Studie: Spielen Kernkraft und Kohle eine Rolle als Grundlastkraftwerke?

Benötigt man Kernenergie und Kohle für stabile Stromversorgung? Eine Studie untersucht die Rolle von Grundlastkraftwerken in einem erneuerbaren Energiesystem.

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Kraftwerk, Umweltschutz, Klimawandel, Kritische Infrastrukturen

(Bild: RWE AG, Joerg Mettlach)

Lesezeit: 3 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Im Großen und Ganzen liefern die erneuerbaren Energien zuverlässig Strom, aber manchmal eben auch nicht. Ihr Anteil an der Last schwankte 2024 zwischen knapp elf und mehr als 137 Prozent.

Vielen Leuten macht dies Angst. Braucht es nicht weiterhin Kraftwerke, die rund um die Uhr eine gewisse Grundlast bedienen? Können wir es uns jetzt, da keine Kernreaktoren mehr am Netz sind, noch erlauben, auch die verbliebenen Kohlekraftwerke abzuschalten? Dieser Frage ging eine Studie der Initiative "Energiesysteme der Zukunft" nach, hinter der Acatech, Leopoldina und Akademienunion stehen.

Grundlastkraftwerke sind nur eine von mehreren Möglichkeiten, unser Stromnetz auszubalancieren. Alternativen sind Batterien oder schnell einspringende Spitzenlastkraftwerke. Während Batterien eher für kurzfristige Schwankungen infrage kommen, braucht es für längere Dunkelflauten wohl chemische Energieträger wie Wasserstoff. Dabei sind noch viele Fragen offen – zum Beispiel, woher die nötigen Elektrolyseure und Wasserstoff-Kraftwerke kommen sollen. Klar ist jedenfalls: Der Umbau kostet viel Geld.

Doch Ähnliches gilt auch für Grundlastkraftwerke. Kohle, Kernspaltung, Kernfusion, Geothermie und Biomasse scheiden aus verschiedenen Gründen aus: zu klimaschädlich, zu teuer, zu utopisch, zu geringe Verfügbarkeit. Als plausibelste Variante hat die Studie (Erd)Gas-und-Dampf-Kraftwerke ausgemacht. Sie sind effizienter als reine Gaskraftwerke, lassen sich aber auch nicht so schnell hoch- und herunterfahren. Trotz ihres hohen Wirkungsgrads produzieren sie schon heute teurer Strom als Wind- oder Solarparks. Und da Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will, müsste das entstehende CO₂ aufgefangen und eingelagert werden. Dieses sogenannte CCS-Verfahren ist teuer, unerprobt, politisch umstritten und energetisch fragwürdig.

Dazu kommt: Auch Grundlastkraftwerke brauchen sinnvollerweise so etwas wie einen Speicher – und zwar, wenn es zu viel Strom im Netz gibt. Das ist schon heute ziemlich oft der Fall. Regelt man sie bei jeder Stromspitze ab, handelt es sich dabei definitionsgemäß um keine Grundlastkraftwerke mehr. "Grundlastkraftwerke eignen sich wegen ihrer Kostenstruktur nicht gut für eine Bereithaltung als Reserve", heißt es in der Studie. "Wegen ihrer hohen Investitionskosten müssen sie fast durchgehend in Betrieb sein, um sich zu rentieren."

Lässt man die Grundlastkraftwerke hingegen laufen und regelt stattdessen bei Bedarf die Erneuerbaren ab, hat man eine günstige Stromquelle durch eine teurere ersetzt. Also ist es am sinnvollsten, Überkapazitäten zu nutzen, um Wasserstoff oder andere chemische Energieträger herzustellen. Dafür fehlt aber – siehe oben – die Infrastruktur. Auch Grundlastkraftwerke ändern also nichts an der Tatsache, dass wir Stromnetze und Speicher ausbauen müssen.

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Das Fazit der Studie: In einem von Erneuerbaren geprägten Energiesystem könnten Grundlastkraftwerke mit Windkraft und Photovoltaik "koexistieren". Die gesamtwirtschaftlichen Kosten würden durch Grundlastkraftwerke bis 2045 "nur leicht beeinflusst". Allerdings erscheine derzeit ein Zubau von Grundlastkraftwerken mit einer rein marktwirtschaftlichen Finanzierung "wenig realistisch". Und für eine staatliche Förderung zeichneten sich "keine eindeutigen volkswirtschaftlichen Kostenvorteile" ab.

Das klingt etwas beliebig. Aber im Detail gibt es durchaus Unterschiede: "Grundlastkraftwerke könnten den Bedarf an Stromimporten und Importen von reinem Wasserstoff aus Europa nach Deutschland reduzieren", heißt es in der Studie. Und das ist kein ganz unwesentliches Argument.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(vza)