Studie: E-Fuels zu wichtig für die Energiewende, um sie in Pkw zu verbrennen
E-Fuels im Pkw gelten als Alternative zu E-Autos, obwohl deren weltweite Produktion nicht ansatzweise für den deutschen Flug- und Schiffsverkehr genügen würde.
E-Fuels wären eine Möglichkeit, Bestandsfahrzeuge klimafreundlicher zu betreiben als bisher - wenn es sie denn gäbe.
(Bild: BMW)
Eine neue Studie adressiert ein erneut aktuell gewordenes Phänomen: Weil wieder verstärkt darüber diskutiert wird, Neuwagen mit Verbrennungsmotor nur noch bis Ende 2034 zuzulassen, wie von der EU 2023 beschlossen, werden häufig "E-Fuels" als Alternative genannt. Würde man Verbrennungsmotoren mit synthetischem, elektrisch erzeugtem Kraftstoff betreiben, fiele ja kein klimaschädliches Kohlendioxid an und damit wären auch Verbrennungsmotoren keine Mitverursacher des Treibhauseffekts mehr. Somit könnte man im Sinne der sogenannten "Technologieoffenheit" Fahrzeuge mit thermodynamischen Antrieben weiterproduzieren und müsse dank der E-Fuels kein Ausstiegsdatum beachten. E-Fuels werden in dieser Betrachtung als eine Möglichkeit gesehen, den Umstieg auf E-Autos zu vermeiden, und werden von politischen Akteuren auch so beworben.
E-Fuels sind allerdings nie primär zum Betrieb von Kfz gedacht gewesen, sondern sollen eine tragende Rolle bei der Dekarbonisierung spielen, wo elektrische Stromspeicher nicht eingesetzt werden können: beispielsweise im Flugverkehr und dem Transport von Gütern per Schiff. Dort akzeptiert man diese Kraftstoffe als Kompromiss, den man notgedrungen eingeht, weil ihre Erzeugung vergleichsweise energieverschwendend ist. Zudem steht (noch) nicht genügend überschüssige elektrische Energie zur Verfügung, um größere Mengen davon erzeugen zu können. Immerhin benötigt die Herstellung deutlich mehr Energie, als der Kraftstoff liefern kann.
Einfache Zusammenhänge
Die einfachen Zusammenhänge beim Ersatz fossiler Energieträger durch E-Fuels und die daraus zu ziehenden eindeutigen Schlüsse hat eine von der Klima-Allianz Deutschland beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in Auftrag gegebene Studie erneut bestätigt. Der Thinktank kommt zu dem Schluss, dass die Elektrifizierung von Pkw und die Verlagerung des Verkehrs sogar noch beschleunigt werden müssen, damit E-Fuels die vorgesehene Rolle für den Klimaschutz spielen können.
In der Untersuchung hat das FÖS die relevanten zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu diesem Thema ausgewertet. Zu dieser sogenannten Metastudie wurden unter anderem Arbeiten des ADAC, des International Council on Clean Transportation (ICCT), des Bundesministeriums für Umwelt (BMUV), des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) und der Internationalen Energieagentur (IEA), von Transport & Environment (T&E) sowie des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) zu diesem Thema systematisch zusammengeführt, um wissenschaftlich haltbare Schlüsse aus dem Material ziehen zu können.
Globale Produktion deckt deutschen Bedarf nicht
Kurzfristig seien keine relevanten Mengen verfügbar, größere seien in Aussicht, kämen aber zu spät. Die Studie rechnet aus, dass bei den rund 50 Pilotprojekten zur E-Fuel-Erzeugung, die zurzeit weltweit in Planung sind und weiteren 20 mit der Chance auf Verwirklichung in absehbarer Zeit rund 5,9 Mio. Tonnen entsprechend 70 TWh/Jahr E-Fuels im Jahr 2030 zu erwarten seien. Damit würde die weltweit geplante E-Fuels-Produktion nicht genügen, um den heutigen Bedarf des Luft- und Seeverkehrs auch nur in Deutschland zu decken.
Bis 2050 könnte viel mehr, nämlich rund 75.600 TWh/Jahr Wasserstoff oder 54.800 TWh/Jahr für E-Fuels produziert werden. Für 54.800 TWh/Jahr müsste allerdings der gesamte verfügbare Wasserstoff für E-Fuels verwendet werden. Da Wasserstoff aber insbesondere für die Dekarbonisierung der chemischen Industrie oder der Stahlproduktion benötigt wird, bleibt nur ein Teil zur Herstellung von E-Fuels, die Schätzungen der Studie liegen bei 20.000 bis 25.000 TWh E-Fuels im Jahr 2050. Damit könnte Deutschland die für die Klimaziele nötige Dekarbonisierung erreichen – wenn der Pkw-Bestand bis 2045 bereits weitgehend elektrifiziert ist. Auch in diesem optimistischen, erweiterten Szenario bliebe also kein Rest, den man in Pkw verbrennen könnte.
Hochlauf "deutlich zu langsam"
Allerdings müsste die Herstellung von E-Fuels in industriellem Maßstab mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt halten können, zusätzlich zu einem viel schnelleren Hochlauf der Produktionskapazitäten für Wasserstoff als bisher: Beispielsweise wurden lediglich zwei Prozent der für 2022 angekündigten Kapazitäten an grünem Wasserstoff tatsächlich hergestellt. Ein Wachstum wie bei der Windkraft hält die Studie für "ambitioniert, aber deutlich zu langsam, um den zukünftigen Bedarf zu decken".
E-Fuels könnten nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler im weltweiten Pkw-Verkehr einen kleinen Restbestand an Verbrennern versorgen, allerdings nur, wenn der Energiebedarf des Straßenverkehrs durch die Elektrifizierung der Fahrzeuge deutlich sinkt. Die Schätzung der Studie kommt auf 190 Millionen Fahrzeuge, entsprechend etwa zehn bis 15 Prozent des heutigen Pkw-Bestands. Bis 2050 könnten die Produktionskosten auf 1 bis 2 Euro heutiger Kaufkraft sinken, entsprechend einem Verbraucherpreis inklusive Steuern und Abgaben bei rund 2,50 Euro/Liter "sofern das Angebot an E-Fuels der Nachfrage hinterherkommt und es nicht zu Knappheitspreisen kommt", wie das FÖS zusammenfasst.
Das übersteigt bei weitem die Betriebskosten für ein Elektroauto. Die Studie merkt an, dass bereits heute ein E-Auto der Kompaktklasse über eine Haltedauer von vier Jahren über 5000 Euro günstiger als ein vergleichbares konventionelles. Bis 2030 könnte laut Studie der Kostenvorteil sogar auf 10.000 Euro ansteigen. Der Bedarf an E-Fuels für Autos dürfte also sinken.
Energie für sechsmal so viele E-Autos
Bereits heute liegt der Wirkungsgrad von E-Autos bei 70 bis 75 Prozent, da elektrische Energie ohne Umwandlung gespeichert und genutzt wird. E-Fuels hingegen erfordern energieintensive Produktions- und Umwandlungsprozesse mit einem Wirkungsgrad von lediglich 13 bis 16 Prozent. Anders ausgedrückt: "Mit derselben Menge Strom können rund sechsmal so viele E-Autos wie E-Fuel-Verbrenner betrieben werden", wie es in der Studie heißt. So könnten 150 Windkraftanlagen 240.000 E-Autos mit Strom versorgen, aber nur 37.500 Verbrenner mit E-Fuels.
Bereits heute ist die Gesamtbilanz über den gesamten Lebenszyklus von Produktion über Betrieb bis zur Entsorgung um 40 bis 50 Prozent besser als bei einem herkömmlichen Auto. Selbstverständlich wird auch zur Erzeugung des Fahrstroms der Elektroautos heute noch Kohlendioxid emittiert, allerdings sinkt dieser Anteil, je mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden kann – und zwar gleichermaßen für jedes bereits auf der Straße befindliche Elektroauto.
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Ein weiterer in der Studie auch erwähnter Effekt lässt sich allerdings nur schwer beziffern: die durch Abgas hervorgerufene Gesundheitsschädlichkeit. Zwar emittieren Verbrennungsmotoren, die mit E-Fuels laufen, bilanziell kein klimaschädliches Kohlendioxid, doch entstehen durch die Art der Verbrennung Nebenprodukte, die in modernen Motoren zum allergrößten Teil katalytisch und mit Partikelfiltern unschädlich gemacht werden. Ein kleiner Rest wird unnötigerweise gleichwohl potenziell die Gesundheit von Anwohnern und Fahrzeugbenutzern beeinträchtigen, wenn weiterhin Verbrenner genutzt werden können.
Das sogenannte Verbrenner-Aus rückgängig machen zu wollen, hat zurzeit wieder Konjunktur bei rechten Parteien. Zuletzt hatte sich auf EU-Ebene das Mitte-Rechts-Bündnis EVP dafür stark gemacht. Schon deutlich früher hatte die deutsche Bundesregierung unter Druck der FDP bei der EU Ausnahmen für sogenannte E-Fuels gefordert.
(fpi)