Technikfolgenabschätzer: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben
Laut einer Studie zur Technikfolgenabschätzung des Bundestags bleiben hybride Arbeitsformen relevant und dürften sich in einigen Branchen sogar noch ausdehnen.
(Bild: fizkes/Shutterstock.com)
Während der Corona-Pandemie herrschte hierzulande und in manch anderem Staat eine Homeoffice-Pflicht. Inzwischen drängen viele Arbeitgeber – auch im Tech-Sektor – wieder auf mehr Präsenz ihrer Angestellten im Büro. So rief gerade das Management des US-Computerriesen Dell Beschäftigte wieder für fünf Tage die Woche zurück an den Arbeitsplatz auf den Firmengeländen. Doch trotz der aktuellen "Back to Office"-Bewegung sind Forscher des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) überzeugt: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben.
Schwerpunkt IT und Dienstleistung
Die Wissenschaftler beleuchten in ihrer Studie Verbreitung, Akzeptanz, Entwicklungsperspektiven und Folgen hybrider Arbeitsformen in Deutschland. Homeoffice ist demnach auch nach Corona relevant und wird sich voraussichtlich in verschiedenen Branchen weiter etablieren oder sogar ausdehnen. Aktuell ist ortsflexibles Arbeiten laut der Analyse vor allem im Dienstleistungssektor verbreitet.
Mehr als 70 Prozent der abhängig Beschäftigten in den Bereichen IT-Services, Unternehmensberatung sowie Verwaltung und Führung von Unternehmen arbeiteten 2023 zumindest gelegentlich zu Hause. Auffällig sei, dass der Anteil hybriden Arbeitens in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Erziehung und Unterricht zurückgegangen sei. Ebenso konstant zeigt sich der Studie zufolge, dass Homeoffice im Gesundheits- und Sozialwesen, im Einzelhandel sowie im Bau- und Ausbaugewerbe kaum genutzt wird.
Potenzial nicht ausgeschöpft
Im Rahmen der Untersuchung haben die Forscher eine sogenannte Delphi-Befragung durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein systematisches, mehrstufiges Verfahren mit Rückkopplung über Experteninterviews, um Trends möglichst gut einschätzen zu können. Eine große Mehrheit der einbezogenen Sachverständigen geht demnach davon aus, dass das Potenzial hybrider Arbeitsformen sektorübergreifend noch nicht ausgeschöpft ist. 64 Prozent meinen, dass sich Homeoffice noch stärker verbreiten wird. Mit einer breiten Rückkehr zur Präsenzpflicht rechnen lediglich 4 Prozent. 33 Prozent sehen das Verbreitungspotenzial bis spätestens 2030 ausgeschöpft, 29 Prozent erwarten den Sättigungspunkt 2035 erreicht.
Nach Einschätzung aller Befragten werden in den kommenden Jahren insbesondere digitale Kollaborationsplattformen einen substanziellen Beitrag zur Verbreitung hybrider Arbeit leisten. 52 Prozent gehen davon aus, dass auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Anwendungen bis 2030 einen wichtigen Beitrag für die Gestaltung des Alltags im Homeoffice leisten können. Mixed- und Virtual-Reality-Techniken könnten nach Ansicht von 32 Prozent der Experten bereits bis 2030 helfen, mobiles Arbeiten in größerem Umfang möglich zu machen. Weitere 39 Prozent erwarten dies erst bis 2035. Einen signifikanten Beitrag von Roboter-Systemen erwarten die Sachverständigen erst in den Jahren darauf.
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Positive und negative Auswirkungen
Die Mehrheit der Erwerbstätigen steht hybrider Arbeit positiv gegenüber, haben die Forscher ermittelt. Hoch im Kurs stehen demnach etwa die bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, die Reduktion von Pendelzeiten und ein höheres Maß an zeitlicher Selbstbestimmung. Arbeitgeber "konnten anfängliche Skepsis gegenüber Homeoffice durch positive Erfahrungen abbauen", heißt es weiter vom TAB. In einigen Bereichen werde jedoch nach wie vor oder erneut großer Wert auf Präsenz am Arbeitsplatz gelegt.
Weitere Erkenntnis: Hybride Arbeit kann negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit haben. Die Verfasser nennen hier unter anderem ergonomische Probleme und erhöhten Produktivitätsdruck. Dem stünden die erwähnten positiven Effekte gegenüber. Entscheidend seien betriebliche Anpassungen in der Arbeitsorganisation und Personalführung. Die Bundesregierung verwies 2022 darauf, dass Beschäftige mit Homeoffice-Option weniger krank seien.
Die zunehmende Verbreitung hybrider Arbeitsmodelle verändert die Arbeitsorganisation und -kultur, stellen die Forscher fest. Kommunikation könne erschwert, der Bedarf an gezieltem Wissens- und Kompetenzaustausch sowie an der Nutzung digitaler Kollaborationswerkzeuge erhöht werden. Hybride Arbeitsformen beeinflussten grundsätzlich auch die Kostenstruktur von Firmen, indem sie langfristig zu Einsparungen bei Büroflächen führten. Kurzfristig erforderten sie aber Investitionen vor allem in digitale Technologien.
(vbr)