1.5 TSI mit 96 kW (130 PS) zeigen, was VW ihm zur Verteidigung seiner Spitzenposition mit auf den Weg gegeben hat. So viel sei vorab verraten: An drei Stellen waren die Verantwortlichen überraschend mutig.

Rein äußerlich ging VW wie erwartet behutsam vor. Es gab aus Sicht des Konzerns keine Notwendigkeit, an die Gestaltung der erfolgreichen Hülle eine Axt anzulegen. Die Zuwächse sind maßvoll, so legte der neue Golf gegenüber seinem Vorgänger um rund zwei Zentimeter in der Länge zu. Mit 4,28 Metern gehört er inzwischen zu den kurzen Modellen in diesem Segment. Ein Mazda 3 (Test) etwa ist fast 20 cm länger als ein Golf, ohne nennenswert mehr Platz zu bieten. Die Verkehrsfläche nutzt VW spürbar besser. Andererseits: Mehr Raum für Mensch und Beiwerk bietet der Neue nicht. Sei‘s drum, was gestern noch genug war, muss heute nicht zwangsläufig zu wenig sein.

Verlassen konnte man sich im Golf bisher ziemlich zuverlässig darauf, dass die grundlegende Bedienung schnell zu erfassen ist. Nicht alles in der langen Golf-Geschichte war dabei perfekt gelöst, man denke nur an den Lichtschalter im Golf 2 oder die absurd tiefergelegte Steuerung von Lüftung und Radio im Golf 4. In der achten Auflage wagt VW aber einen radikalen Schritt, der größer ist als alle bisherigen – zumindest auf den ersten Blick. Wer das große Infotainmentpaket bestellt, sollte sich darüber klar sein, dass es ohne Bereitschaft sich einzuarbeiten schwierig werden könnte. VW hat die Bedienung fast aller Funktionen auf einen Berührungsbildschirm gelegt. Das hat Freunde wie Feinde. Was VW sich hier traut, ist nicht weniger als eine kalkulierte Zumutung.

VW Golf 1.5 TSI im Test (30 Bilder)

Golf Nummer 8 hatte einen unglücklichen Start: Erst waren wichtige Motoren nicht zu haben, dann kam ihm noch die Corona-Pandemie in den Weg.
(Bild: Florian Pillau)

Denn zugutehalten darf man VW zunächst, dass sie die Menüstruktur auf dem Bildschirm in der Mitte ziemlich übersichtlich gestaltet haben. Es gibt drei Hauptebenen, die logisch sortiert sind. Die Programmierer haben darauf verzichtet, alles tief zu verästeln, was den täglichen Umgang erleichtert. Fraglos kann man das sehr viel umständlicher gestalten als VW das getan hat. Sensationell einfach lässt sich auch das Kombiinstrument konfigurieren – mit einem Kreuz, einer Bestätigungstaste und einer Taste für das grundsätzliche Layout. Das ist vorbildlich gelöst und findet in dieser Form hoffentlich Nachahmer.

Doch ein bisschen Arbeit bleibt noch, denn nicht alles an diesem Bedienkonzept ist so gelungen. Wer zwischen den Ansichten auf dem Bildschirm in der Mitte wechseln will, kommt ab und zu mit der Furche davor in einen Konflikt. Über diesen „Slider“ getauften Wisch-Schlitz lässt sich die Temperatur und die Lautstärke bedienen – wahlweise wischend oder tippend. Die Lautstärke lässt sich zusätzlich auch auf dem Bildschirm verschieben. Dann aber ist der Wechsel zwischen den Menüs für einen Moment blockiert, was etwas nervt. Die Furche reagiert auch nicht immer wie gewünscht, gerade am Schiebedach. Hier einen Fortschritt erkennen zu wollen, fällt etwas schwer.

VW hat sich vier Direktwahltasten überlegt, die sich allerdings nicht frei belegen lassen. Eine davon steuert die Parkassistenz. Nun kann man darüber spekulieren, wie oft daran etwas konfiguriert werden muss. So aus dem Bauch würde ich vermuten: Ziemlich selten. Auch die Tasten der drei anderen Funktionen – Klimaanlage, Assistenzsysteme und Fahrmodi – würde sicher manch einer lieber anders belegen. Die Sprachsteuerung ist nicht schlecht, das hohe Niveau von Mercedes oder BMW erreicht VW aber nicht.

Ganz allgemein ist es so, dass das alles momentan schick und modern erscheinen mag. Die Displays haben eine hohe Auflösung, die Reaktion auf Eingaben erfolgt zügig. Allerdings altert in einem Auto kaum etwas so schnell wie die Unterhaltungselektronik. VW wagt hier einen großen und auch mutigen Schritt weg von einer gewissen Zeitlosigkeit. In wenigen Jahren wird das alles furchtbar alt aussehen, zumal sich in der Vergangenheit kaum ein Hersteller ein Bein ausgerissen hat, diese Systeme software- oder gar hardware-seitig lange aktuell zu halten. Ob sich das bessert? Ungewiss und letztlich natürlich davon abhängig, ob sich daraus ein Geschäftsmodell machen lässt. Wenn eine relevante Zahl von Kunden bereit ist, auch in älteren Gebrauchtwagen Geld dafür auszugeben, könnten Hersteller hier umdenken.