Tag des Notrufs 112: Ohne Standortdaten keine Rettung
Die EU gibt Standards für die Ortung von Notrufen unter 112 vor, aber nicht jeder Notruf lässt sich orten. In Deutschland sind Geräte ohne SIM im Nachteil.
(Bild: FooTToo / Shutterstock.com)
Wer einem Hilfesuchenden schnell beistehen will, benötigt den Standort des Notfalls. Die EU gibt Regeln für den weiteren Ausbau und die Wirksamkeit der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 vor.
So schrieb der Gerichtshof der Europäische Union in einem Urteil aus dem Jahr 2019 vor, dass der Standort von Notrufen unter der 112 im Rahmen der technischen Machbarkeit "so zuverlässig und genau bestimmt werden kann, wie es erforderlich ist, damit die Notdienste dem Anrufer wirksam helfen können". Hintergrund des Urteils war ein Mord nach einer Vergewaltigung an einer 17-Jährigen in Litauen. Die Jugendliche war am 21. September 2013 entführt worden. Eingesperrt in einem Kofferraum konnte sie zwar noch ein Dutzend Mal einen Hilferuf an das litauische Notfallzentrum über die 112 absetzen, der Anruferstandort konnte aber seinerzeit nicht ermittelt werden. Das Opfer wurde lebendig im Kofferraum verbrannt und konnte nicht gerettet werden.
Der Zugang zu Notdiensten über die Notrufnummer 112 wird in der EU über eine delegierte Verordnung geregelt. So müssen zum Beispiel für Festnetze Angaben zum Anruferstandort in Zusammenhang mit der physischen Adresse des Netzabschlusspunkts, wie Straße, Wohnung, Geschoss oder ähnliche Informationen, bereitgestellt werden. Der Großteil der Notrufe in Europa wird jedoch nicht über ein festes Gerät, sondern über ein Mobiltelefon abgesetzt – im Jahr 2023 waren dies im Durchschnitt der Mitgliedsländer 82 Prozent aller Notrufe.
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Für Mobilfunknetze muss der Standort in Metern zur Bestimmung des maximalen Radius des horizontalen Suchbereiches genannt werden. Gegebenenfalls muss auch die Höhe oder vertikale Genauigkeit angegeben werden, was zum Beispiel in Städten bei Hochhäusern oder in Parkhäusern relevant sein kann.
Advanced Mobile Location im Smartphone
Moderne Smartphones haben in ihrem System AML (Advanced Mobile Location) integriert, das eine genauere Standortbestimmung ermöglicht. Bei einem Notruf schaltet das Smartphone selbstständig GPS, WLAN und andere Sensoren ein, um seinen Standort zu bestimmen und übermittelt diese Daten per SMS oder HTTPS an eine zentrale Notrufabfragestelle. Die Einsatzleitstelle, die den Notruf entgegennimmt, kann diese Daten dann bei dem zentralen Endpunkt in Deutschland abrufen und das Mobiltelefon so leichter orten. Funktioniert die genaue Standortbestimmung von Smartphones per AML nicht, sollen die Notdienste auf eine netzgestützte Standortbestimmung (Funkzelle) zurückgreifen können.
Die Mitgliedsländer der EU müssen der Europäischen Kommission regelmäßig Bericht erstatten, wie sie den effektiven Zugang zu Notdiensten über die Notrufnummer 112 gewährleisten und die EU-Vorgaben umsetzen. Laut dem letzten Bericht der EU-Kommission aus Dezember 2024 habe sich "die Verwendung der vom Mobilgerät gewonnenen Angaben zum Anruferstandort (...) in der EU weiter verbessert". AML ist demnach in fast allen Mitgliedsstaaten verfügbar. Die European Emergency Number Association (EENA) führte dazu in ihrem letzten Länderreport (PDF) aus, dass in der EU nur noch Zypern, Malta und Polen fehlen. Polen kündigte an, alle AML-Funktionalitäten im Jahr 2027 einzuführen.
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Notruf ohne SIM-Karte?
Das Mordopfer in Litauen nutzte ein Smartphone ohne SIM-Karte – die Rufnummer, Geräteinformationen und der Standort wurden seinerzeit nicht übertragen. In 19 Mitgliedsländern der EU ist es möglich, ohne SIM-Karte den Notruf anzurufen. In Deutschland gilt jedoch seit Jahren die Devise: Kein Notruf ohne SIM-Karte. Notrufverbindungen von Mobiltelefonen ohne Mobilfunkkarte sind laut Notrufverordnung nicht zulässig. Es wird immer eine "betriebsbereite“ SIM-Karte benötigt. Der SIM-Less-Notruf war wegen zu vielen Fällen des Missbrauchs von Notrufen abgeschafft worden.
AML funktioniert grundsätzlich auch nur mit einer SIM-Karte und Mobilfunkempfang. Im Unterschied zu Apple nutzt Google für Android mit ELS (Emergency Location Service) eine eigene Erweiterung von AML, die im Notfall mehr Daten an die Leitstelle per HTTPS-Protokoll überträgt und nicht auf SMS angewiesen ist. Ein Android-Gerät mit WLAN-Zugang könnte also auch ohne SIM-Karte seinen Standort übertragen.
(mack)