Verdacht der Wahlmanipulation: EU-Verfahren gegen Tiktok
Die EU-Kommission leitet wegen der Vorkommnisse bei der rumänischen Präsidentschaftswahl ein Verfahren gegen Tiktok ein. Der Verdacht: Einflussnahme von außen.
Ursula von der Leyen und der noch amtierende Staatspräsident Rumäniens, Klaus Iohannis, im Dezember 2022 in Bukarest.
(Bild: EU-Kommission/Dati Bendo)
Die EU-Kommission hat wegen der Vorgänge um die Präsidentschaftswahlen in Rumänien ein Verfahren gegen Tiktok auf Grundlage des Digital Services Act (DSA) eingeleitet. Es gehe um mutmaßliche Verstöße gegen den DSA, teilte die Kommission am Dienstag in Brüssel mit. Die Kommission geht dabei dem Verdacht der Einflussnahme durch einen Drittstaat nach.
"Wir müssen unsere Demokratien vor jeder Form der ausländischen Einflussnahme schützen", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Nach ernsthaften Hinweisen, dass ausländische Akteure sich mit TikTok in die rumänischen Präsidentschaftswahlen eingemischt haben, untersuchen wir nun gründlich, ob TikTok gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat."
Mit dem Verfahren kann die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde die Herausgabe interner Unterlagen von TikTok-Eigentümer Bytedance verlangen. Notfalls könnten die EU-Beamten sogar per Amtshilfe in den Liegenschaften der Firma Dokumente und Daten beschlagnahmen lassen. Bytedances Europavertretung sitzt in Irland. Zuvor hatte die Kommission Tiktok bereits angewiesen, Dokumente und Daten im Zusammenhang mit der Wahl in Rumänien zu sichern.
Ăśberraschender Wahlausgang
Bei der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen in Rumänien war im November der zuvor wenig bekannte prorussische Kandidat Calin Georgescu überraschend in die Stichwahl gelangt. Georgescu, der in den Umfragen noch im Oktober nur auf einstellige Werte kam, hatte mit ausgedehnten Kampagnen auf Tiktok unter anderem Stimmung gegen die EU und die NATO gemacht.
Inwieweit dabei eine unzulässige Beeinflussung der Wahl von Außen vorlag, ist unklar. Das rumänische Verfassungsgericht annullierte den ersten Wahlgang und ordnete eine Wahlwiederholung an. Der bisherige Amtsinhaber veröffentlichte dazu Geheimdienstinformationen, die eine unzulässige Einflussnahme belegen sollen.
Die Wahlleitung hatte bemängelt, dass Georgescus Team und TikTok gegen Transparenzpflichten für Präsidentschaftswahlen verstoßen hätten. Die Plattform hätte dafür sorgen müssen, dass alle Präsidentschaftskandidaten ihre Finanzierungsquellen bei bezahlten Kampagnen offenlegen.
Videos by heise
Im Umfeld Georgescus spielen dabei verschiedene Figuren eine Rolle – unter anderem ein lokaler Bitcoin-König und ein südafrikanisches Unternehmen. Für die Vermutung, dahinter stecke Russland, das an der Destabilisierung des EU-Mitglieds und Ukraine-Nachbars Rumänien interessiert sei, scheinen eindeutige Beweise bislang jedoch nicht vorzuliegen.
Tiktok im Visier
In dem EU-Mitgliedstaat mit knapp 20 Millionen Einwohnern ist TikTok stark verbreitet – wie viele aktive Nutzer das Angebot dort genau hat, ist unklar. Die Plattform erklärte mehrfach, dass sie im Vorfeld der Wahl durchaus auf unzulässige Einflussnahme geachtet habe und in den Monaten zuvor unter anderem Einflussnahmeversuche aus Russland, aus der Türkei und aus Rumänien selbst abgewehrt habe.
Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz werden besonders große Plattformen dazu verpflichtet, gegen mögliche Risiken angemessen vorzugehen. Inwieweit TikTok hier seinen Pflichten nachgekommen ist, wird Teil der Untersuchung sein. Insbesondere die Empfehlungssysteme der Plattform, aber auch die Maßnahmen für bezahlte politische Inhalte und politische Werbung sollen Teil der jetzt eingeleiteten Untersuchung ein.
(vbr)