Kommentar zu PFAS: Ewigkeitschemikalien bleiben ewig – und niemand tut etwas
Im Streit um ein PFAS-Verbot bekleckert sich das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium nicht mit Ruhm. Dieser achtlose Umgang damit ist ein Riesenproblem.
Symbolbild PFAS: Unwillige Politik.
(Bild: generiert mit Midjourney durch heise online)
PFAS, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, sind Chemikalien, bei denen Himmel und Hölle im fast religiösen Sinne nah beieinander liegen. Als man sie erstmals einsetzte, war man fasziniert davon, dass sie unzerstörbar schienen. Pfannen, die niemals mehr anbrennen, Kleidungsstücke, die selbst im härtesten Regensturm keine Feuchtigkeit durchlassen, Industriemaschinen fast ohne Reibung: Genial! Als man dann kurz danach feststellen musste, dass sich diese Stoffe in der Umwelt anreichern, ohne sie dort jemals wieder herauszubekommen, zudem bei Mensch und Tier krebserregend und fertilitätsgefährdend sein können, wurde das unter den Teppich gekehrt. Über Jahrzehnte ging die Politik das Thema nicht an, während sich die Ewigkeitschemikalien weiter fröhlich in uns und in der Natur ausbreiteten.
Versuch der Eindämmung abgewehrt
Ich begleite den Themenkomplex schon länger und habe mich gefreut, dass fünf Staaten Europas die Speerspitze einer Bewegung bildeten, die PFAS-Varianten, die sich bereits durch ungefährlichere Ersatzstoffe (die man natürlich auch genau testen muss!) ersetzen lassen, erstmals verbieten wollen. Das ist weder revolutionär noch industriegefährdend, sondern nur logisch, ähnlich wie erneuerbare Energien den fossilen Energieträgern vorzuziehen sind. Selbst Goretex, ein wahres Posterchild für die Verwendung von PFAS, hat den Stoff schließlich ersetzt.
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Doch die Chemie-Lobby wehrt sich. Sie engagiert sich massiv auf EU-Ebene, aber auch in den einzelnen Ländern. Schwadroniert von PFAS, die "of low concern" seien, die aber nicht genau überprüft wurden; teilt mit, es entkomme ja fast nichts aus der Produktion, weil die geschlossen sei. Und was macht das Bundeswirtschaftsministerium unter Robeck Habeck? Es übernimmt einem vertrauenswürdigen Medienbericht zufolge deren Argumentation, was nun dazu führt, dass das Verbot gekippt werden könnte. Das hat zur Folge, dass das Problem immer noch nicht angegangen wird, weil die Chemieindustrie von sich aus nicht geneigt es, es endlich zu lösen.
Keine grüne Brandmauer gegen Chemie-Lobby
Dabei ist der Wechsel zu PFAS-Alternativen eben kein Luxusprojekt, wie uns der Experte Martin Scheringer im Interview schon letzten Sommer ausführlich erläutert hat. "Solange PFAS in die Umwelt freigesetzt werden, steigen die Konzentrationen in der Umwelt und auch im Körper der Menschen immer weiter an, weil die PFAS eben nicht abgebaut werden", sagte der Umweltchemiker. So einfach ist das.
Dass SPD und CDU hier industrienah agieren und bremsen, ja schlicht Industriepolitik betreiben, ist leider nicht überraschend. Dass sich das grüne BMWK hier offenbar genauso einlullen lässt, sorgt bei mir für eine mittelschwere Depression. Es ist eine große Enttäuschung, so politisch naiv das klingen mag. Sind die Grünen nicht unsere Brandmauer gegen genau solche Versuche? Wer, wenn nicht sie, sollte die Gefahren von PFAS & Co. erkennen und eindämmen? Industrieaussagen hinterfragen, sehen, dass dort stets die gleichen Lobby-finanzierten Studien hinter dem Ofen hervorgeholt werden, um das bisherige Nichtstun zu begründen? Ein Treppenwitz: Selbst in Wärmepumpen stecken die Stoffe noch, obwohl es auch dort längst ungefährlichere Alternativen gibt.
Es geht nicht um Habeck
Verwirrenderweise bekommt man im Kontext des PFAS-Skandals nun aus dem progressiven Spektrum zu hören, es gehe hier nur wieder um das nächste Habeck- und Grünen-Bashing. Darum geht es aber überhaupt nicht. Das Forever Pollution Project, das den Stein ins Rollen brachte, wird von zahllosen Medien auf der ganzen Welt unterstützt, die allesamt einen hervorragenden Ruf haben, genauso wie deren Journalisten. Das nicht nachzuvollziehende Handeln des BMWK im Sinne der Industrie wurde von NDR, WDR und Süddeutscher recherchiert, die Habeck sogar in ihrer Überschrift auf Tagesschau.de vorwerfen, der Chemie-Lobby auf den Leim gegangen zu sein.
Hier geht es nicht um politischen Bias, sondern um politisches Versagen. Wer Bias unterstellt, verharmlost das Problem. Dass man nun zur Ehrenrettung Habecks zu hören bekommt, es hänge ja alles nur an der Richtlinienkompetenz des SPD-Kanzlers Olaf Scholz und der Wirtschaftsminister sei dieser nur zwangsweise gefolgt, sticht nicht: Das Ministerium und die Grünen selbst hätten in der Öffentlichkeit massiv auf die – pardon my French – mediale Kacke hauen können, wenn sie es nur gewollt hätten, um zu zeigen, dass die Regierung uns hier offenkundig ohne Sinn und Verstand weiter vergiften will. Aber das Thema PFAS ist anscheinend so nischig oder in der Politik gefühlt uninteressant fürs Volk, dass sie es nicht getan haben. Trotz der potenziell massiven gesundheitlichen Auswirkungen für uns, unsere Kinder und Kindeskinder. Oder schlimmer noch: Sie glaubten der Industrie wirklich. Das fände ich schockierend.
(bsc)